Dirk Darmstaedter (2014)

Dirk Darmstaedter (2014) © Dennis Dirksen

Der von der New York Times 2012 als "German underground pop hero" betitelte Dirk Darmstaedter beweist im Ludwigshafener dasHaus, dass er mit seiner neuen Platte an alte Stärken anknüpfen kann und immer noch zu den besten englischsprachigen Singer-Songwritern Deutschlands zählt.

Kein Bericht über den Protagonisten des Abends kommt ohne die Nennung des größten Hits seiner Ex-Band The Jeremy Days aus. Im Umkehrschluss geht Dirk Darmstaedter sogar soweit, den Songtitel "Brand New Toy" zu keiner Sekunde selbst zu nennen. Aber der Song war gut zu ihm, wie noch zwei weitere alte Bandklassiker, die er nahezu völlig entkernt in purer Americana-Tradition mit Akustikgitarre und Mundharmonika wiedergibt.

The Jeremy Days: Popmusik mit Anspruch

The Jeremy Days waren 1987 angetreten, um britische Indie-Gitarrenmusik mit intelligenten englischen Texten zu formulieren. Tatsächlich zählten sie zu den wenigen deutschen Bands, die dies mit Bravour und ohne Anbiederung schafften. Als Konsequenz wurde ihr Zweitling 1990 mit den Produktionsweihen von Langer & Winstanley (Madness, Morrissey) geadelt und gilt bis heute als ihre beste Platte.

1996 trennten sich dann die Wege der Jeremy Days und Darmstaedter war fortan als Me & Cassidy und unter seinem eigenen Namen unterwegs. 2002 gründete er in Hamburg das Tapete-Label und begab sich auf die schwierige Business-Seite des Musikgeschäfts, um ebenfalls Acts mit Anspruch jenseits des Massenkonsums zu vertreiben.

Neubeginn mit starker neuer Platte

Im Jahr 2014 stehen die Zeichen für Dirk Darmstaedter auf Neuanfang. Die Leitung von Tapete, auf dem er eine Zeitlang eines seiner Vorbilder Lloyd Cole unter Vertrag nehmen konnte, hat er zu Beginn des Jahres abgegeben und nun im September 2014 seine neue Soloplatte "Before We Leave" vorgelegt. Diese steht im gemütlichen Dome des ehemaligen Ludwigshafener Jugendhauses an diesem Abend auch dominant und selbstbewusst im Fokus des Sets, das er zusammen mit Schlagzeuger Lars Plogschties bestreitet.

Die neuen Stücke zeigen Darmstaedters Stärken, die der deutsche Rolling Stone in seiner Oktoberausgabe richtigerweise als "unaufdringlich-geschmackvollen Westcoast, Roots-Rock und Pop" bezeichnete. Gerade bei den zupackenderen Stücken von "Before We Leave", wie eben dem Titelstück oder "Top Of The World“ zeigt sich die größte Publikumsresonanz.

Inspiration von Lloyd Cole und Bob Dylan

Darmstaedter balanciert glänzend und stilsicher zwischen seinen Einflüssen. "Western Union" könnte von Lloyd Cole aus dessen "Rattlesnakes"-Phase sein und zitiert das große Liverpool im Text. "Capetown" klingt wie eine Melange aus dem knorrigeren Springsteen circa zu Nebraska-Zeiten 1982 und natürlich Bob Dylan, dessen Einfluss bei Darmstaedter omnipräsent ist ("Dirk sings Dylan"). Einen Teil seiner Kindheit hat Dirk Darmstaedter in Teaneck (so auch der Name seines neuen Labels) im US-Bundesstaat New Jersey verbracht und war mithin schon immer affin für die Musik aus dem Land der unbegrenzten Möglichkeiten™.

Darmstaedter und Plogschties entfalten zu zweit einen nahezu vollen Bandsound, so dass sie sich auch konsequent als Band bezeichnen. Gerade Lars Plogschties, mit Mini-Kit ausgerüstet, ergänzt akzentuiert & unaufdringlich die Gitarre des Hauptdarstellers. Die Orgel des großen Mike Finnigan (Bonnie Raitt, Jimi Hendrix), so Darmstaedter, müsse man sich beim souligen Stück "Top Of The World", einem der Highlights der neuen Platte, dazu denken.

Publikumsnaher Geschichtenerzähler

Darmstaedter erweist sich im Laufe des Abends als nonchalanter Unterhalter. Lakonisch, aber nie zynisch erzählt er von Geschehnissen des Musikerdaseins zwischen Autobahnraststätten in Bielefeld, Konzerten in Göttingen und Studioaufnahmen in Amerika, was sich auch sehr feinsinnig in "The Last Troubadour" thematisiert, einem der Höhepunkte seines Me and Cassidy-Projekts.

Das Publikum ist dankbar für skurrile Geschichten über russische Split 7“ Veröffentlichungen aus dem Jahr 1989 mit den Jeremy Days auf der einen und Modern Talking auf der zweiten Seite. "Wo ist das Geld aus diesem angeblichen russischen Megaseller geblieben?" sinniert Darmstaedter nicht ohne Ironie. Auch die Geschichte zur seinem ersten eigenen Fanboy-Vinylkauf 1975 und der damit zusammenhängenden Non-Credibility, da es sich um "Bye Bye Baby" der Bay City Rollers handelte wird mit Gelächter aufgenommen und mit "Seashells" ebenfalls in einem starken neuen Song verarbeitet.

Mit 49 Jahren wirkt Darmstaedter immer noch ein wenig wie der ewige "(Poster) Boy gone wrong" und eigentlich könnte der Abend auch in der Storytellers Reihe der ganz Großen laufen weil die kleinen Geschichten von einem ganzen Musikerleben mit allen Höhen und Tiefen erzählen. Nach eineinhalb Stunden inklusive drei intensiver Zugaben ist Schluss. Beim obligatorischen Treffen mit den Fans zeigt Darmstaedter, dass er ein Singer- und Songwriter zum Anfassen ist, wie es sie in Deutschland von seinem Format kaum noch gibt.

Setlist

(You Hold Me) Captive | Western Union | Capetown | Damage Control | Top Of The World | Fred Astaire | The Last Troubadour | Rome Wasn’t Build In A Day | Brand New Toy | Number 1 Single | Before We Leave | Half Life | Seshells || Some Streets Will Lead Nowhere | Walking With Your Shoes Tied Togehter | We Are There

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