Melt! Festival (Pressefoto, 2014)

Melt! Festival (Pressefoto, 2014) © Stephan Flad

Das Melt! 2015 bietet alles von Sonne und Hitze bis hin zu Hagel und Regen. Dazwischen gibt es musikalische Acts aller Genre zu bewundern, die Shows zwischen grandios und langweilig abliefern. Ein Festivalbericht.

Obwohl das Melt! 2015 offiziell erst am Freitag beginnt, hat schon am Donnerstag die Preparty im Intro Tent jede Menge Action zu bieten. Nach Pollyester betritt die Trevor Horn Band die Bühne. Mit dem Namen des seit über 30 Jahren erfolgreichen Produzenten können manche vielleicht nichts anfangen. Spätestens beim Song "Video Kills The Radio Star" von The Buggles wird schnell klar, welche Welthits er geschrieben hat.

So fegt er in einer Stunde mit seiner Band, angefeuert vom Rocksound von drei oder vier Gitarren, durch über 30 Jahre seiner Musikgeschichte. Sie spielen Hits wie "Slave To The Rhythm" von Grace Jones über "All The Things She Said" von t.A.T.u. bis hin zum krönenden und frenetisch gefeierten Finale "Relax", dem Welthit von Frankie Goes To Hollywood.

Partysound und Lollipop

Nach der Trevor Horn Band betreten Hercules and Love Affair die Bühne. Mit Kopfstimme und vollem Körpereinsatz lassen sie das fast volle Zelt brennen. Das Publikum tanzt und feiert zu Songs wie "You Belong" und "Do You Feel The Same". Das Publikum ist bunt und wie immer sind einige skurile Figuren darunter, wie ein König mit Krone und rotem Umhang oder eine Frau, die nicht nur einen Vogel hat, sondern gleich mehrere beleuchtete Kanarienvögel als Lichterkette um den Hals trägt.

Das Highlight am Donnerstag ist die Performance von Santigold. Im nun knallvollen Intro Tent performt die Sängerin mit der Bonbonhaarschleife bis zur Erschöpfung mit dem Höhepunkt "Soldier", den sie ursprünglich gemeinsam mit N.E.R.D. aufgenommen hat. Dazu holt sie so viele Zuschauer wie möglich auf die Bühne und treibt die Party mit den ausflippenden Partypeople auf und vor der Bühne auf die Spitze. Mit so viel Feuer zum Start kann das Melt! 2015 beginnen.

Freitag startet mit Schwedenpop und Beachfeeling

Auf der Main Stage eröffnet Tove Lo den Freitag und ist gleich ein Hauptanziehungspunkt. Mit ihrem Gute-Laune-Popsound heizt sie zuerst den Innenraum vor der Bühne an. Als sie dann ihren Hit "Habits" anstimmt, rennen gleich die Fans auf den Sitztribünen vor zur Bühne und sorgen nun alle mit lautem Klatschen und schwenkenden Armen für beste Stimmung.  

Ähnlich hoch frequentiert ist die Desperado Melt! Selektor Stage, die Bühne unten am See mit dem Sandstrand. Jamie xx zaubert als DJ im Licht der untergehenden Sonne ein karibisches Feeling in seine Beats. Die härteren Beats feuert derweil SCUBA auf der Big Wheel Stage in den Himmel und treibt zahllose Tänzer vor der Stage an.

Die Probleme auf der Gemini Stage

Zuerst gibt es einen unerwarteten Bandtausch, den kaum jemand mitbekommt. Die Band Years & Years

wird vorgezogen und so verpassen viele deren Auftritt. Nach ihnen spielt Shura, deren große technische Probleme sich nicht nur bei der Videoanimation zeigen. Der Sound klingt so verzerrt, wie es kaum schlimmer sein kann. Die DJ-Musik, die zur Überbrückung vor dem Konzert lief, rief mehr Begeisterung hervor als ihr Auftritt. Am Ende dauert die Show keine 45 Minuten. Unter den Problemen mit der Animation hat später auch Tiefschwarz bei seinem Live-Set zu leiden. Er kann aber wenigstens den richtigen Sound für tanzwütige Partypeople liefern. 

Nebenan performen Mogwai auf der Main Stage. Die große Bühne ist aber nicht immer ein Garant für einen großen Auftritt. Trotz vollem Stadion hält sich die Begeisterung in Grenzen. Anders bei Sizarr nebenan im Intro Tent. Sie haben ihr Publikum fest im Griff.

