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Die Toten Hosen (live in Mannheim 2013) © Akis Konstantinidis

Im Wiesbadener Schlachthof wärmen sich Die Toten Hosen für ihr Umsonst & Draußen-Konzert in Yangon, im südostasiatischen Staat Myanmar auf. Mit dabei: treue und enthusiastische Fans, die Klassiker, selten gespielte Songs und ganz viel Alkohol.

Die Zeiten, in denen sich in Deutschland irgendjemand über Punkrock oder Punker aufregte, sind lange vorbei. Inzwischen zählen zwei Bands, deren Wurzeln in der Punk-Szene liegen, zu den größten deutschen Acts: Die Ärzte und natürlich Die Toten Hosen.

Teil des Establishments

So weit haben sich Die Toten Hosen von ihren Anfangstagen entfernt, dass ihre Singlehits "Altes Fieber" und "Tage wie diese" in geradezu exemplarischer Weise die bräsige Selbstzufriedenheit des Deutschlands unter Angela Merkel repräsentieren.

Selbst das gesellschaftliche Engagement der Band ist unter Beschuss geraten, so dass Campino kürzlich bei einem Radiointerview nach Kritik an der deutschen Version von "Do They Know It's Christmas?" regelrecht ausrastete. In Wiesbaden kommentiert er nur knapp, dass ihn die "Scheiße", die andere verbreiteten, nicht interessiere.

Auf nach Myanmar!

Die Einladung der deutschen Botschaft, ein kostenloses Konzert in Yangon, der größten Stadt von Myanmar zu spielen, passt ins Bild. Die Toten Hosen zählen mittlerweile zum Establishment. Im jahrzehntelang von einer Militärdiktatur regierten Myanmar, das vor einigen Jahren einen zaghaften und nicht abgeschlossenen Demokratisierungsprozess einleitete, ist Punkrock hingegen noch eine echte Untergrundbewegung und mit beträchtlichen Risiken für Musiker und Fans verbunden. Das Konzert der Toten Hosen in Yangon am 6. Dezember biete den dortigen Bands die Chance öffentlich aufzutreten, erklärt Campino.

Es wird sicherlich ein spannendes Erlebnis für die Düsseldorfer und ihre Hardcore-Fans, die sie nach Myanmar begleiten. Dafür haben sie "Yangon Calling" einstudiert, eine Abwandlung des Clash-Klassikers "London Calling", den sie aber nach eigenem Bekunden nochmal im Flugzeug üben sollten.

Ausgelassene Stimmung allerorten

Um sich für den ungewöhnlichen Auftritt warmzuspielen, beraumten Die Toten Hosen zwei Aufwärmgigs in Deutschland an, einen in der Bochumer Zeche und einen im Wiesbadener Schlachthof, seit vielen Jahren ein Zentrum linker Kultur im Rhein-Main-Gebiet. Die personalisierten Tickets waren innerhalb weniger Stunden ausverkauft – klar, dass viele Fans darauf brennen, die Hosen in einem Club und nicht im Stadion zu erleben.

Schon auf der Herrentoilette haben Fans die Quetschkommode ausgepackt und singen eifrig Hosen-Lieder. Gefühlt die Hälfte der Anwesenden trägt ein T-Shirt der Band, der Alkohol fließt in Strömen, die Stimmung ist ausgelassen, teilweise euphorisch. Alle sind froh, dabei zu sein.

Campino in bester Laune

Als Opening Act haben die Hosen die schwedische Band The Baboon Show eingeladen. Obwohl das Quartett seit zehn Jahren existiert, wirkt es, als müssten sie dringend mehr Zeit im Proberaum verbringen. Die Musik besitzt wenig Zusammenhalt, besteht größtenteils auf einfältigen Parolen und scheint teilweise auseinanderzufallen. Der Applaus ist dementsprechend verhalten.

Anders natürlich bei den Toten Hosen. Vom ersten Lied an springen die Fans von ganz vorne bis in den hinteren Bereich der Halle, schwenken ihre Flaggen und singen enthusiastisch mit. Campino hat beste Laune, hält Schwätzchen mit den Hardcore-Fans, wirbelt in charakteristischer Weise mit dem Mikrofonständer herum, verhaspelt sich, betrinkt sich, wirft Bierdosen ins Publikum und scheint eine Menge Spaß zu haben. Dazu ist der Sound exzellent, wie es sich für eine neu errichtete Halle gehört.

Enthuasismus bei jedem Lied

Neben den Klassikern spielen Campino & Co zahlreiche Songs aus ihrem Frühwerk. Kein Wunder, ihnen ist ja auch klar, wer da im Publikum steht. Dementsprechend werden die frühen Punksongs wie "Modestadt Düsseldorf" oder "Unter falscher Flagge" enthusiastisch gefeiert. Im Grunde ist es schwer zu sagen, welche Lieder an diesem Abend nicht enthusiastisch gefeiert werden.

Bei "Steh auf" setzen sich die Zuschauer ohne Aufforderung hin, was Campino etwas verblüfft zur Kenntnis nimmt. Aber das macht nichts, so kann auch der Junge mal etwas sehen, der mit seinem Vater das Konzert besucht. Es jedenfalls ist verblüffend, wie viele Jungendliche sich unter den Zuschauern befinden. Repräsentativ dafür ist die sechzehnjährige Nina* aus Wuppertal, die den Refrain von "Paradies" ins Mikro schreien darf. Campino macht währenddessen Pause, die hat er auch nötig, denn seine Bühnenshow ist schweißtreibend und kraftraubend.

Stadionmäßige Stimmung (nicht Allianz-Arena)

Campino befindet sich jedenfalls in der richtigen feucht-fröhlichen Stimmung, um ordentlich Gas zu geben. Zu Beginn der Zugabe ist er schon ordentlich angeheitert, beim Start der zweiten Zugabe regelrecht betrunken. Seiner Stimmung oder der des Publikums tut das natürlich keinen Abbruch, im Gegenteil, infantile Klassiker wie "Hofgarten" machen dann erst Sinn. "Tage wie diese" ist allerdings auch in der Liveversion unerträglich.

Überraschenderweise gibt es nach dem unvermeidlichen "You'll Never Walk Alone" noch einen Nachschlag mit einer dritten Zugabe. Nach zweieinviertel Stunden ist die unterhaltsame und kurzweilige Show dann endgültig vorbei. Die Fans gehen selig nach Hause, haben sie doch einen Abend jenseits der üblichen Stadionshows erlebt – mit Ausnahme der Stimmung.

Setlist

Strom | Unter falscher Flagge | Altes Fieber | Glückspiraten | Auswärtsspiel | Du lebst nur einmal | Das ist der Moment | Alles was war | Yangon calling | Helden und Diebe | Heute hier, morgen dort | Bonnie und Clyde | Modestadt Düsseldorf | Keine Ahnung | Niemals einer Meinung | Steh auf, wenn du am Boden bist | Pushed again | Liebeslied | Hier kommt Alex | Wünsch dir was | Mehr davon

Zugabe: Paradies | 1000 gute Gründe | Song 2 | Schönen Gruß, auf Wiedersehn

Zugabe Nr. 2: Hofgarten | Armee der Verlierer | Far far away | Liebesspieler | Call of the wild | Tage wie diese | You'll never walk alone

Zugabe Nr. 3: Verschwende deine Zeit | Opel-Gang | Freunde

*Name geändert

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