Grob (2015)

Grob (2015) © Grob

Der Platzhirsch Award 2015 hat einen Sieger: Grob aus Ludwigshafen setzen sich mit Pöbel-Pop in der Finalrunde gegen Katinka, MAS und Kolor durch und stauben so das Preisgeld von 5.000 Euro ab.

Auch beim 2. Platzhirsch Award, präsentiert von der Popakademie Baden-Württemberg, Das Ding und der Platzhirsch GmbH, gab es für Newcomer wieder einen mit 5.000 Euro dotierten ersten Preis zu ergattern. In der Finalrunde traten die Bands Katinka, Kolor, MAS und Grob an.

Mit kurzen Sets und einer kreativen Bühnengestaltung hatten die Finalisten Stimmen von Jury und Publikum für den Sieg zu sammeln, die 50-50 gewichtet wurden. Um dabei gerechte Stimmverteilungen zu fördern, war es für Besucher nötig, mindestens drei der Acts gesehen zu haben.

Wie im letzten Jahr war das Wetter anfangs mehr als bedenklich. Nur Stunden vor Beginn schien es noch, als ginge die Welt ein bisschen unter. Pünktlich zum offiziellen Beginn um 16.30 Uhr gewann die Sonne aber die Oberhand und bescherte bestes Konzertwetter auf dem Alten Messplatz in Mannheim. Für besonderes Ambiente sorgte auch diesmal wieder die Aufmachung als ein Mini-Festival-Gelände mit Verkaufszelten rund um die beiden Bühnen und Pausenmusik von Das Ding-DJ LXQ. 

Grundsolide: Katinka

Den Auftakt macht die Band mit Heimspiel, Katinka, die sich insgesamt souverän präsentieren. Auch wenn sie anfangs noch nicht recht herauskommt, wird schnell klar, dass das musikalische Aushängeschild die starke Stimme und der Gesangsstil von Frontfrau Katharina Münz ist.

Doch die Band hat mehr zu bieten als nur einen klanglichen Eyecatcher. In ihren Songs, einer Mischung von Punk und Funk, tragen alle Musiker zum dichten Gesamtsound bei. Auch in puncto Bühnenpräsenz wirkt niemand, als sei er nur Begleitung, die Bandmitglieder bleiben ständig in Bewegung, rocken und grooven, die Sängerin tanzt. Einen Kabelfauxpas überspielen sie routiniert.

Die Bühnenshow nimmt sich die Band zu Herzen, und bietet durchaus die beste unter den teilnehmenden Bands: Auf der Bühne stehen Öltonnen, die bei jedem Song von Sprayern besprüht werden, die Kulissen wechseln bei jedem Titel und ein paar Konfetti-Knalleffekte gibt es auch – dass es für eine Pyroshow nicht gereicht hat, wird ihnen wohl niemand vorwerfen. Sogar eine kleine Chemiestunde mit Trockeneis und heißem Wasser, die eine der Öltonnen kräftig nebeln lässt, weiß die Band zu inszenieren.

Undankbare Rolle als erste Band

Möglicherweise findet der ein oder andere, dass das zwanghaft bemüht wirkt und dass es etwas zu viel des Guten ist. Die Musik beeinflusst das aber nicht, Katinka wachsen mit dem Auftritt. Auch die Stimme der Frontfrau entfaltet sich Song um Song und zeigt sich facettenreich, mal punkig, mal einen Hauch soulig, immer wieder eine Prise Nina Hagen und ab und zu auch melodiös wie im Refrain von "Augenblick", den der Autor immer noch als Ohrwurm hat – danke dafür.

An manchen Stellen wünscht man sich zwar, sie sänge ein paar mehr glatte Töne, statt den häufigen gezogenen Glissandi, aber das gehört zum energischen Gesamtkonzept eben dazu. Das geht leider allerdings ein wenig darin unter, dass Katinka die undankbare Rolle des ersten Anheizers und Eisbrechers zukommt, bei dem noch die wenigsten zusehen. Da drei Bands ausreichen, um stimmberechtigt zu sein, werden sie im Voting für Zuspätkommer bestraft.

Flower Power: Kolor

Die Mainzer Band Kolor, die auch schon Rock am Ring bespielen durften, liefern eigentlich auch einen souveränen Auftritt mit gut gemischtem Sound ab, aber das Gesamtbild wird von einer Menge kleiner "Zwischendurchs" etwas beeinträchtigt. Dazu wählen Kolor als Bühnendeko einen Wald von Blumen und anderen Pflanzen. Ob das bloß Ausdeutung des Bandnamens war oder tieferen Sinn hatte?

Die Songs von Kolor sind poppig mit tanzbarem Beat, doch der ständige Hauch Melancholie, das kleine Pathos, steht zu der Blumendeko seltsam quer. Musikalisch überzeugt die Band durch sichere Performance und auch die Stimme des Sängers kann begeistern, besonders wenn sie abundzu aufdreht und zeigt, dass mehr dahintersteckt als deutsche Melancholie.