Die großen Highlights

Den bis dahin eher durchwachsenen Start am Freitag beim Melt! 2015 retten zuerst London Grammar und dann Nils Frahm. London Grammar hatte 2014 schon einen Riesenauftritt beim SWR3 New Pop Festival und auch diesmal verzücken sie ihr Publikum. Hannah Reid gibt alles und ihre Stimme ist wie gewohnt fesselnd, verzückend hypnotisch und unglaublich emotional. Nach einem großen musikalischen Feuerwerk endet die Show wie fast immer mit "Metal And Dust". Ein unerfreuliches Feuerwerk gab es dagegen im Innenraum, als ein unbelehrbarer Zuschauer eine Bengalofackel mitten unter den Zuschauern zündet. Egal wie es aussieht, es ist einfach viel zu gefährlich.

Nach London Grammar setzt Nils Frahm gleich das nächste Highlight. Mit seinen verschiedenen Elektroorgeln und Soundcomputern spielt der Soundmagier lange, virtuose Stücke, bei denen das Publikum gebannt lauscht, um dann nach jedem Song frenetisch zu applaudieren. Seine Musik ist eine scheinbare Endlosschleife der musikalischen Poesie.

Auch Flume kann danach noch viele Festivalgänger im Stadion der Main Stage halten und lässt den Floor im Innenraum kochen. Die opulenten Videoanimationen hinten sorgen zusätzlich für Atmosphäre.

Der Bassmeister

Nach mehreren suboptimalen Auftritten auf der Gemini Stage kommt spät in der Nacht Hudson Mohawke ans DJ Pult. Er liefert eine grandiose Show ab und schafft es perfekt, den Bass genau in die richtigen Körperregionen zu lenken. Man spürt den Bass tief im Bauch und nicht, wie bei so manchen Übertreibern am Pult, im Hals.

Zum Abschluss befeuern am Big Wheel noch Chris Liebing und Alan Fitzpatrick die immer noch tanzwütigen Partypeople mit treibenden Beats und wer noch stehen kann, tanzt in den Sonnenaufgang.

Der erste Tag war heiß, das Wochenende sollte dann stürmisch werden. Mehr dazu im zweiten Teil.

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Der Samstag bringt zunächst einen schweren Hagelschauer mit Windstärken auf Orkanniveau. So wurde der Zeltplatz ordentlich durchgeschüttelt. Es gab aber auch findige Camper wie einige Holländer, die direkt nach dem Hagelschauer alles an Eisbrocken aufsammelten und in ihre Kühlboxen füllten für jede Menge cold beer.

Auf dem Melt! selbst zieht zunächst Wanda die meisten Zuschauer zur Main Stage. Der Freitag hat aber offenbar Spuren hinterlassen, denn selbst am Desperado Beach kommt nicht recht Stimmung auf, auch wenn sich Robert Koch am DJ Pult alle Mühe gibt. Für die entspannten Hörer bietet Django Django auf der Hauptbühne die Chance, sich für den Abend einzugrooven.

Aber so richtig in Fahrt kommt die Party erst mit Tocotronic. Die Jungs rocken im vollen Intro Tent mit ihren Gitarren und ihre rotzfrechen Texte werden genau frenetisch beklatscht wie ihre ganze Show.

Altmeister versus Youngstar

Der Timetable zwingt dann den Besucher dazu, sich zwischen dem jungen Soulsänger Kwabs und Altmeister Giorgio Moroder zu entscheiden, der möglicherweise nur noch noch selten zu sehen sein wird,

Giorgio Moroder bietet in rund 45 Minuten einen powergeladenen Querschnitt seiner schillernden Karriere. Angefangen mit Donna Summer lieferte der mehrfache Oscargewinner vor allem Soundtracks wie "What A Feeling" aus Flashdance, "Take My Breath Away" aus Top Gun oder "Neverending Story" aus der Unendlichen Geschichte. Nach Trevor Horn am Donnerstag wird mit Giorgio Moroder der zweite Produzent von Weltklasse auf die große Bühne gestellt und erhält dadurch den verdienten Applaus für ihr Lebenswerk.

Pop-Ikone Kylie Minogue als echter Headliner

Nicht selten schaffen es vermeintliche Headliner nicht, den vom Veranstalter erhofften Effekt zu erzielen. Kylie Minogue hat als Headliner die Erwartungen mehr als erfüllt. Das Stadion der Main Stage ist randvoll, der Bereich vor der Bühne hart umkämpft und es finden kaum Abwanderungen statt. Kylie Minogue kommt im Outfit einer Königin auf die Bühne und trifft mit "Better The Devil You Know" gleich den Nerv der völlig ausgeflippten Kylie-Fans vor der Bühne.

