Klaus Siebenhaar (Pressefoto, 2014)

Klaus Siebenhaar (Pressefoto, 2014) © Klaus Siebenhaar

Kunst und Kultur bietet die Metropolregion Rhein-Neckar reichlich. Doch für Veranstalter stellt sich die Frage, wie sie ihr Publikum dauerhaft faszinieren können. Um Audience Development, Kulturtourismus und Diversität geht es deshalb auch beim Denkfest am 27. September in Bensheim.

Das Kulturbüro der Metropolregion Rhein-Neckar möchte den Teilnehmern des Denkfestes einen Einblick in drei Themen ermöglichen, die in der Kulturvision, einer langfristigen Strategie für die Kultur in der Region, eine wichtige Rolle spielen: Audience Development, Kulturtourismus und Diversität. Klaus Siebenhaar, Gernot Wolfram und Hans-Helmut Schild sind als Experten zum Denkfest eingeladen.

Den Besucher im Fokus

Für Theater, Museen und Konzerthäuser gehe es bei Audience Development (Publikumsentwicklung) nicht um Werbekampagnen, sondern um die "Willkommenskultur", meint Klaus Siebenhaar, Leiter des Zentrums für Audience Development an der Freien Universität Berlin. Entscheidend sei dabei, dass der Besucher sich wie bei einem guten Gastgeber im Restaurant wohlfühlt. Audience Development ist laut Siebenhaar "die institutionelle Grundhaltung, die sich auf den Besucher fokussiert, und zwar auf allen Ebenen: Architektur, Atmosphäre, Programmgestaltung, Kommunikation."

Kultureinrichtungen müssten heute aus ihren Mauern herauskommen. "Der erste wesentliche Schritt ist, die Institution in der lokalen Bürgergesellschaft zu verwurzeln", erklärt der Experte der Publikumsforschung.  Siebenhaar nennt ein Beispiel: "Das südbrandenburgische Senftenberg ist ein schrumpfendes Städtchen mit einem großen Theater. Die jungen Leute zogen weg, und man wollte das Theater dichtmachen. Dann kam ein Intendant, dem es gelungen ist, das Theater zum Mittelpunkt der Stadt zu machen."

Strategische Publikumsbindung erfordert sinnvolle Datennutzung

Das Zentrum für Audience Development analysiert die Nutzer einer Kulturinstitution anhand von Fokusgruppengesprächen und Fragebögen und entwickelt eine Strategie, um das Publikum dauerhaft zu binden oder neue Besuchergruppen zu gewinnen. Eine Studie kostet zwischen 5.000 und 10.000 Euro, weniger als die meisten Werbekampagnen von mittleren und größeren Einrichtungen. 

"Kleinere Institutionen können auch über das Internet ihre Besucher befragen", fügt Siebenhaar hinzu. Seiner Meinung nach besitzen Kultureinrichtungen heute viele Daten, die sie zu wenig nutzen. Laut Siebenhaar geht es nicht darum, alle möglichen Zielgruppen anzusprechen. "In kulturfernen Schichten aktiv zu werden, ist eine Langzeitaufgabe und strategisch nicht interessant. Keine Kultureinrichtung hat die Ressourcen, das zu reparieren, was in den Schulen und Kindergärten schief gelaufen ist."

Diversität ist der Schlüssel

Gernot Wolfram, Kulturwissenschaftler im Bereich der Diversitäts- und Interkulturalitätsforschung, ist da anderer Meinung. Für den Professor der Macromedia Hochschule für Medien und Kommunikation in Berlin liegt die Herausforderung gerade in der Inklusion von Gruppen unterschiedlicher Kultur und Bildung. Er definiert Diversität als "die Vielfalt hinsichtlich kultureller Identität, Alter, Geschlecht, sexueller Orientierung und demografischer Zusammensetzung". 

Kulturarbeit, sagt Wolfram, sei der Schlüssel zu einer gemeinsamen regionalen Identität. "Es geht nicht um die Tradition einer Region, sondern um die Kreation einer hybriden Kultur, die unterschiedliche kulturelle Identitäten und Religionen vereint." Welche Geschichten sind stark genug, um verschiedene Gruppen zusammenzubringen?

Vielfalt als große Chance für die Metropolregion

Das Rhein-Neckar-Gebiet hat schon seit Jahrhunderten eine kulturell stark durchmischte Bevölkerung. Dafür sorgten zum Beispiel die Handelsbeziehungen über Rhein und Neckar seit dem Mittelalter oder die zugewanderten Arbeiter aus Süd- und Südosteuropa in den 60ern. Heute gibt es einen hohen Anteil muslimischer Zuwanderer. Die Vielfalt der Kulturen, Religionen und Sprachen dürfen Kulturinstitutionen deshalb nicht außer Acht lassen. 

Beim Denkfest in Bensheim will Wolfram mehr über die Metropolregion lernen und den regionalen Akteuren neue Impulse geben, ohne dabei als Experte aus Berlin aufzutreten. "Die Kulturvision in der Metropolregion zeigt, dass es schon eine ganze Menge Kooperationen gibt", so Wolfram.

Wirtschaftsfaktor Kultur oft unterschätzt

Kooperationen ja, ein Kultur-Image nach außen hin nein, so nimmt Hans-Helmut Schild die Region Rhein-Neckar wahr. Der Geschäftsführer der Marketing-Agentur projekt2508 in Bonn wird beim Denkfest Tipps zur Entwicklung einer Kulturtourismus-Region geben. "Das Kulturangebot ist häufig von lokalem Interesse und meistens nicht erfahrbar für Menschen außerhalb der Region", erklärt er.

Kultur sei ein großer Wirtschaftsfaktor, der leider nicht als solcher erkannt werde. "Man muss deutlicher zeigen, wieviel Mehrwert die Kultur in einer Region schafft." Schild hat weitere Tipps im Vorfeld parat: herausfiltern, welche Kultureinrichtungen es in der Region gibt, was Touristen interessiert, schöne Stadtviertel oder Landschaftseinheiten entwickeln, Jahresthemen für Kultureinrichtungen erarbeiten, das regionale kulturelle Angebot auf ein Thema spezialisieren, kulturelle Betriebe miteinander vernetzen. Kurzum: mehr miteinander arbeiten, planen und vermarkten. Das zu erreichen, gehört auch zu den Zielen des Denkfests.

Dieser Artikel wurde unterstützt durch das Kulturbüro der Metropolregion Rhein-Neckar. Interessierte können sich für das Denkfest noch bis zum 19. September auf der Seite der MRN anmelden.

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