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Bill Callahan (live in Hamburg, 2014) © Falk Simon

Der amerikanischen Singer/Songwriter nimmt das Publikum mit den epischen Folk-Rock-Songs seines Albums "Dream River" gefangen, und überzeugt als Sänger deutlich mehr als als Mundharmonika-Spieler.

Der Sänger hat nach und nach seine Bandmitglieder mit Namen vorgestellt, der Applaus ist abgeebbt. In die Stille ruft jemand: "What about you?" Gelächter im Saal, der Mann zögert, legt den Kopf zur Seite und sagt: "If I had known, I would have told you." Ein typisch kryptischer Satz für den amerikanischen Singer/Songwriter Bill Callahan, nie kann man sicher sein, was Ernst ist und was Ironie.

Düsterer Rock-Sound

Callahan eröffnet den Abend im Hamburger Mojo Club mit dem sperrigen "Summer Painter". Es ist einer der Songs seiner aktuellen Platte "Dream River", die sich nicht sofort erschließen. Als letzte Musik, die man vor dem Zubettgehen hören sollte, hat Callahan "Dream River" konzipiert.

Live wirken die Songs drückender, schwerer, der Country-Folk-Charme des Albums mit entspannt säuselnden Geigen, Flöten und Keyboards ist einem düsteren Rock-Quartett-Sound gewichen. Auch auf der Bühne werden die kargen Arrangements von Callahans außerordentlicher Bariton-Stimme überlagert, die seine Songs seit mittlerweile 25 Jahren prägt.

Komplexe Naturmetaphern

Bill Callahan ist eine der rätselhaftesten Figuren der amerikanischen Singer/Songwriter-Szene. Aufgewachsen in Silver Spring, Maryland und Knaresborough, England nahm er erst ein Dutzend Lofi-Folk-Alben unter dem Künstlernamen Smog auf, bevor er mit zunehmender Bekanntheit unter seinem wirklichen Namen veröffentlichte.

Viel weiß man nicht über den Künstler, der selten Interviews gibt und mittlerweile in Austin, Texas lebt. Seine introvertierten, komplexen Songtexte drehen sich oft um die Natur und die Tiere darin, ein Verhältnis, das als Metapher für menschliche Beziehungen fungiert.

Um 22 Uhr betritt Callahan die Bühne des erstaunlicherweise nicht ausverkauften Mojo Club und sieht im weißen Anzug und mit sorgfältig zur Seite frisiertem Haar aus wie David Bowie. Der höfliche Charme des Briten fehlt Callahan jedoch komplett, eine gute halbe Stunde lang wechselt er kein Wort mit dem Publikum.

Ernsthafte Klanglandschaften

Das sachte Rhythmus-Picking Callahans wird unterstützt von Matt Kinseys Gitarre, der mit seinen zischenden, heulenden, teils Slide-Guitar-ähnlichen Sounds der perfekte Begleitmusiker für Callahans ernsthafte Klanglandschaften ist. Jamie Zuverza am Bass hat eigentlich kaum zu tun, sein Sound kommt in der basslastigen Mojo-Höhle dafür umso besser zum Tragen. Adam Jones ist weniger Drummer als Percussionist und brilliert vor allem durch den zurückgenommenen Einsatz von Congas und Shakern.

Das Set besteht beinahe ausschließlich aus Songs der letzten beiden Alben, jeder mindestens sieben oder acht Minuten lang. Die Stücke des Texaners haben keinen Refrain, repetitive Gitarren bauen über Minuten Spannung auf. Doch nicht bei allen funktioniert das vollkommen.

Dilettantisches Mundharmonika-Spiel

Vor dem grandios stampfenden "America!" schnallt sich Callahan eine Mundharmonika um, die er für einen Musiker mit jahrzehntelanger Bühnenerfahrung verblüffend schlecht beherrscht.

Gleich in fünf Songs dilettiert er auf dem Instrument, einmal ist sogar leises Gelächter im Publikum zu vernehmen, als er eine Passage völlig vergeigt. Dabei hat die Band eine solche zusätzliche Klangfarbe gar nicht nötig.

Großartige Apokalypse

Am großartigsten gelingen die Songs des 2011er Albums "Apocalypse". "Universal Applicant" verlangsamt Callahan mittendrin fast bis zum Stillstand, ehe er hörbar ausatmet und der Song wieder Fahrt aufnimmt. "One Fine Morning", schon auf Platte ein Epos, dehnt sich im Mojo Club auf eine gute Viertelstunde aus.

Natürlich ist es Ironie, wenn Callahan das Hamburger Publikum als "best audience we ever had" lobt, dennoch ist er sichtlich angetan von der andachtsvollen Stille, in der man im Mojo Club seine Songs empfängt. "I'm trying to find the perfect song to end the perfect night", sagt Callahan nach der ersten Zugabe und stimmt seine Gitarre minutenlang. "Rock Bottom Riser" spielt er dann mit dennoch verstimmtem Instrument volle fünf Minuten lang, ehe er "This is terrible" befindet und den Song abrupt beendet.

Es ist schon nach Mitternacht, als die Band sich nach mehr als zwei Stunden verabschiedet. Den perfekten Song hat Bill Callahan nicht gefunden, aber er ist sehr nah herangekommen.

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