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Macklemore (live in Köln, 2016) © Saron Duchardt

Beim Stichwort Hip-Hop schreckt so mancher Konzertfan zurück. Zu aggressiv oder wenig echte Musik lauten die Vorurteile. Macklemore & Ryan Lewis sind der Gegenentwurf. Sie sind modern und vielseitig, bewegen sich gekonnt zwischen Partymusik, Selbstironie und beißender Gesellschaftskritik.

Die Zuschauer mussten in Köln bis 21:30 Uhr warten, bis die Hauptshow endlich beginnt. Die Zeit bis dahin wird eine La Ola Welle nach der anderen durch die Lanxess Arena getrieben oder mit Smartphones die Halle beleuchtet. Das Publikum feiert sich selbst, wie so oft in Köln.

Als dann die Hauptshow beginnt, bietet es gleich eine große Überraschung. Das Bühnenbild ist keine übertriebene Bombastshow, keine Poserei. Im hinteren Teil befindet sich ein dreigeteilter Bildschirm, über den immer wieder Videos und Künstler eingeblendet werden, die zur Stimmung des Songs beitragen. Die Bühne selbst besteht hinten aus drei Hebebühnen, die je nach Bedarf hoch und runter gefahren werden. Oben hängt eine illuminierte Hand mit einem Streichholz, das Symbol des neuen Albums "This Unruly Mess I've Made". Vorne links steht ein Piano und an den Seiten gibt es zwei schräg in den Innenraum laufende Vorbühnen für kleinere Einzelaktionen.

Musik mit Streichern und Bläsern

Als Macklemore & Ryan Lewis ihre Show beginnen, fahren hinten die drei Bühnen hoch. Ryan Lewis steht auf der Mittelbühne, umringt von Schlagzeugen. Rechts stehen die Bläser, die auch schon beim Lollapalooza 2015 in Berlin mit dabei waren. So weit alles normal. Links stehen aber plötzlich vier Streicher, die sind neu. Noch dazu völlig unerwartet. Das ist der neue Sound, der die Massen bewegt.

Vorne fährt Macklemore auf Knien mit dem Rücken zum Publikum unter tosendem Gekreische des Publikums hoch. Mit "Light Tunnels" zu den Klängen der Streicher und Bläser feuert Macklemore die ersten Rhymes ins Publikum. Die Zuschauer auf den Sitzplätzen stehen auf und bleiben bis zum Ende stehen. Hier ist sitzen verboten und einfach kaum möglich, so viel Energie wabert durch die Halle. Zum Ende wird der Sound immer leiser, während Macklemore wie in einer Messe predigt. Die Zuschauer lauschen andächtig, um am Ende wie eine Urgewalt im Applaus zu explodieren.

Macklemore liebt Deutschland

Nach dem Opening bedankt sich Macklemore beim Publikum. Er steht vor 15.000 Zuschauern in einer ausverkauften Lanxess Arena und er betont extra, dass Köln das erste Konzert der aktuellen Tour ist, das ausverkauft war. Macklemore liebt den Kölner Dom, er isst gerne Schnitzel und Bratwurst, wie er später bei "Let's Eat" betont. Aber vor allem hat er Respekt vor einem Land, das seine Grenzen für über 1 Millionen Flüchtlinge geöffnet hat. Ein Zeichen gegen "Inhumanity". Es sollte nicht das einzige ausdrucksstarke Statement bleiben.

Seine gigantische Show geht weiter mit "Brad Pitt's Cousin", bei dem die Tänzerinnen zu Pussy Cats like Angelina werden. Sie tanzen im Katzenkostüm mit langen Schwänzen über die Bühne, während Trompete und Posaune dazwischen stehen und mächtig Gas geben. Stärkere Gefühle zeigt Macklemore aber im Folgesong "Buckshot". Er erinnert an seine Jugend, als er für 7$ die Stunde in einem Fastfoodshop gearbeitet hat und dann in der Nacht als Sprayer in seiner Heimatstadt Seattle unterwegs war. Ein Graffiti malt er schnell auf einem Flipchart und betont auch hier seine Verbundenheit zu Köln und den vielen sichtbaren Graffitis in und rund um die Stadt.

Second Hand statt teurem Protz

Als Macklemore für "Thrift Shop" die Klamotte wechselt, schreit das Publikum bereits vor lauter Vorfreude. Auch hier grenzt sich Macklemore wieder von den üblichen Klischees der Hip-Hop-Szene ab. Keine protzigen Uhren, kein teurer Goldschmuck. Er zieht einen langen, schwarzen Mantel mit eingearbeiteten Leopardenmustern an, den er in einem Kölner Second Hand Shop gekauft hat. Er rapt vorne und hinter ihm zeigen seine Tänzer ihre Breakdance-Moves. Das ganze steigert sich extrem, wenn auch die absolute Spitze erst am Konzertende erreicht wird.

