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Linkin Park live bei Rock im Sektor in Düsseldorf, 2015 © Philipp Karadensky

Festival-Stimmung in einer Arena, geht das überhaupt? Auch wenn diese in einer Arena nicht ganz rüber kommt, beweisen die Veranstalter von Rock im Sektor mit guter Organisation und einem Line-up aus Stimmungsgranaten wie Kraftklub, den Broilers und Linkin Park, dass auch ein Indoor-Festival gute Laune verbreiten kann. Doch steht der Abend neben der Musik auch im Zeichen eines ernsten Themas.

Im Gegensatz zum Zwillingsfestival Rock'n'Heim erging es Rock im Sektor deutlich besser. Zwar ist die Esprit Arena in Düsseldorf am frühen Nachmittag noch nicht ganz gefüllt, doch fällt auf, dass es hier ziemlich voll werden wird. Mit deutschen Texten und Punk wollen Turbostaat die Menge in Stimmung bringen, treffen aber nicht ganz den Nerv des Publikums. Außerdem schluckt die Arena den Sound förmlich auf. Steht man hinten versteht man fast nichts von den Texten, die Jan Windmeier den Besuchern entgegen schreit. Schade!

Appelle an die Menschlichkeit

Ähnlich ergeht es auch dem zweiten Akt Irie Révoltés, die mit ihrem Mix aus Reggae, HipHop und Ska beste Voraussetzung erfüllen die Meute anzuheizen, doch gibt es auch hier Schwierigkeiten mit dem Sound. Die ersten drei Tracks "Ruhe vor dem Sturm", "Citoyen du monde" und "Il est lá", hallen durch die Arena und sind nur schwer wiederzuerkennen. 

Als "Antifaschist" angespielt wird kommt zum ersten Mal Bewegung in die Menge. Und natürlich kann man so einen Song auch nicht spielen ohne sich vorher kurz zur aktuellen Flüchtlingskrise zu äußern. Die Heidelberger Kombo bleibt damit auch nicht der einzige Act an diesem Abend, der an die Menschlichkeit appelliert.

Fort Minor: Ein seltenes Schauspiel

Besonders gespannt sind viele auf Fort Minor, das HipHop-/Alternative-Projekt von Linkin Park-Mitglied Mike Shinoda. Shinoda tritt sehr selten allein auf, nach eigenen Aussagen in etwa nur fünf Mal pro Jahr. Dementsprechend steht er auch etwas verloren auf der großen Bühne und wirkt stellenweise sogar etwas unbeholfen, liefert jedoch ein souveränes Set ab. Dreißig Minuten dauert der Zauber, der aus Covern seiner Nu-Metal-Band besteht, gespickt mit alten Songs und Klassikern wie "Where'd You Go" und "Believe Me".

Festivalprofis: Kraftklub

Spätestens nach dem Auftritt von Fort Minor ist die Arena rappelvoll, denn als nächstes steht die Performace der wohl zur Zeit beliebtesten deutschen Festival-Band an. Es gibt wahrscheinlich kein Open Air in Deutschland, das Kraftklub nicht in den letzten Jahren gespielt haben. So stehen die Karl-Marx-Städter wie gewohnt mit viel Energie auf der Bühne und schaffen es mit ihren tanzbaren Indie-Rock-Nummern und einer einmaligen Aufforderung von Felix Brummer auch die Leute auf den Rängen zum Stehen zu bringen. Die Besucher im Innenraum tanzen und springen währenddessen bis in den hinteren Teil und öffnen einen Moshpit nach dem anderen.

Hier merkt man: Kraftklub sind wahre Festivalprofis. Und auch die fünf Chemnitzer lenken in ihrem Set die Aufmerksamkeit kurz auf das Thema Flüchtlinge. Dabei will sich Brummer nicht direkt äußern, sondern verweist auf den Song "Drei Schüsse in die Luft", den die Band zu dem Thema geschrieben hat. Mit ihrem "Gang"-Wagen, der durch das Publikum rollt, Wett-Crowd-Surfen, Pyro und dem gewohnten Konfetti-Regen verabschieden sich Kraftklub von ihren Fans, denn ist der Auftritt der Band auch der letzte Festival-Auftritt in diesem Jahr.

