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Bei seinem Konzert im Hamburger Docks spielt sich der englische Sänger und Gitarrist Paul Weller quer durch seine 23jährige Solokarriere und bot neues vom demnächst erscheinenden Album "Saturn's Pattern" dar. Berstend vor Selbstvertrauen und mit hervorragender Band im Rücken klang Weller so gut wie lange nicht mehr.

Ein neues Album bewirbt man nicht mehr mit einer Tour, eine Tour steht heutzutage für sich.

Auch Paul Weller, als sogenannter "Modfather" immerhin mitverantwortlich für den Britpop-Boom der 90er, dürfte mit dem im Mai anstehenden zwölften Studioalbum "Saturn's Pattern" keine Millionen scheffeln. Auf seine Anhänger kann er sich aber verlassen: sie füllen nicht einmal ein Jahr nach dem letzten Hamburger Auftritt das Docks an der Reeperbahn, immerhin der größte Liveclub der Hansestadt.

Neues und Überraschendes

Der Abend beginnt mit einem der vorab veröffentlichten neuen Songs, "White Sky". Ein grob stampfender Kracher, der in der Studioversion nicht richtig überzeugen mag, aber einen mitreißenden Opener abgibt.

Kurz danach die erste Überraschung: "Kosmos", vom Solodebütalbum aus dem Jahr 1992, hat Weller über 20 Jahre lang nicht gespielt. Auf dem selbstbetitelten Erstling kam es soulig-psychedelisch daher, anno 2015 hat es dank zweier E-Gitarren mehr Punch. Die Backing Vocals von Andy Crofts und Steve Pilgrim müssen sich dabei nicht vor den weiblichen Begleitstimmen verstecken, mit denen Weller Anfang der 90er unterwegs war.

Quer durch das Soloschaffen

Nur Songs der Soloalben hatte der britische Sänger angekündigt, und er hält Wort: weder die punkigen Gassenhauer seiner in Teenie-Jahren gegründeten Band The Jam, noch die stylishen Café-Jazz-Kleinode von The Style Council stehen heute auf dem Programm.

Stattdessen geht es quer durch das Soloschaffen. "Come On/Let's Go" vom hervorragenden Spätwerk "As Is Now" schlägt in eine ähnliche Kerbe wie das 23 Jahre alte "Into Tomorrow": druckvoller Uptempo-Rock, gespielt von einem vor Selbstvertrauen berstenden Weller mit hervorragender Backing Band.

Schnörkellos

Leadgitarrist Steve Cradock ist seit den 90er Jahren Wellers treuer Kompagnon auf Studio- und Bühnenbrettern, die anderen vier, teils deutlich jünger, begleiten den Sänger seit fünf Jahren. Zum dritten Mal ist er mit diesem Quintett in Hamburg, und die Band wirkt besser eingespielt denn je.

Die sechs brauchen keine Semi-Akustik-Sets oder Dub-Spielereien, um den Abend kurzweilig zu halten. "Porcelain Gods" und "Whirlpool's End" von Wellers erfolgreichstem Soloalbum "Stanley Road" sind lang und gitarrenlastig und doch konzise und perfekt gespielt. Das furiose "Peacock Suite" hat so viel The-Who-Energie, dass man eigentlich nur die Pete-Townshend-Windmühlen-Gitarre vermisst. Die fünf Songs von "Saturn's Pattern" sind keine Großtaten, zeugen aber doch von einer Rückkehr zum nüchternen Songwriting.

Tatkraft und Ungeduld

Vor einigen Jahren hat Weller den Alkohol komplett aufgegeben, weil es sein Schaffen als Musiker beeinträchtigte. Der Mann aus dem Londoner Vorort Woking, der mit 18 Jahren seinen ersten Plattenvertrag unterschrieb, lebt auch nach sechs englischen Nummer-Eins-Alben den Working-Class-Ethos: niemals ausruhen, immer neue Dinge probieren. Drahtig und voller Energie, strahlt Weller auch mit 56 dieselbe Tatkraft und Ungeduld aus wie in seinen Pubkonzerten mit 15.

Dazu passt, dass er sich neuen Einflüssen nicht verschließt. Während der Sessions zum letzten Album "Sonik Kicks" hat er Krautrock für sich entdeckt. Mehrfach unterstrich Weller seine Begeisterung für die kurzlebige Düsseldorfer Band Neu!. Prompt lädt er für die Zugabe im Docks Neu!-Gründer Michael Rother auf die Bühne. Dass man dessen Gitarre im Mix kaum wahrnimmt – geschenkt.

Fantastischer Sound

Abgesehen davon ist der Sound in dem 1400 Zuschauer fassenden ehemaligen Kino fantastisch, jedes Instrument glasklar wahrnehmbar. So muss der Sound einer sechsköpfigen Rockband im Jahr 2015 klingen.

Die allerletzte Zugabe nach fast zwei Stunden ist "The Changingman". Ein programmatischer Titel, hat Weller seinen Sound doch mit jedem neuen Album leicht variiert, neue Musiker und Produktionsmethoden eingesetzt. Eines jedoch ist seit Jahrzehnten unverändert: die Klasse seiner Konzerte.

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