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Betty (2015) © Hans-Jörg Michel

Holzschnittartig fokussiert Gegenwartsautorin Laura Marks in ihrem Stück "Betty" auf die Schattenseiten des Turbokapitalismus und demontiert den amerikanischen Traum. Laut und schrill brachte Robert Teufel den Einakter am Samstag, 25. April 2015, als deutschsprachige Erstaufführung auf die Bühne des Mannheimer Nationaltheaters.

"Das sieht doch schon ganz gut aus", verkündet Toni (Almut Henkel) und schreitet erhobenen Hauptes durch das verwüstete Haus, in dem Crystal (Sabine Fürst) wohnt. Wie bitte? Das soll gut aussehen? Die Küchenzeile liegt in Trümmern, mit Blut wurde das Wort "Hure" darauf geschmiert.*

Der amerikanische Traum – zerlegt

Crystal lächelt selig, ihre Haare und das Gesicht mit Blut verklebt. Sie hat es geschafft: Die Auflagen des Jugendamtes erfüllt – eigenes Bett, Kindersicherungen an den Fenstern im Obergeschoss. Die strenge Toni wird die Empfehlung aussprechen, dass ihre Tochter Betty wieder zu ihr zurückkehren kann. Dafür hat Crystal in den letzten eineinhalb Stunden auf der Bühne des Nationaltheaters Mannheim alles getan.

"Betty" lautet auch der Titel des Einakters von Laura Marks, den Robert Teufel hier am 25. April 2015 zur deutschsprachigen Erstaufführung gebracht hat. Der amerikanische Traum, der vielleicht aus nicht vielmehr besteht wie aus einem Haus, einem Auto und einer Familie, wird hier im wahrsten Sinne des Wortes zerlegt.

"Ich muss unbedingt diesen Abschluss machen!"

Die junge amerikanische Autorin Laura Marks erzählt die Geschichte von Crystal, die erst ihr Haus, dann ihre Tochter verloren hat. Nun tut die Autoverkäuferin alles, um Betty wieder zu bekommen. Sie zieht illegal in ein leerstehendes Haus, in dem schon der Einsiedler Gary (Thorsten Danner) haust.

Sie schläft mit einem potenziellen Kunden (Klaus Rodewald), weil sie hofft, dass dieser dann das teure Auto kauft, das er tagelang zur Probe gefahren ist. Vor allem ist es ihr wichtig, den Schein zu wahren: Der Frau vom Jugendamt spielt Crystal heile Welt vor – mit dem Sozialphobiker Gary als Klempner.

Gemetzel aus Kunstblut

Gewaltszenen bringt Regisseur Robert Teufel, wie auch schon in seinen Inszenierungen von "Brilliant Adventures" und "Farbenblinde Arbeit" am Nationaltheater, extrem stilisiert und verfremdet auf die Bühne. Das Gemetzel zwischen Crystal und Gary wird nur angedeutet. Wie ein Menetekel wird Theaterblut überall im Raum verteilt, noch bevor überhaupt etwas passiert ist.

Eindrucksvoll, wie Shannon, die gefühlskalte Chefin des Autohauses (Dascha Trautwein) die immer weiter verwahrlosende Crystal unter Druck setzt, ihr buchstäblich im Nacken sitzt. Almut Henkel als Toni schafft es mit kleinen Mitteln, ihre Machtausübung auszudrücken, wenn sie ihre Beine auf Crystals Schoss legt beispielsweise.

Dennoch vermag die Inszenierung nicht restlos zu überzeugen. Zum einen glaubt man das Stück von Laura Marks im intimeren Rahmen des Studio Werkhaus besser aufgehoben. Das fand wohl auch Bühnenbildner Christian Thurm, der mit einer weißen Rahmenkonstruktion einen Raum im Bühnenraum geschaffen und dadurch die Bühne verkleinert hat.

Figuren in Schwarzweiß

Zum anderen wirken die Figuren, die Marks skizziert, wenig differenziert und vorhersehbar: Der ältere Mann will die junge Frau flachlegen, weil er seinen Job verloren hat und vom Geld seiner Ehefrau (Ragna Pitoll) lebt – er braucht Bestätigung. Die Frau, die um ihr Kind kämpft, würde dafür alles tun – ihren Körper verkaufen, jemanden tot schlagen.

Das Stück wirkt eher wie ein grober, kantiger Holzschnitt denn wie eine fein ausgearbeitete Zeichnung. Und die Inszenierung tut das ihre: Tische und Stühle werden plötzlich und unmotiviert umher geworfen, so dass es in den Ohren weh tut. Es geht allzu laut zu auf der Bühne von "Betty". Doch manchmal ist ein leiser Ton der eindringlichere.

*Korrektur: In einer früheren Version des Artikels stand, dass das Wort "Fuke" (ein falsch geschriebenes Fuck) zu lesen gewesen sei. Wir bitten den Fehler zu entschuldigen.

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