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Neil Diamond (live in Köln, 2015) © Tom Teubner

Neil Diamond feiert in Köln mit einer Show voller Hits aus rund 50 Jahren Erfolgsgeschichte den Auftakt zu seiner Europa-Tour - und hält seine Fans dabei mit einer Ausdauer auf Trab, von der viele Popstars der jüngeren Generation nur träumen können.

74 Lebensjahre hat Neil Diamond auf dem Rücken, die Hitlisten-Statistiken zählen über ein Dutzend Top-Ten Alben des Singer-Songwriters mit der markanten Stimme und eine schier unüberschaubare Zahl an Top-Ten-Singles.

Er kann es – immer noch

Als um Punkt 20 Uhr eine Stimme aus dem Off den über 13.000 Zuschauern der Kölner Lanxess-Arena dennoch verkündet "Mister Diamond wird heute ohne Pause für Sie singen" löst das bei einigen entsetztes Staunen aus, während man sich ein paar Plätze weiter fragt, ob die geschundenen Kniegelenke das Spektakel wohl besser im Stehen oder im Sitzen aushalten würden. Dass besagter Mister Diamond seinen Zuschauern solche Entscheidungsschwierigkeiten schnell abnehmen würde, konnte zu diesem Zeitpunkt noch keiner wissen.

Die Stadionbeleuchtung erlischt, im Halbdunkel lässt sich der Aufbau einer elfköpfigen Band und zweier Sängerinnen vermuten und kurz darauf marschiert der Star des Abends unter tosendem Applaus durch die Tür einer, wie passend, diamantförmigen LED-Wand. Diamond eröffnet die Show mit dem poppigen "I’m A Believer", jenem Song, mit dem er den Monkees in 60er Jahren zum Welterfolg verhalf. Fast könnte man meinen, er wolle gleich zu Beginn zweierlei klar stellen – Erstens: er kann es auch selbst, zweitens: immer noch.

Dynamisch: Tanz und Stimme

Als der Sänger mit "Hello Again" sein Kölner Publikum persönlich begrüßt und es zudem mit der Auskunft verzückt, Shows in der Stadt mit dieser riesigen Brücke und der beeindruckenden Kirche fühlten sich immer an, wie nach Hause zu kommen, rutscht die Mehrzahl der Zuschauer nervös auf ihren Sitzplätzen. Geradezu dankbar springen die Zuschauer auf, als Diamond schließlich selbst zur Gitarre greift und "Kentucky Woman" ertönt. Jegliche Sorgen um womöglich schmerzende Gelenke scheinen über Bord geworfen zu sein.

Neil Diamond macht es seinen Fans dabei in bester Manier vor: Mit schwingenden Hüften tänzelt er in seinen engen glitzernden Hosen über die Bühne. Dass die Show eines solchen Weltstars perfekt durchchoreographiert ist, muss man von vornherein erwarten. Trotzdem wirkt er bei alldem nicht gelangweilt routiniert. Nur den Blick auf einen hin und wieder etwas gequält anmutenden Gesichtsausdruck können die Großaufnahmen der Videoleinwand nicht verbergen. Vielleicht sind’s auch die Gelenke.

Zu einem Highlight des Konzerts wird die Ballade "Girl, You’ll Be A Woman Soon", welche in der Coverversion der Band Urge Overkill vor allem Quentin Tarantino Fans wohl bekannt sein sollte. Auch ohne größere Tanzeinlagen oder ein showreiches Backing der Band schafft es Diamond, die Zuschauer mit seinem nach wie vor prägnanten Bariton in den Bann zu ziehen.

Souverän: Klassiker und neue Songs

Neben den Klassikern vergangener Tage finden sich im Set auch zwei Songs vom jüngsten Album "Melody Road". Wer mit der 2014 erschienen Platte nicht vertraut sein sollte, kann die Songtexte nun brav über Leinwand verfolgen. "It took me five years to write this song and three minutes to play it tonight" kündigt Diamond scherzend "The Art Of Love" an.

Eine überzeugende Performance und das wohlwollende Applaudieren der Zuschauer bestätigen, dass sich die lange Arbeit gelohnt hat. "Cherry, Cherry", gleichermaßen einer seiner frühsten und größten Hits, wird zum Zehnminüter gedehnt und Anlass, Neil Diamonds Band gebührend zu feiern. Dass auch deren Mitglieder analog mitgealtert sind, löst bei einigen wild klatschenden Zuschauern sichtlich Entzückung aus und der Großteil entscheidet sich dagegen, sich nochmal auf seinen Sitz niederzulassen.

Unermüdlich: Diamond und Fans

In frischem Glitzerjäckchen holt Diamond schließlich zur Zugabe aus und zeigt auch nach knapp zwei Stunden Show keinerlei Ermüdungserscheinungen. Vielmehr ist es, als würde er aus der mit stetig steigender Euphorie gefüllten Stadionluft gar immer mehr Energie schöpfen. So beweisen die Kölner Konzertbesucher zu "Sweet Caroline" größere Textsicherheit, als man sie vielleicht von betrunkenen Volksfestbesuchern kennen mag.

Als während "America" neben einem riesigen Diamanten aus Stars and Stripes auch zwei kleinere Deutschlandfahnen in den Zuschauerraum strahlen, hat das kurz einen eigenartigen Beigeschmack. Aber gut, man soll an einem solchen Abend schließlich nicht alles all zu ernst nehmen. Die vor romantischer Nostalgie glänzenden feuchten Augen einiger Damen sind wohl definitiv der Musik geschuldet.

Die Show endet mit "Heartlight", obwohl sowohl der Herr auf der Bühne als auch seine Fans sicher noch ein paar Stündchen weitermachen könnten. Aber wer weiß, vielleicht spart man sich noch einiges für ein nächstes Mal auf. Zuzutrauen wäre es Mister Diamond.

Setlist

I’m A Believer / Love On The Rocks / Hello Again / Pretty Amazing Grace / Kentucky Woman / You Got To Me / Girl, You’ll Be A Woman Soon / Play Me / Red Red Wine / Beautiful Noise / If You Know What I Mean / Brooklyn Roads / Shilo / Nothing But A Heartache / The Art Of Love / Forever in Blue Jeans / Cherry, Cherry / Crunchy Granola Suite / Holly Holy / I Am... I Said // Cracklin’ Rosie / Sweet Caroline / America / Brother Love’s Traveling Salvation Show / Heartlight

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