Katie Melua (live in Baden-Baden, 2013)

Katie Melua (live in Baden-Baden, 2013) © Akis Konstantinidis

Das Konzept der Night Of The Proms ist seit Jahren gleich und hat bewiesen, dass es funktioniert. Die Mischung aus Klassik und Pop offenbart in der Ausgewogenheit 2014 aber einen kleinen Schwachpunkt im Vergleich zu den früheren Ausgaben.

Der Startschuss zur Night Of The Proms in Mannheim kommt plötzlich und unerwartet wie ein Donnerschlag in der Dunkelheit. Das Orchester Il Novecento und der NOTP Chor Fine Fleur beginnt mit der Ouvertüre, in die wie gewohnt auch die Interpretation moderner Popsongs einfließt.

Im Gegensatz zu 2013 bleibt es aber diesmal bei einer Performance dieser Art. Das ist schade, denn die Performance der aktuellen Popsongs mit dem Orchester und dem Chor ist stets ein Highlight der Night Of The Proms.

Die Drama-Queen: Ksenija Sidorova

Der Tango steht für Leidenschaft und Dramatik. Diese Musik greift Ksenija Sidorova mit ihrem Akkordeon auf. Zuerst spielt sie den "Libertango" und fügt sich dabei in perfekter Harmonie in das Orchester ein. Es ist eine völlig andere Art als die elektrisierende, herausstechende Performance von Hiromi 2013. Diese Musik ist ruhiger, aber sie zieht die Zuschauer dennoch in ihren Bann. Das schafft sie noch mehr mit ihrem späteren Auftritt im feuerroten Abendkleid bei ihrer Interpretation von "Carmen's Spiel" aus der Oper Carmen von Georges Bizet. 

Nach dem "Libertango" folgt "Il Trovatore", ein Stück von Giuseppe Verdi, bei dem Patrick de Smet seinen ersten großen Auftritt hat. Der Mann an den Percussions ist der heimliche Publikumsliebling, denn auch 2014 produziert er wie jedes Jahr seine komischen Einlagen. Diesmal zeigt er die harten und zarten Schläge. Zuerst die zarten Schläge auf der Triangel, um dann mit dem Hammer einen Amboss zu bearbeiten. 

Das deutsche Küken: Madeline Juno

Wie jedes Jahr gibt es bei der Night Of The Proms auch wieder einen deutschen Act. 2014 fiel die Wahl auf Madeline Juno, die mit ihrer zarten Stimme für großes Aufsehen gesorgt hat. Sie ist nicht nur die bisher jüngste deutsche Künstlerin, sondern in der Tat ein echtes Küken.

Denn als die Night Of The Proms 1994 in Deutschland ihr Debüt feierten, war sie noch gar nicht geboren. Ihre Debütsingle "Error", die sie natürlich auch performt, schaffte es 2014 auf den Soundtrack des Kinohits "Fack You, Göhte". Die Sängerin aus dem Schwarzwald mit Wohnsitz in Mannheim erntet für ihren Auftritt beim Heimspiel jedenfalls viel Applaus.

Die Hitmaschine: Marlon Roudette

Aus einem Opening des Orchesters von Johann Sebastian Bach heraus erscheint im Scheinwerferlicht plötzlich Marlon Roudette. An der jamaikanischen Steel Drum beginnt er seine Show mit "When The Beat Drops Out". Jetzt kennt der Innenraum keinen Halt mehr. Die Zuschauer springen begeistert von ihren Sitzen auf und zahlreiche Fans rennen die Mittelgänge vor bis zur Reihe 1.  Bei "Anti Hero" macht Marlon die Halle zu seinem Chor, der das "Ooh-Oh" singen darf. Zum Abschluss spielt Marlon im blau-weißen Lichtermeer des Publikums auf der Gitarre noch "New Age", bevor er mit tosendem Applaus verabschiedet wird.

Zur Erholung gibt es eine Runde Walzer. Zu "Copelias Donauwellen" schunkeln die Zuschauer zur Musik von IL Novecento oder manche Paare tanzen vor der Bühne und in den Gängen des Innenraums.

Mr. Music, Mr. Proms: John Miles

Seit 30 Jahren fester Bestandteil des Programms der Night Of The Proms hat sich John Miles den Titel als Mr. Proms wahrlich verdient. Als der weiße Flügel aus dem Boden nach oben fährt, weiß die ganze Halle sofort, wer jetzt kommt. Von den Fans über die Homepage gewählt performt er 2014 zunächst "Bohemian Rhapsody" von Queen.

Der komplexe Rocksong passt in Kombination mit dem Orchester perfekt ins Programm. Dann folgt vor der Pause die Hymne der Night Of The Proms. Keine NOTP-Gala ohne "Music". Dieser facettenreiche Song reißt wie immer alle Zuschauer mit.

Die große Stimme: Katie Melua

Nach der Pause eröffnet das Orchester den zweiten Teil mit der Ouvertüre aus der Diebischen Elster von Gioachino Rossini, aus der sie schon 2013 ein Stück gespielt haben. Dem oben schon geschilderten Auftritt von Ksenija Sidorova als Carmen folgt dann Katie Melua. Das Stimmwunder erklimmt mit Hut und im langen Abendkleid die Bühne. Sie eröffnet ihren Part an der Gitarre mit ihrem Welthit "Closest Thing To Crazy".

Mit "God On Drums" beweist sie auch ihre rockigen Fähigkeiten an der E-Gitarre. Aber sie ist auch aufmerksam für ihre Umgebung. Mannheim ist, wie sie herausgefunden hat, die Stadt, in der das Fahrrad erfunden wurde. Welcher Song passt also besser zu diesem Abend als "9 Million Bicycles". Sie widmet diesen letzten Song der Stadt, bevor sie mit großem Applaus von der Bühne geht.

Der italienische Rockstar: Zucchero

Dem letzten großen Auftritt von Il Novecento und dem Chor Fine Fleur mit der "Carmina Burana" folgt der Altstar des Abends. Im Spotlight sitzt auf einem roten Samtsessel Zucchero. Er beginnt seine Performance mit "All Fine". Dabei ist die Reaktion des Publikums sehr interessant. Eine große Fangemeinde hat Zucchero offenbar nicht nach Mannheim mitgebracht. Die Zuschauer sind nicht enthusiastisch, sondern verharren eher in einer Haltung: "Mal abwarten, was da jetzt kommt".

Was folgt, ist eine mitreißende Show eines Künstlers, der das Publikum von Song zu Song immer mehr begeistert und auf seine Seite zieht. Mit "Vedo Nero" steht der Innenraum nach Aufforderung von Zucchero auf, zu "Senza Una Donna" rockt er mit NOTP-Bandgitarrist Arnold van Dongen die Halle und beim Duett "Miserere" wird der einstige Weltklassetenor Luciano Pavarotti über die Videoleinwand zugespielt. Den Abschluss mit allen Künstlern auf der Bühne bildet wie immer die gemeinsame Performance von "Let It Be".

Der Chor ist unterrepräsentiert

Im Vergleich zu den letzten Jahren ist 2014 eine Sache auffällig. Der sonst sehr präsente Chor Fine Fleur ist 2014 im Programm irgendwie untergegangen. Vor allem die Interpretationen der modernen Popsongs fehlten bis auf das kurze Intro in diesem Jahr. Dabei hätten sich gerade 2014 tolle Chancen ergeben. Eine Band wie etwa Clean Bandit mit ihrem Radiohit "Rather Be", die ja aus der klassischen Ecke kommen, wäre geradezu prädestiniert dafür gewesen, hier performt zu werden. So war es ein guter, aber kein herausragender Konzertabend.