Mariah Carey (live in Köln, 2016) Fotostrecke starten

Mariah Carey (live in Köln, 2016) © Tom Teubner

Nach dreizehn Jahren europäischer Bühnen-Absenz meldete sich Mariah Carey, eine der erfolgreichsten Sängerinnen der Gegenwart mit einer ausgiebigen Tour zurück. Vom schillernden Erfolgskonzept der Pop-Diva scheint jedoch wenig übrig geblieben zu sein: In Köln musste sie sich mit einer nicht einmal zur Hälfte gefüllten Halle begnügen. Wer sich dennoch in die Lanxess-Arena verirrt hatte, wurde Zeuge einer soliden, wenn auch wenig überraschenden Show.

In Sachen musikalischer Comebacks lassen sich grundlegend wohl zwei Kategorien unterscheiden: Solche, auf die die Welt sehnsüchtig wartet und solche, auf die sie es allem Anschein nach nicht tut. Der Anblick der nicht einmal zur Hälfte gefüllten Lanxess-Arena lässt den berechtigten Verdacht zu, dass das Bühnen-Revival der Über-Diva des Pop- und RnB Mariah Carey wohl in die letztere der beiden Schubladen zu packen ist.

Schon vor der Show kursierten Berichte, dass Carey im Vorverkauf nur etwa 5000 Tickets an den Mann gebracht habe. Die Lanxess-Arena bietet an Konzertabenden hingegen Platz für bis zu 18.000 Zuschauer.

Einstiger Kassenschlager

Das überrascht, wenn man bedenkt, dass man es mit Mariah 'Mimi' Carey zu tun hat. Im Jahre 2000 wurde sie zur erfolgreichsten Künstlerin des Millenniums gekürt. Insgesamt verkaufte sie weltweit mehr als 200 Millionen Tonträger und landete insgesamt 18 Nummer-1-Platzierungen in den US-Singles-Charts. 

Doch schon mit dem Anbruch des neuen Millenniums lief es nicht mehr ganz so rosig für Carey. Alben floppten, Plattenverträge platzen und auch der Einstand in die Schauspielerei wollte nicht recht gelingen. Auch wenn sie sich im Verlauf der 2000er mit weiteren Studio-Alben und aufsehenerregenden US-Live-Auftritten, wie dem zur Amtseinführung Barack Obamas, wieder einigermaßen fangen konnte – auf den Erfolgskurs vergangener Tage wollte Mimi einfach nicht mehr so recht gelangen. So machte sie sich durch ausufernde Diva-Allüren eher auf den Titelblättern der Klatschmagazine, denn an der Spitze der Charts bequem. Motto: Ist der Ruf erst ruiniert... Und mit einem geschätzten Privatvermögen von etwa 500 Millionen Dollar lebt es sich allemal ganz gut.

Gerade zu symptomatisch erschien da im vergangen Jahr die Einrichtung fester Carey-Shows im Caesars Palace in Las Vegas. Neben ihr und Stars wie Britney Spears haben es sich dort zuletzt auch die Backstreet Boys mit einer Dauer-Residenz gemütlich gemacht – Ein fester Platz für die erloschenen Sternchen des Pop-Himmels, Bingo für die ganz großen Pop-Senioren.

Einer Diva angemessen

Man durfte so doch recht gespannt sein auf die groß angekündigte Europa-Tournee, für die Carey also extra ihre bequeme Vegas-Residenz verließ, um nach über einer Dekade ihre "Lämmer", wie sie ihre Fans gerne betitelt, auf der anderen Seite des großen Teiches mit ihrer Anwesenheit zu beehren. Diese Lämmer sind in den 25 Jahren ihrer Karriere nun allemal zu Schafen herangewachsen und – zumindest in Köln – scheinen sich in dieser Zeit auch viele vom Muttertier getrennt zu haben.

Als pünktlich um 19:45 Uhr dann die überdimensionalen Initialen des Superstars in den Zuschauerraum strahlen, quietschen die verbliebenen, treuen Schäfchen jedoch verzückt. Lektionen im Fache Diven-Tum: Erstens, die Diva lässt vor sich niemand die Bühne betreten (ein Support bleibt aus). Und zweitens, die Diva betritt die Bühne nicht selbst – sie lässt sich standesgemäß von einem Harem muskulöser, junger Tänzer tragen.

