Usher (Pressefoto, 2014)

Usher (Pressefoto, 2014) © Christie Goodwin

Usher hat den Fans in Deutschland in den vergangenen 15 Jahren sein bestes und sein schlechtestes Gesicht gezeigt. Bei der Show in Mannheim hatten die Fans das Glück, dass Usher sich von seiner besten Seite gezeigt hat.

Das Opening des Konzerts bestreiten die beiden Norweger Nico & Vinz, deren Programm sich aber seit dem Auftritt beim New Pop Festival 2014 nicht weiterentwickelt hat. Die Halle bebt vornehmlich durch das Dröhnen der Beats aus den Lautsprechern. Die Zielgruppe sind immer noch die Teenie-Girls und nach wie vor fehlt es den Songs außer bei "Am I Wrong" an Substanz und Wiedererkennungswert. 

Top oder Flop?

Mit Spannung erwartet das Publikum dann den Hauptact Usher, der in den letzten 15 Jahren ein Topkonzert und einen sehr unschönen Auftritt hingelegt hat. Anfang der 2000er Jahre präsentierte sich Usher in der Frankfurter Jahrhunderthalle als Tänzer und Performer von geradezu unglaublicher Leichtigkeit. Seine Bewegungen waren so fließend, als ob er den Boden gar nicht mehr berühren würde. Es war ein Konzert mit Herz und Leidenschaft.

Ganz anders 2004 in der Frankfurter Festhalle: Diese Show war ein lieblos abgespultes Programm, das den Eindruck hinterließ, als ob Usher einen lästigen Pflichttermin einfach nur hinter sich bringen wollte. Umso spannender war die Frage: Welches Gesicht zeigt Usher diesmal? 

Lässiges Opening

Als sich die Oberbühne hebt, betreten Tänzer und Musiker die Bühne. Der krachende Sound und die Videoanimation laufen. Dann teilt sich die Videowand in der Mitte und Usher erscheint. Ganz cool und lässig schlendert er nach vorne zum Bühnenrand und beginnt mit seiner Tanzperformance. Er dehnt und streckt sich, zeigt seine immer noch grandiose Beweglichkeit und Geschmeidigkeit.

Die erste Großaufnahme in sein Gesicht lässt die Kenner unter den Fans aufatmen. Usher lächelt. Er wirkt präsent. Er ist voll da. Das lässt auf eine große Show hoffen. Diese Performance liefert Usher dann auch. Leider krankt das Opening mit Songs wie "My Way und "OMG" mal wieder am blechernen Soundmatsch. Die starken Vibrationen verzerren das Mikro und auch die acht Musiker, der DJ und die drei Backgroundsänger- und sängerinnen kommen so kaum zur Geltung. Erst am Ende von "Love In This Club" zeigen die Bläser erste Lebenszeichen, es wird langsam besser.

Die pure Stimme

Wesentlich leiser, ohne Soundverstärker, präsentiert Usher seinen Welthit "U Remind Me". Jetzt zeigt Usher seine Stimmqualitäten. Seine gefühlvollen Emotionen versetzen die Halle in Ekstase. Jetzt klingt er wie ein Sänger, der es voll drauf hat.

Mit "Twisted" taucht er ein in die Welt der Funk-Jam Performance. Tänzer und Musiker laufen kreuz und quer über die Bühne. Durch die immer wieder aus dem Boden auftauchenden Videowürfel entstehen kleine Extrabühnen. Das Bühnenbild verändert sich so permanent. Usher tanzt sich bei "Dot Com" zeitweise derart in einen Rausch, dass er nicht nur schwitzt wie verrückt, sondern auch vor lauter Energie seine Sonnenbrille verliert.

Der Fan-Test

Echte Fans können alle Songs ihres Stars mitsingen. Usher stellt sie auf die Probe. Er lässt vom DJ mehrere Songs anspielen und das Publikum soll den Text singen. Es sind tatsächlich viele echte Fans in der Halle. Der Gesang ist deutlich. Usher stimmt immer wieder mit ein. Songs wie "My Boo" oder "New Flame" sorgen für Riesenstimmung im Saal.

Zu "Burn" brennt nicht nur das rote Feuer auf dem Videowand, sondern Usher fordert die Lights von den Fans, also die Handylichter zu aktivieren. Die illuminierte Halle läuft auf einen Gänsehautmoment zu, als Usher am Ende ohne Musik singt. Nicht weniger atemberaubend ist die Akustikperformance von "Superstar".

Die Show steigert sich von Song zu Song. Während dem Sänger zu "Bad Girl" ein BH aus dem Publikum zufliegt, glänzt gerade sein Trompeter mit einem Solo. Der kurz verschwundene Usher kommt aus dem Boden zurück an einem goldenen Schlagzeug sitzend. Nun gibt er auch als Drummer richtig Gas. Bei "Good Kisser" dürfen alle Tänzer glänzen.

Dance-Performance der Weltklasse

Mit einer Fellmütze auf dem Kopf kommt Usher zurück und jetzt steuert die Show auf eine Performance zu, die qualitativ nicht mehr zu toppen ist. Der erste Megahit, bei dem es jetzt endgültig alle Fans auf den Sitzen reißt, ist "Scream". Die Danceparty auf den Rängen ist eröffnet. Usher klettert aufs DJ-Pult und jagt die Fans mit "DJ Got Us Fallin' in Love" in die nächste Ekstasewelle. Überall schießen Nebelsäulen auf der Bühne hoch.

Aber auch das ist noch steigerungsfähig. Als der erste Ton von "Yeah" ertönt, flippt die Halle komplett aus. Die Dance-Performance der ganzen Truppe ist einfach grandios. Es ist das Highlight des Abends, der noch nicht zu Ende ist.

Chance verpasst

Die Oberbühne fährt runter vor der Zugabe. Plötzlich stimmt Usher den Text zu "More" an. Diesen Refrain können alle mitsingen. Leider bleibt es bei dieser kurzen Einstimmung. Usher verzichtet etwas unverständlich auf die komplette Performance dieses energetischen Powersongs. Sehr schade, denn "More" ist einer seiner besten Songs und in Deutschland unglaublich beliebt. Damit verschenkt er eine Möglichkeit, das Konzert auf ein noch höheres Niveau zu heben.

Stattdessen erhebt er sich auf einer kleinen Einzelbühne hoch zum Frontteil der Oberbühne. Zum Abschluss performt er für seine Fans, ohne die er kein Star wäre, "Without You". Am Ende kniet er auf der Hauptbühne, faltet im Feuerregen die Hände, macht einen Spagat in der Luft und springt in ein Loch im Bühnenboden. Weg ist er.

Stecker ziehen

Man kann diese Show auf einen Satz zusammenziehen: Je weniger Vibrationen durch übertriebenes Soundposing den Raum durchflutet haben, desto genialer wurde die Show von Usher.

Musik lebt von Emotion. Emotion wird durch Stimmen und Instrumente erzeugt. Usher zählt zur gleichen Kategorie von Musikern wie Drake oder Rihanna, bei denen das ganze Soundgeballer zu viel Raum einnimmt. Alle sind erstklassige Performer.

Aber stets denkt man daran, den Soundtechnikern den Stecker zu ziehen. Wie großartig wäre es, Künstler wie Usher auf einer Unplugged-Tour zu erleben. Da könnten sie wirklich als Musiker und Sänger strahlen ohne das ganze Brimborium.

Alles zu den Themen:

usher nico & vinz