Oracles (2014)

Oracles (2014) © Tobias Huschka

Das junge Berliner bzw. Kölner Musikerkollektiv ΩRACLES gastiert zum Tourauftakt am Donnerstag im Darmstädter HoffART Theater und beeindruckt mit großer Dynamik und Stilwillen. Ausbaufähig ist allerdings die Bühnenpräsenz.

Es gibt nicht viele deutsche Bands, die sich mit lediglich einer 6-Track Mini-LP im Gepäck auf Tour begeben, aber das Rauschen im Blätterwald der deutschen Musikpresse und der (zu) oft zitierte Ritterschlag durch Peter Doherty im NME dürften für das große Interesse an der jungen Band ΩRACLES verantwortlich sein.

Nach etlichen umjubelten Festivalauftritten im Sommer haben die ΩRACLES eine kleine Tour angesetzt, bevor sie bereits im Dezember die Arbeit an ihrer ersten LP fortsetzen wollen. Das sehr gut gefüllte HoffART Theater fungiert als Gastgeber für das interessante "Animalistics"-Konzept, das Independent-Künstler in das kleine Theater holt und gleichzeitig Essen anbietet, auf das man sich mit der jeweiligen Band geeinigt hat.

Stilmix & eigenwillige Einflüsse

Jungen Männern mit Gitarren in der Hand zuzuschauen, wie sie ihre langbehaarten Köpfe schütteln, ist auch 45 Jahre nach Woodstock immer wieder ein Erlebnis. Das junge Studentenpublikum steht ganz nah dran an der Band, die ebenerdig in Wohnzimmeratmosphäre ihre Instrumente aufgebaut hat.

ΩRACLES sind Joshua Gottmann, Nils Herzogenrath, Dennis Jüngel, Niklas Wandt und seit Frühjahr 2014 auch Keyboarderin Hanitra. Junge Musiker, die 2013 in Berlin zusammenkamen und ihre unterschiedlichen Einflüsse und Herkünfte zu einem ganz eigenen Klangbild verarbeiten.  Auf ihrer offiziellen Homepage kann man die Referenzen nachlesen, die von Kraan über Caravan oder der Incredible String Band eine Brücke aus den psychedelischen Sechzigern und krautverwurzelten Siebzigern bis ins Hier und Jetzt schlagen.

Im freien Fluss

Als "strictly retro" wollen sie sich jedoch nicht verstanden wissen, denn auch polyrhythmische Afrobeats, längst vergessene Captain-Future Soundtrack-Anleihen und modernere Dancebeats wie im kleinen Sommerhit 2014 "Melt Tonight" zeigen, dass für dieses Kollektiv keinerlei Grenzen existieren.

Die Ästhetik der Promoshoots ist psychedelisch und das Video zu "Melt Tonight" flirtet mit Kenneth Angers Regiearbeit, die einst schon Jimmy Page in ihren Bann zog. Alles ist im freien Fluss, die Assoziationen sprießen wild, das Studentenpublikum ist willig!

Packender Livevortrag

Beste Voraussetzungen also um dem Affen Zucker zu geben und mit dem instrumentalen EP-Titelsong "Stanford Torus" alle Stilelemente gleich wild zu mischen. Das gelingt hervorragend. Der Livesound der Band bringt um einiges mehr an Punch und Wucht auf die Waage als die vorsichtiger gewobenen Studioaufnahmen.

Schlagzeuger Niklas, nicht nur optisch ein Individualist, spielt extrem kraftvoll und kompakt-reduziert. Jeder Wirbel bringt noch mehr Druck. Beim nächsten Song, dem eingängigsten Stück der EP "Journey Back To Dawn", treibt er beim Outro die komplette Band vor sich her und bringt das gesamte Schlagzeug in Schwingung. Als Sänger agieren Joshua und Dennis im Wechsel, wobei Joshua die Hauptteile übernimmt.

Grenzen und Perspektiven

Nach einigen technischen Problemen zu Beginn und der schwierigen Liveumsetzung der relativ hohen Gesangsparts, findet sich ein gemeinsamer Pegel während des Gigs. Neben Keyboarderin Hanitra agiert Dennis an Bass und Gitarre als ruhender Pol und musikalischer Direktor unaufgeregt im Hintergrund. Bemerkenswert ist auch das ständige Bäumchen-wechsel-Dich-Spiel der Musiker an den Saiten- und Tasteninstrumenten.

Die Band steht noch am Anfang Ihrer Karriere, nur spärlich und eher schüchtern kommen die Kurzansagen ans Publikum. Das Kollektiv verfügt über keinen wirklichen Anführer, der das Heft in die Hand nimmt. Daher herrscht zwischen den Songs ein wenig Unsicherheit, was die Kommunikation betrifft. Es wirkt, als sei die Band selbst ein wenig überrascht ob Ihrer Popularität und der großen Resonanz.

Bestechend und euphorisierend

Mit "Agharta" spielen die ΩRACLES ein älteres Stück, das nicht auf der ersten EP gelandet ist. Nochmals werden Dynamik und Power zu furiosem Spät-Sixties Rock gesteigert. So bestechend und euphorisierend ihr Auftritt auch ist, "Journey Back To Dawn und der famose Schlussakt "Gazing From Without" sind die Crowd-Pleaser und Ausnahmesongs in der Setlist.

ΩRACLES sollten jedoch nicht Gefahr laufen, zu einem "One-Trick-Pony" zu werden. Ihre Trickkiste umfasst die Variation, groovige Neo-Psychedelic-Popsongs entweder lauter oder leiser zu spielen. Der neue Song "Hover" zeigt als Zugabe z.B. neue Facetten auf der Basis einer Figur, die Dennis auf der Halbakustischen spielt.

Große Erwartungen

Nach gut 75 Minuten inklusive einiger brandneuer Songs und einer Zugabe ist das Kurzkonzert beendet und das Publikum feiert die neuen Indie-Lieblinge der Stunde frenetisch. Gespannt darf man auf den weiteren Verlauf der Tour und die Aufnahmen zur neuen Platte blicken.

2015 wird ein wichtiges Jahr für ΩRACLES werden. Für den Moment sind sie musikalisch der coolste Liveact, den der englischsprachige deutsche Indierock in den Ring werfen kann. Catch em live if you can!

Setlist

Stanford Torus | Journey Back To Dawn | Agharta | That Was I | Parting Ways | Neu2 | Melt Tonight | Lethargy | Gazing From Without || Hover

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