Zu viele "Zwischendurchs"

Etwas mehr Abwechslung hätte aber nicht geschadet, immer der gleiche Beat wirkt auf Dauer etwas monoton. Und dann sind da noch die "Zwischendurchs". Obwohl ein Keyboard auf der Bühne steht, kommen anfangs Synthie-Samples vom Band, aber zwischendurch wird auch mal das Keyboard von einem der Gitarristen benutzt, der zwischendurch auch mal eine Trommel schlägt. 

Zwischendurch kommt eine Dame, die die Blumen gießt oder mit Rosenblüten wirft, zwischendurch streichelt der Sänger dem Bassisten lasziv über den Kopf, zwischendurch kommt in den deutschen Texten mal eine englische Zeile oder ein "gottverdammt". Nichts davon ist wirklich schlimm oder gar schlecht, aber es sind viele Kleinigkeiten, die den Gesamteindruck schmälern.

Die Band macht einen Eindruck der zwischen verkrampft und übermäßig routiniert liegt, aber nicht als echt spontan bezeichnet werden kann. Auch wenn sie eigentlich überzeugend Headliner-Sonnenuntergangsstimmung transportieren, geht das in Blumen und Wetter ein wenig unter, so dass am Ende einige Zuschauer sitzen und andere sogar gegangen sind.

Schwere Kost: MAS

MAS aus Stuttgart dürfen als Dritte ran. Sie bringen ein interessantes Gesamtkonzept mit, das deutschen Rap mit Tonfall à la Casper oder Max Herre verbindet mit einem Bandsound, der zwischen Indie und härteren Klanfarben changiert. Es schwingt in den Gitarren, kombiniert mit dem Rap, und auch in der Bühnenerscheinung ein bisschen Linkin Park mit, aber ohne den melodischen Gesang.

Besonders jener Gesang, den der Gitarrist nur manchmal ergänzend durchscheinen lässt, fehlt den eigentlich griffigen Refrains aber hin und wieder für die live-Wirkung. Die Bühnengestaltung fällt im Vergleich am wenigsten aufwändig aus, was vielleicht durch Bühnenpräsenz ausgeglichen werden sollte, doch Aufforderungen zum Mitsingen oder Springen werden größtenteils von der Weite des Messplatzes verschluckt.

Die Musik hat Qualität, die Band ist jung, sympathisch und bemüht, der Rap gut und die Texte wirken "deep". Doch bricht die Qualität sich etwas am Live-Sound, in den die Band vielleicht noch hineinwachsen muss. Und natürlich hatten sie als düsterster Act noch mehr als Kolor das Pech, mit reichlich Sonnenschein bedacht zu werden.

Grob: Grob

"Wir schreiben das Jahr 2015 und die Dezibel sind gekommen um euer Ohr zu ficken." – Grob heißt nicht nur die letzte Band, die aus Ludwigshafen kommt, sondern das ist auch ihr Programm. Selbst sprechen sie von Pöbel-Pop, und das schlägt sich nicht nur in den eigentlich-alles-egal-Ansagen nieder, sondern auch textlich und musikalisch. Das macht Spaß und damit haben sie das Publikum schnell auf ihrer Seite.

Entsprechend dem Bandnamen starten sie mit fiesen Samplesounds, wie sie immer mal wieder eingespielt werden, und im Laufe der Songs kommen immer wieder depotenzierende musikalische Elemente vor. Schummrige Akkordeon-Begleitung und betont zittrige Kopfstimme als Backgroundgesang unterwandern die Musik hochgradig und machen sie witzig und ironisch.

Das Gleiche im Wort: Mit Textanarchie à la Helge Schneider, aber weniger dadaistisch, wird gesungen von Toiletten, von Angst vor Hunden, Erdbeershakes und Horst Heldt, davon wenn du im Arsch bist, und über einem sphärisch schwebenden Akkord wird erklärt: "Du bist am Sack. Selbst Schuld."

Spaß bei Sonnenschein

Die im Contest so wichtige Bühnengestaltung besticht vor allem durch das leuchtend rote Dixi-Klo im Hintergrund, das auch gelegentlich benutzt wird von einem Typ, der sonst mit der auf der Bühne aufgebauten Wohnzimmereinrichtung irgendwie interagiert und beim gleichnamigen Lied einen Erdbeershake an das Publikum verteilt. In dem Moment hates das einzige Mal den Eindruck, dass es der Band nicht egal ist.

Unterm Strich ist die Band so wie ihre Bühnendeko, auf neudeutsch, random, doch authentisch dabei. Und auch als es wie bei Katinka einen Kabelausstecker gibt, wird der weniger souverän als mit lautem "Aaaaaah!" überspielt. Die Attitüde kann aber nicht darüber hinwegtäuschen, dass sie wie die anderen Bands ihre Instrumente beherrschen, manche gleich mehrere davon. Grob machen, wie gesagt, Spaß und das kommt bei dem guten Wetter umso besser an.

And the winner is...

Am Ende gaben Publikumsdichte und Applausintensität recht zuverlässige Anzeichen für den Ausgang des Votings ab, und Grob wurden vom Das Ding-Moderator – etwas antiklimatisch – zum Sieger des Platzhirsch Awards 2015 gekürt. Auf dem zweiten Platz landeten Katinka, die ebenfalls einen stimmigen Gesamteindruck ablieferten.

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