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© Dirk Valentin

Mit dreißig Jahren Bandgeschichte im Rücken geben sich Die Kassierer in der Frankfurter Batschkapp die Ehre. Die Show funktioniert immer noch nach demselben Muster, doch das bewährt sich nach wie vor.

Die Kassierer sind ein Phänomen. Ihre Songs sind pervers, gewaltverherrlichend oder absurd – und manchmal alles auf einmal. Ihr Sänger Wolfgang "Wölfi" Wendland ist eine Kultfigur, die vieles kann, aber nicht singen, was freilich Teil des Gags ist. Geschmacksgrenzen sind für sie nicht das Ende sondern der Anfang der Fahnenstange.

Irgendwie erscheint es unwahrscheinlich, dass eine solche Band inzwischen so populär ist, dass von zahlreichen Unterstützern unterzeichnete Petitionen fordern, sie zum Eurovision Song Contest zu schicken. Neue Kassierer-Alben sind inzwischen rar (das letzte stammt von 2010) und doch ist die Band populärer als je zuvor.

Punk in bester Schlager-Tradition

Gegen Ende der Frankfurter Show erhebt sich Volker Kampfgarten von seinem Hocker und winkt sabbernd und mit debilem Gesichtsausdruck wie ein klischeehafter Rock-Drummer mit seinen Sticks, während er als "der dümmste Schlagzeuger Deutschlands" vorgestellt wird. Wer ungewarnt Zeuge einer Kassierer-Show wird, könnte das für bare Münze nehmen, doch dumm sind Die Kassierer eben nicht. Ihre Alben sind vulgäre Gesellschaftssatire, die neben obszönem Punkrock auch dadaistischen Jazz oder clevere Chanson-Referenzen zu bieten haben. An diesem Abend etwa findet ein Cover von Peter Igelhoffs "Mir ist alles piepe" seinen Weg ins Set.

Einen Schlager-Klassiker in den Deutschpunk zu holen, das ist bei den Kassierern kein flacher Gag. Viel mehr zeigt es auf, wie das Infantile die Genres verbindet. "Mir ist alles piepe" funktioniert auf ähnlicher Ebene wie etwa "Besoffen sein" und macht ebenso viel Spaß. So begann auch einst Wölfis musikalische Sozialisierung mit Heintje und alleine die Tatsache, dass dessen musikalisches Erbe unter anderem von einem meist nackten dicken Sänger einer Punkband weitergetragen wird, grenzt eigentlich schon an Genialität.

Ekel und Absurdität

Live sind Die Kassierer ruppiger als im Studio. Mit ihren wirklich gut gemachten Arrangements mit vielfältigen Anleihen aus den unterschiedlichsten Genres steckt erstaunliche Feinsinnigkeit hinter Alben wie "Musik für beide Ohren" oder "Habe Brille“. Auf eine Vier-Mann-Combo im Setting eines Punk-Konzerts lässt sich das eher schwer übertragen, auch wenn die drei Herren hinter Wölfi – neben dem bereits erwähnten Volker Kampfgarten sind das noch Mitch Maestro am Bass und Nikolaj Sonnenscheiße an der Gitarre – für eine Punkband fast schon überqualifiziert sind.

In der Mitte ihres Sets gibt es einen "Show-Teil", der noch vor ein paar Jahren daraus bestand, dass sich Sonnenscheiße von Kampfgarten fisten ließ. Diesmal zieht sich letzterer den Handschuh über den Kopf und stößt diesen ("wie ein Rammbock im Mittelalter!") in Richtung Intimbereich des Gitarristen. Dem Ekelfaktor stellen Die Kassierer aber immer gerne noch einen Absurditätsfaktor entgegen und so geht dem ganzen Mitch Maestros Kabarett-Einlage vor, die solche Nummern wie "Mitch Maestro trägt einen Eimer über die Bühne"“ beinhaltet, die dann auch genau das ist und mit dem komplett geräusperten Lied "Kuckuck“ vom "Männer, Bomben, Satelliten"-Album endet.

Routinierte Show mit Hits

Kassierer-Gigs laufen seit jeher nach einem ähnlichen Muster ab. Auch die Setlist wird nicht komplett neu geschrieben, wenn ein neues Album erscheint, sondern eher etwas bearbeitet. Abgesehen von den neueren Stücken vom letzten Album "Physik"“ sind die gespielten Songs ziemlich deckungsgleich mit den Shows im Jahrzehnt davor. Die Kassierer setzen auf ihre Hits und erstaunlicherweise haben sie welche. Jedenfalls sind Nummern wie "Großes Glied", "Ich töte meinen Nachbarn und verprügel seine Leiche" oder "Sex mit dem Sozialarbeiter" angesichts ihrer Titel fast schon unverschämt catchy. Satire wirkt gut in Gegensätzen und so wird hier ganz ungeniert ein Text über Nachbarsmord mit einem fröhlichen Refrain mit bestem Ohrwurmpotential gesegnet.

Negativ fällt auf, wie routiniert die Show abläuft, was nach so vielen Jahren mit ähnlichem Prinzip aber kein Wunder ist. Wölfi wirkt eher desinteressiert und auch ein Großteil der Ansagen dürfte inzwischen alt genug sein, um auf die Schule zu gehen. Das Publikum interessiert das wenig. Die Band liefert ab, was von ihr erwartet wird, ausgelassene Stimmung im Saal ist der Dank. Das Kassierer-Konzept bewährt sich also immer noch, nach dreißig Jahren Bandgeschichte, und sollte es sie irgendwann doch noch zum ESC führen, wäre das die verdiente Krönung.

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