Liebeserklärung an die Lokalpatrioten

Im Gegensatz zu Kraftklub müssen die Broilers erst gar nicht darum bitten, dass die Leute aufstehen, denn der komplette Saal steht schon zu Beginn des Sets der Lokalpatrioten. Und endlich gehen auch die Leinwände an, die bis dahin nur Konzert-Werbung zeigten und übertragen den Auftritt der Düsseldorfer. Stand man weiter hinten in der Halle, hatte man davor keine Chance das Treiben auf der Bühne zu verfolgen.

Sichtlich gerührt gibt die Punk-Band ein Repertoire aus den letzten zwanzig Jahren zum Besten und man kann nicht übersehen, wie sehr die Düsseldorfer ihre Broilers lieben. Im Set wird es dann auch noch einmal ernst, als Sänger Sammy Amara auf die aktuelle Flüchtlingslage zu sprechen kommt und betont, dass die Frage nichts mit Politik zu tun habe, sondern dass es ein Akt der Menschlichkeit sei, Hilfsbedürftige aufzunehmen und sich um diese zu kümmern. Besser hätte man es nicht formulieren können. Dafür gibt es lautstarken Beifall in der Arena.

Sentimental wird es, als Amara mit dem Auftritt bei Rock im Sektor die letzte Show vor der Band-Pause ankündigt. Mit Tränchen in den Augen und einem Indoor-Feuerwerk verabschieden sich die Düsseldorfer von ihrem Publikum und die Fans danken es ihnen mit ohrenbetäubenden Applaus und liebevollen Zwischenrufen.

Gespaltene Lager bei Linkin Park

Bei Linkin Park spalten sich dann die Lager. Bis auf einige wenige "Thank you" von Chester Bennigton, richtet die Band kein Wort an die Fans. Interaktion mit dem Publikum findet nicht statt. Die Show bietet zwar eine grandiose Lichtshow und überzeugt besonders dann, wenn der harte Sound laut aufgedreht wird und Bennigton sich die Seele aus dem Leib schreit. Bei Klassikern wie "In The End", "What I've Done", "Castle Of Glass" und weiteren gibt es kein Halten mehr in der Menge.

Viele Besucher zeigen sich aber vom Aufritt enttäuscht. Die Show ist nicht schlecht, doch will der Funke einfach nicht überspringen. Auch verzichten Linkin Park nicht auf die kleine Fort Minor-Show in der Mitte ihres Auftritts, obwohl Mike Shinoda zuvor schon aufgetreten ist. Stattdessen hätte die Band weitere Klassiker spielen können. Die Fans feiern ihre Helden dennoch und man kann nicht leugnen, dass sich Gänsehaut ausbreitet, wenn tausende Zuschauer textsicher die Lieder mitsingen.

Trotz kleiner Schwächen ein Erfolg

Zwar schafft Rock im Sektor es nicht, Festival-Stimmung bei den Besuchern aufkommen zu lassen, dafür eignet sich eine Arena nicht. Angesichts des Regens und des kalten Wetters können die Besucher aber froh sein, dass das Ein-Tages-Festival drinnen stattfindet. Schade ist nur der hallende Sound am frühen Nachmittag und die Absperrungen, die es dem Publikum nicht ermöglichen, die Bands von vorne zu bestaunen – dafür hätte manch einer beim Ticketkauf noch tiefer in die Tasche greifen müssen.

Natürlich wirkt auch das Line-up ein wenig zusammengewürfelt, doch überzeugen vor allem Festivalprofis wie Kraftklub und Broilers. Dass die Hauptattraktion Linkin Park für gemischte Reaktionen sorgt, ist nur ein leichter Wermutstropfen. Das Konzept funktioniert, was sich auch daran zeigt, dass Rock im Sektor 2015 fast ausverkauft war. Und auch die Organisation war bemerkenswert gut, insbesondere der Heimweg zu den Bahnen war bestens geregelt. Der Sektor hat endlich sein eigenes Festival – wir freuen uns schon auf nächstes Jahr.