Neben zahlreichen Hits wie "Can't Get You Out Of My Head" überrascht sie mit einer Performance der "99 Red Ballons" und anderer Cover wie "Betty Davis Eyes". Die Songs, die aber nach wie vor die Fans ausflippen lassen, sind die alten Hits wie "Locomotion" und "I Should Be So Lucky". Da können die fanatischen Fans mitsingen und ihren Emotionen freien Lauf lassen. Den engen emotionalen Kontakt zu ihren Fans hat Kylie Minogue sich bis heute bewahrt und ihre treue Fangemeinde dankt es ihr bei jedem Auftritt. Auch wenn ihre Show für manche Zuschauer trashig wirken mag, so ist es letztlich genau das, was ihre Fans seit 30 Jahren lieben.

Selfietrend und die Perlen des Wochenends

Der Sonntag startet am Nachmittag mit viel Regen, der Bands wie Catfish and the Bottlemen viele Zuschauer kostet. Zeitgleich bilden sich auf dem Gelände jede Menge stehende Wasserpfützen und es zeigt sich ein weiterer Trend aus dem Selfiewahnsinn. Man fotografiert nicht mehr sich selbst, sondern sein Spiegelbild in der Pfütze. Ein Pfützen-Selfie, oder auch Pfülfie?

Wer Glück hatte und im richtigen Moment an der Gemini Stage vorbeilief, wurde hoffentlich vom Sound der Band Formation nach unten gelockt. Die beiden Brüder aus Südlondon spielen genialen Elektropop mit Souleinflüssen, angeheizt durch Keyboards und Drums. Ihr Auftritt war eine große Überraschung und ein echtes Highlight an einem Sonntag, der durchaus noch ein oder zwei große Auftritte verdient gehabt hätte.

Der zweite Hammer, der unbedingt erwähnt werden muss, ist Damien Lazarus & The Ancient Moons. Er performt auch auf der Gemini Stage, die aber im Vergleich zu Formation nun aus allen Nähten platzt. Seine Verbindung von Groove und Deep House mit Soundelementen aus aller Welt treibt die Tänzer auf der Fläche an bis zur totalen Ekstase. Ein megagenialer Sound.

Deutschen Exoten werden gefeiert

Auf den ersten Blick wirkt eine Band wie Element of Crime auf einem Festival wie dem Melt! vielleicht deplatziert. Aber wo sonst könnten sie hinpassen als auf ein Festival, bei dem es stilistisch keine Grenzen zu geben scheint. Die deutschen Altrocker um ihren Frontmann Sven Regener spielen im knallvollen Intro Tent ein begeistert gefeiertes Konzert. Mit Songs wie "Liebe ist stärker als der Tod" rufen sie großen Applaus hervor. Songzeilen wie "Scheiß doch auf die Seemannsromantik" verdeutlichen, wie sehr sie zwischen zuckersüß und bitterböse wandeln.

Die fein eingesetzten Trompetensoli, die Sven Regener in seine Songs immer wieder einbaut, setzen tolle Akzente. Am Ende geben sie noch eine Zugabe mit "Delmenhorst", ihrem selbstironisch so bezeichneten "einzigen Hit". Sie werden mit Standing Ovations verabschiedet.

Die Enttäuschungen auf der Main Stage

Die Main Stage soll eigentlich die Bühne für die großen Acts sein. Am Sonntag war diese Bühne die Plattform der großen Enttäuschungen. Zuerst war da Ride, die legendäre englische Shoegaze-Band, die sich 2014 wieder zusammengefunden hat. Viele der zahlreichen Zuschauer, die live dabei waren, werden sich vermutlich fragen: Warum? Bei keinem Song kam wirklich Stimmung auf und man muss sich fragen, ob bei so vielen Leuten noch weniger Applaus überhaupt möglich ist.

Aber die größte Enttäuschung war der vermeintliche Headliner Alt-J. Der Sound dieser Band ist derart langweilig, dass die Zuschauer eher damit beschäftigt waren, das haarige Hinterteil eines Zuschauers mit Feuerzeugen zu beleuchten, als ihm bei Aufsitzen auf seinem Kumpel die Hose runterrutschte. Alt-J ist kurz gesagt die langweiligste Schnarchmusik, die man sich vorstellen kann.

Tolle Location, gutes Line-up

Nach vier Tagen Melt! bleiben als Pluspunkte die tolle Location, die sich mit keiner anderen in Deutschland vergleichen lässt und das bunte Line-up, das zahlreiche Möglichkeiten bietet. Bedauerliche Überschneidungen und die etwas enttäuschenden Hauptacts am Sonntag ließen sich dadurch verkraften.

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