Treffsicher

Mit "Fantasy" und "Emotions" stimmt sie direkt zwei ihrer bekanntesten Hits der 90er Jahre an und beweist zugleich, dass sie zumindest im Hinblick auf ihre Stimme über die Jahre hinweg keinerlei qualitativen oder quantitativen Einbuße gemacht hat. Der sagenumwobene Ruf des sich über fünf Oktaven ersteckenden Stimmumfanges eilt ihr nicht umsonst voraus.

Treffsicher schmettert Carey pfeifähnliche Töne heraus, wie es ihr so schnell niemand nachmacht. Kritiker meinten, in der Las Vegas-Premiere den ein oder anderen Patzer in den höheren Lagen gehört zu haben. Zumindest für das ungeschulte Ohr liegt an diesem Abend jedoch nicht ein einziger Ton daneben.

Keine Eile

Carey betont in Interviews zwar vehement, dass sie sich keineswegs in Konkurrenz zu jüngeren Kolleginnen wie Beyoncé und Rihanna sehe. Wenn man den direkten Vergleich zu den Pop-Prinzessinnen der aktuellen Stunde dennoch ziehen mag, dann fällt vor allem auf, dass letztere während ihrer Shows doch deutlich flotter unterwegs sind. So braucht Carey ein fast dreiminütiges Solo-Cover des Michael Jackson Hits "Rock With You", dargeboten durch ihre Begleitung Trey Lorenz, um schließlich in neuer Glitzerrobe wieder auf der Bühne zu erscheinen.

Auch begrenzt sich ihre Beteiligung an der Visualität und Bewegung der Bühnenshow darauf, das perfekt frisierte Haar in der perfekt auf sie ausgerichteten Ventilatorenluft wehen zu lassen und sich von ihren Tänzern von einer Seite der Bühne zur anderen tragen zu lassen. Andererseits garantiert das vermutlich auch die absolute Treffsicherheit ihrer Gesangsdarbietung.

Tempiwechsel

Ein bisschen an Fahrt nimmt die Show dann zu ihrer Mitte auf, in der Carey medley-artig Kurzversionen der 2000er-Hits präsentiert. Darunter bekannte Songs wie "I Know What You Want", im Original ein Feature mit Busta Rhymes und live bislang kaum gespielte Songs wie "Loverboy". Von der Leinwand strahlen die Bilder der dazugehörigen Musikvideos und transportieren den aus heutiger Sicht fragwürdigen Carey-Kitsch und Charme der Jahre um die 2000 in die Gegenwart.

Nach – erneut recht langer Publikums-Bespaßung durch Backingband und Tänzer – erstrahlt Carey dann in erneut frischem Pailletten-Dress und holt auf der Zielgeraden zur großen Balladen-Klatsche aus. Und die beherrscht sie allemal am Besten.

Perfekt und ein wenig steril

So performt sie "When You Believe" in einem überzeugenden Pseudo-Duett mit einer Leinwand- und Tape-Version Whitney Houstons und ihren vermutlich bekanntesten Schmachtfetzen "Without You" aus dem Jahre 1993. Wahre Emotionen wollen dabei jedoch nicht so wirklich rüberkommen. Recht gefühlslos kommt der letzte Song ihrer Zugabe "Butterfly" so auch größtenteils vom Band.

Eines wird nach diesem Abend also klar: Die Frau ist ein Vollprofi, ihr Gesangs-Talent und Diven-Gehabe sind überzeitlich – und gleichzeitig recht starr und leblos. Wahrscheinlich bleibt es also doch das erfolgsbringendere Konzept für Carey, ihre Schäfchen zu sich, in ihre feste Residenz kommen zu lassen. Das ist ein bisschen wie Dinos angucken im Museum...nur in glitzernd.

Setlist

Fantasy / Emotions / My All / Always Be My Baby / I’ll Be There (The Jackson 5) / Rock With You (Trey Lorenz, Michael Jackson Cover) / Touch My Body / I Know What You Want / Obsessed / It’s Like That / Shake It Off / Loverboy / Heartbreaker / Against All Odds (Phil Collins) / One Sweet Day / When You Believe (Whitney Houston) / Hero / We Belong Together // Without You / Butterfly

Alles zum Thema:

mariah carey