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Savages (live in Hamburg, 2016) © Philipp Karadensky

Dass Jehnny Beth und ihre Band-Kolleginnen der Post-Punk-Gruppe Savages die Inszenierung lieben und leben, ist längst kein Geheimnis mehr. Mit ihrem neuen Album und einer ungebremsten Energie beweisen die vier Frauen vor den restlos ausverkauften Reihen des Kölner Luxors, warum sie dennoch – oder gerade deshalb – zu den heißesten Live-Acts dieser Tage zählen.

"Adore Life" – mit diesem pathetischen Albumtitel meldete sich die in London beheimatete Band um Frontfrau Jehnny Beth Anfang dieses Jahres auf der Bühne der Öffentlichkeit zurück.

Mit der Vorgängerplatte "Silence Yourself" hatten sich die Savages 2013 in die Herzen namhafter Musikjournalisten gespielt, den Post-Punk als Attitüde salontauglich gemacht und Beth zur Ian Curtis-Reinkarnation im Körper einer jungen französischen Frau stilisiert. Doch wer glaubte, die vier Musikerinnen würden sich auf den Lorbeeren vergangener Tage ausruhen, lag falsch.

Den Sound der Songs im Blick

Während das Debüt eher auf die Erzeugung der genretypischer Stimmung und Effekte zielte und als rohes und doch weibliches Statement in eine männlich dominierte Sphäre knallen sollte, wandten sich Savages auf "Adore Life" deutlich mehr dem Sound jedes einzelnen Songs zu.

Der Klang der gesamten Platte ist melodischer, Arrangements und Produktion aufwendiger und jeder Track für sich so konzentriert, um ihn live explodieren zu lassen. Und genau das sollte am Donnerstagabend in Köln passieren.

Volles Haus und starker Support

Für explosionsartige Ausbrüche ist vor der Bühne zunächst aber wenig Platz. Das Luxor ist an diesem Abend ausverkauft und schon vor 20 Uhr bis auf den letzten verfügbaren Zentimeter gefüllt. Bo Ningen, eine ebenfalls "London-based" Vier-Mann-(oder Frau?)-Formation mit japanischen Wurzeln, sorgt jedoch schnell dafür, dass sich die unzähligen Köpfe nach vorne drehen.

Der Sound der Band entzieht sich Etikettierungen oder eindeutigen Zuordnungen, ebenso wie es die Geschlechter der Mitglieder tun. Ihren Support-Auftrag nehmen Bo Ningen jedoch sichtlich ernst. Mit Noise-Rock ähnlichen Riffs, psychedelischem Gesang und fliegenden schwarzen Haaren steigen sie ohne Zögern in den Zuschauerraum und bringen das Publikum  auf die nötige Betriebstemperatur.

Böses Mädchen und "Sad Person"

In einem Gewirr aus reichlich Rückkopplungen betreten schließlich Savages die Bühne und Beth positioniert sich in der Rolle, die sie beherrscht wie kaum eine andere: Die androgyne Femme fatale. Die kurzen Haare streng aus dem blassen Mädchengesicht gegelt, unter dem leichten Blouson lediglich mit einen BH bekleidet, starrt sie ihrem Publikum verstört und gleichzeitig entschlossen entgegen.

Doch dabei soll es nicht bleiben. Dass die Band nicht nur mit Typeninszenierungen, sondern auch mit Rhythmen und Tempi ziemlich geschickt hantieren kann, beweist nämlich schon der Set-Opener "Sad Person", in den das anfängliche Soundgewirr überschwappt.

Energie und Geschick

Was folgt ist eine konsequente Live-Show aus einem Guss. Zwischen keinem der Songs bricht die Energie ab, die die vier Damen in ihre Musik legen und ihre Performance so einzigartig macht. Die dynamischen Voll-Auf-Die-12-Songs des alten Albums wie "She Will" und "Husbands" funktionieren ebenso gut wie das deutlich schwerere "Evil", das live hauptsächlich von den Bass-Linien Ayse Hassans lebt.

Generell bieten die Tracks des neuen Albums anstelle einer dauer-sägenden Gitarre nicht nur Hassan, sondern auch Drummerin Fay Milton die Möglichkeit, die Kunstfertigkeit an ihren Instrumenten zu präsentieren und sich selbst zu profilieren.

Inszenierung und Perfektion

In gewohnt überstilisierter Melodramatik beschrieb die Band im Interview mit Queens Of The Stone Age-Frotmann Josh Homme ihr Album "Adore Life" als eine Bewegung zwischen sämtlichen Facetten der Liebe – zwischen Zärtlichkeit, blankem Hass und Sex.

Die eigenen Worte treffen auch die Stimmung der Live-Show. Wütend sieht die zierliche Jehnny Beth aus, als sie zu "Hit Me" auf den Händen ihrer Fans reitet. "This is what we do best" zischt sie schmunzelnd ins Publikum und hat Recht: die perfekte Inszenierung zwischen den Extremen.

Zitate in eigener Stimme

Zwischen diesen Extremen findet auch die Show ihr Ende. Das auf Platte eher unauffällige "T.I.W.Y.G." schüttelt sämtliche Gliedmaßen der Zuschauer durch, während mit "Adore" das wohl beste, obwohl beinah langsamste Stück des Albums gespielt wird. "I understand the urgency of life" singt Beth und scheint im Zitat dem Morrissey des Jahres 1988 zu antworten.

Tatsächlich funktioniert die Musik von Savages vielleicht nur im Zitat, doch die Band hat diesem längst ihre ganz eigene, energische Stimme gegeben.

Setlist

Sad Person / City’s Full / Slowing Down The World / Shut Up / She Will / Husbands / Surrender / Evil / When In Love / I Need Something New / The Answer / Hit Me / No Face / T.I.W.Y.G. / Mechanics / Adore / Fuckers

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