Jennifer Rostock (live beim Southside Festival 2014) © Achim Casper
Bevor es mit Jennifer Rostock losgeht, heizt die Vorband Kmpfsprt mit Punkrock den Zuschauern ordentlich ein. Die Reibeisenstimme des Sängers erinnert unweigerlich an eine Fusion von Hot Water Music mit einer gehörigen Portion Post-Hardcore. Das ganze sogar noch auf deutsch.
Der Funke springt definitiv über. Besonders in Songs wie "Musikdienstverweigerer", die sich klar gegen Homophobie und politischem Radikalismus positionieren, wird der politische Anspruch der Band offensichtlich.
Bombastischer Start
Nach einer ungewöhnlich langen Wartezeit erscheinen Jennifer Rostock mit dem Song "Insekten im Eis" auf der Bühne. Ins Auge fällt sofort das sehr markante Logo ihrer neuen EP "Kaleidoskop", das an der hinteren Bühnenwand mit sehr unterschiedlichen Farbtönen die Stücke gut in Szene setzt.
Die Band um Frontfrau Jennifer Weist gibt schon jetzt Vollgas: Zu Beginn des zweiten Liedes "K.B.A.G" werden die Zuschauer mit einem Konfettiregen überrascht.
"Ausziehen!"
Optisch sorgt auch das Outfit der Sängerin für Aufsehen. Aus dem Blickpunkt der hinteren Reihen entsteht zunächst der Eindruck, dass Frau Weist heute ein schwarz-weiß kariertes Hemd trägt und damit ungewohnt adrett gekleidet ist.
Aber erst als das Bühnenlicht zum ersten Mal angeht, offenbart sich ihre "Bekleidung" in seiner ganzen Pracht: Sie trägt lediglich ein Gitternetz, das ihren nahezu komplett nackten Körper den Blicken des Publikums preisgibt. Einzig ihr Genitalbereich und ihre Brüste sind nur spärlich mit schwarzem Stoff bedeckt. Einige Zuschauer kommentieren diese sehr freizügige Aufmachung mit dem Ruf: "Ausziehen!".
Alkohol en masse
Ihrem Outfit entsprechend tritt Jennifer Weist auch als Botschafterin der Liebe auf, als sie die Verlobte eines Zuschauers auf die Bühne holt, der ihr einen geglückten Heiratsantrag macht. Das neu vermählte Pärchen lädt sie gewohnheitsgemäß zu einer Schnapsrunde ein. Im Laufe des gesamten Konzertes nimmt die Band so um die sieben Schnäpse zu sich, wobei jede neue Runde mit einem lauten "Zicke Zacke"-Ruf von Weist eingeläutet wird.
Wirklich unterhaltsam, allerdings hätten ein paar Prosits weniger auf der Bühne auch gereicht. Weist nimmt sich dabei in Bezug auf den hohen Anteil der Minderjährigen im Publium selbst auf die Schippe: "Wenn hier ein Beamter des Jugendamtes im Publikum ist, viele Grüße!"
Musikalisch auf hohem Niveau
Viele Bands und vor allem viele Sänger versuchen, durch übermäßige optische Showeinlagen ihr eher suboptimales Können zu kaschieren. Bei Jennifer Rostock ist dieses Motiv nicht erkennbar.
Die vier Instrumentalisten spielen die Songs sehr enthusiastisch, und auch die Sängerin trifft auch in den Screamo-Passagen jeden Ton. Besonders in Songs wie "Feuer", "Kapitän" oder "Hollywood" bringt die Band die Alte Seilerei dank der charismatischen Art von Weist zum Beben.
Die wichtige Botschaft zum Schluss
Vor dem Song "Ein Schmerz und eine Kehle" verlautet Jennifer einer der wenigen Messages mit übergeordeten Sinngehalt: "Egal welcher Sexualität ihr seid, bleibt so, wie ihr seid". Während des Liedes schwenkt sie dann die Regenbogenfahne, um ihrer Botschaft Ausdruck zu verleihen.
Leider ist das Konzert insgesamt ein wenig überladen von sexuellen Anspielungen. Das gilt besonders dann, wenn Weist sich immer wieder lustvoll am Schritt reibt oder einen Zuschauer ihren Speichel trinken lässt. Die Frontfrau scheint den Rock'n'Roll-Lifestyle zu leben und inszeniert sich auch dementsprechend. Der Fokus sollte allerdings nicht auf dem zugegebenermaßen reizvollen Körper der Sängerin liegen, sondern auf der guten Musik.