Mit "Same Love" leitet er den empathischen Teil der Show ein, der viel Inhalt bietet und die Partystimmung für weinige Minuten runter fährt. Macklemore fordert die Zuschauer auf, ihre Lichter der Smartphones und Handys anzumachen. Die ganze Halle wird zum Lichtermeer. Wer nicht selbst leuchtet, macht Bilder und Videos der beeindruckenden Szenen. Der Sound dreht hoch, die Bläser geben Druck, während Macklemore dem Publikum einheizt. Die Halle klatscht und singt, aber das Geschrei ist kontrollierter. Jetzt wird es ernst.

Zeichen gegen Rassismus

Macklemore will mit seinen Songs die Gesellschaft aufrütteln, ohne dass es nach Hass oder Wut klingt. Es ist nicht sein Stil, wie einst NWA (Niggaz Wit Attidutes) unter der Führung von Dr. Dre und Ice Cube ihre Wut zu kanalisieren mit Songs wie "Fuck Tha Police". Seine Worte sind ebenso eindrucksvoll wie ergreifend. Denn er redet nicht nur selbst, sondern er lässt über die Videowand andere für ihn sprechen. Worte wie "Black lives matter" oder "Hands Up – Don't Shoot" aus dem Song "White Privilege" weisen auf einen Problem zwischen weißen Cops und den vielen erschossenen jungen Schwarzen in den USA hin. Auch wenn Deutschland in dieser Hinsicht kein Problemland ist, so gibt es übertragbare Parallelen mit brennenden Flüchtlingsheimen. 

Nicht weniger beeindruckend ist Sänger Leon Bridges, der zu "Kevin" von der Videowand singt. Dieser Song mit Zeilen wie "Attended funerals and seen coffins" (Das Besuchen von Beerdigungen und das Betrachten von Särgen) oder "Look at Kevin, he's wrapped in plastic" (Schau hin zu Kevin, wie er eingehüllt ist in Plastik/Leichensack) sind ein Aufschrei gegen den Drogenmissbrauch und die vielen Opfer, die er permanent fordert. Hartes Thema, bei dem so mancher Zuschauer durchatmen muss.

Zurück zur Powerparty

Mit "White Walls" läutet Macklemore das große Finale der Party ein. Er fordert ein Ey-Oh und das Scream vom Publikum und alle machen mit. Es wird immer wilder. Der Innenraum und die Ränge kennen kein Halten mehr. Es wird getanzt, gehüpft, geklatscht und geschrien. Die Halle flippt aus. Als Macklemore dann auch noch ins Publikum springt, auf den Händen der Fans kniet und seine Faust wie einen Hammer im Takt schlägt, schlagen tausende Fäuste wie ein Spiegelbild zurück. Die Energie in der Halle ist unglaublich, sie elektrisiert einfach alle.

Als Zugabe kommt Macklemore verkleidet auf die Bühne mit einer blonden Perücke, die eine Kreuzung sein könnte aus Limahl und einer Dieter Bohlen Vermächtnisfrisur aus den 1980er Jahren. Die beißende Selbstironie von "And We Dance" mit einem Kerl, der alles besser kann, der besser dunkt als Kobe Bryant und besser tanzt als Michael Jackson, ist ein gelungene Veralberung von Gangster Rap. Das "Dance Off" zum gleichen Titel wird gekrönt von einem megacoolen Zuschauer, der auf die Bühne darf und gegen seine Gegnerin im Dancebattle sogar einen Luftsalto hinlegt, bei dem es Macklemore kurz die Sprache verschlägt.

Grandiose Show zum Tourauftakt

Als zweite Zugabe kommen Macklemore und seine Crew nochmals auf die Bühne und präsentieren mit "Downtown" noch eine luftig leichte Urban Street Nummer mit viel Tanz und Coolness. Der Konfettiknall am Ende ist der Schlusspunkt, bevor sich Macklemore mit dreimal "Peace" für die Welt verabschiedet.

Der Tourauftakt für Deutschland hätte nicht besser laufen können. Das Publikum war heiß. Macklemore war megagut drauf und liefert eine tolle, facettenreiche Show ab. Mal energetisch, mal nachdenklich. Hier die harten Rhymes, dann wieder sanfte Töne wie für seine Heimat Seattle. Tolle Akzente durch Streicher und Bläser, gewürzt mit den Moves aus Break Dance und Street Style. Es ist eine grandiose Show. 

Setlist:

Light Tunnels / Brad Pitt's Cousin / Buckshot / Thrift Shop / The Shades/Arrows / Wing$ / Same Love / White Privilege II / Kevin / St. Ides / Let's Eat / White Walls // And We Danced / Dance Off // Downtown

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