Die Felsen (live in Ludwigshafen, 2014) Fotostrecke starten

Die Felsen (live in Ludwigshafen, 2014) © Markus Biedermann

Die Ludwigshafener Band Die Felsen feiert eine umjubelte Releaseparty zu ihrer neuen EP "Diebe". In ihrem "Wohnzimmer", dem Ludwigshafener Kulturzentrum dasHaus, machen sie deutlich, dass sie ein schimmernder Stern am überschaubaren Horizont des Deutschrock sind.

Es ist eine schöne Sache, wenn der Prophet im eigenen Land doch etwas zählt: Gegen 21.00 Uhr bevölkert eine bunte Mischung aus jungen Fans und alten Indierock-Haudegen aus dem Rhein-Neckar-Delta den Dome des Ludwigshafener Kulturzentrums dasHaus. Der Saal ist rappelvoll.

Mit Spannung erwarten die Zuschauer den Auftritt der Felsen in ihrer Heimatstadt. Auf nicht weniger als drei Positionen ist die fünfköpfige Band neu besetzt. Neben den Gründungsmitgliedern, Sänger und Gitarrist Tim G. Mayer und Keyboarder Frank Ratuschny, stehen Gitarrist Valentin Munter, der irische Bassist Tristan Flanigan und erstmals Axel Gerner als Ersatz für Schlagzeuger Tobias Frohnhöfer auf der Bühne. Hinter den Reglern sorgt ihr Förderer und Haustechniker Holger Wieneke für den richtigen Sound und das ideale Licht.

Mit Herz und Seele

Während ihres knapp zweistündigen Konzerts präsentieren Die Felsen eindrucksvoll ihre Stärken. Bereits beim Opener "Rollender Stein" vom 2011 erschienenen Debutalbum schaffen sie es, den alten Dylan-Slogan zum Rollen und nicht nur zum Rocken zu bringen.

Bereits hier wirft Frontmann Tim G. Mayer unheimlich viel Seele und Herz in die Waagschale. Im Gegensatz zu vielen Mainstreamkünstlern dieses Landes wirken die deutschen Texte in keinem Moment peinlich, was sogleich für Nähe und Zuneigung sorgt. Auch bei "Schein auf mein Herz", das im Intro musikalisch beinahe an Jeff Buckleys Großtat "Grace" erinnert, macht die Band alles richtig.

Große Referenzen und doch ganz eigener Stil

Mayer klingt dabei mit Mitte zwanzig fast wie ein Fünfzigjähriger, der schon alles erlebt hat, jede Beziehung gelebt hat und wirkt doch keine Sekunde altklug. Man ist immer in Versuchung Schubladen zu finden für Nachwuchsbands und im Falle der Felsen wurden bereits Element of Crime, Selig aber auch Wolf Maahns Deserteure genannt.

Viel wichtiger ist jedoch, dass diese Band musikalische Ingredienzen des Spätsiebziger UK-Pubrock genauso mit 1980er-Deutschrock und 1990er-Indierock kombinieren kann und doch ganz eigen, immer ein wenig kantig (Felsen u know?) und ungeschliffen daherkommt. Selbst Prog-Anleihen in "Die Felsen" oder "Ich will dich nicht" und Reggae-Elemente passen perfekt ins Bild. Sie transferieren die letzten 35 Jahre Popmusik für ein nachwachsendes, junges Publikum ins Hier und Jetzt.  

Neue EP "Diebe" mit Livepremiere

Im Mittelpunkt des Konzerts steht die Präsentation der neuen, drei Stücke umfassenden EP "Diebe", die nicht nur auf dem Cover den jungen James Dean Bradfield zitiert, sondern auch im Titelsong dem R'n'R-Hedonismus der Manic Street Preachres sehr nahe kommt. Das Titelstück über Liebe, Leidenschaft und Durchhalteparolen erweist sich als klassische Indie-Hymne, dessen Refrain man mit geballter Faust entgegenfiebert. Auch "Boderline" und "In einem Jahr" überzeugen das Publikum und reihen sich nahtlos in das geradlinige Songwriting der Ludwigshafener ein.

Der neue Gitarrist  "Valentino" Munter erweist sich in seiner klassischen Sidekickrolle als sehr gute Ergänzung zu Sänger und Sprachrohr Tim Mayer. Axel Gerner, der wohl auf Dauer Tobias Frohnhöfer vertreten wird, ist mehr als ein Ersatz. Extrem kraftvoll treibt er die Band vor sich her, während Bassist Tristan Flanigan für die nötige Erdung der Felsen sorgt. Der Bandsound ist insgesamt sehr beeindruckend, um einiges direkter und härter als auf Platte und erinnert in manchen Momenten an Bruce Springsteens E-Street-Band. Die Felsen sind eine großartige Liveband, deren eher zurückhaltende Ansagen und Undestatement gerne auch eine breitere Brust vertragen könnten. Ihr Potential ist riesig!   

Die "Klassiker" einer jungen Band

Zu weiteren Highlights der Release-Party avancieren "Untergang", das mit ungebremster Wucht Begeisterung im Publikum auslöst, das rockige "Schmetterling" und der Titelsong der 2012er-Platte "Blut und Bier auf dem Klavier", bei dem die Band den viktorianischen Klavieranschlag eines klassischen Madness-Hits mit einem rauen, sehr direkten deutschen Text kombiniert, der den Songtitel perfekt trifft.

Die Härte, die eine angezählte Industriestadt wie Ludwigshafen vermittelt, lässt sich nicht nur hier in den Felsen-Texten ablesen. Der namensgebende Titelsong, ein Parforceritt durch verschiedene Musikstile beschließt das reguläre Set. Tim Mayer erreicht in diesem Lied tatsächlich die Tiefe und Abgründigkeit von Rio Reiser, dem vielleicht besten deutschen Sänger und Texter.

Zugaben und Ausblick

Nach der vierten Zugabe, dem obligatorischen, herrlich krachenden "Rock'n'Roll Band", ist Schluss. Selbst die Eltern, die im Hintergrund auf ihre Kids warten, haben strahlende Augen und wippen mit, denn sie wissen, dass eine solche Band aus der eigenen Stadt keine Selbstverständlichkeit ist. So bleibt zu hoffen, dass Die Felsen nach ihrer Neuformation und der Live-Feuertaufe ihre Energie für eine mögliche neue Platte in 2015 mitnehmen können, die dann hoffentlich auch deutschlandweit Gehör findet.

Alles zum Thema:

die felsen