© Tom Munro

Aktuell gibt es wohl keinen Künstler, der mit der Performance von Justin Timberlake Schritt mithalten kann. Aber um endgültig in die historische Reihe der Superstars wie Michael Jackson aufzusteigen, fehlt ihm noch eine wesentliche Eigenschaft.

Über das Thema Stars aus Nordamerika und mangelnde Klangqualität bei den Live-Konzerten wurde hier schon geschrieben. Leider hat auch Justin Timberlake in der Commerzbank-Arena in Frankfurt den Sound zu Beginn nicht gut hinbekommen.

Das alte Lied: Klangprobleme

Die Halleffekte auf dem Mikro haben die Stimme von Justin Timberlake sehr verzerrt und der blecherne Sound war auch kein Ohrenschmaus. Gewiss sind die Probleme mit dem Sound gerade in der Commerzbank-Arena durchaus bekannt. Aber ganz so schlecht hätte es nicht sein müssen.

So gingen einige Hits wie "Rock Your Body" in dem Soundmatsch regelrecht unter. Dabei war die Performance von Justin Timberlake visuell eine absolute Augenweide. Beim Tanzen bewegt er sich mit der Kraft und Geschmeidigkeit eines Raubtiers, gepaart mit einer Leichtfüßigkeit, als ob er nahezu schwerelos über die Bühne gleiten könnte.

Neue visuelle Maßstäbe

Die Videoleinwand bietet eine noch nie dagewesene Optik: die aus Sechser-Waben bestehenden Elemente zeigen eine Videoshow, die fast einer 3D-Animation gleich kommt. Zu sehen sind tanzende Schatten, Überflüge über mondähnliche Kraterlandschaften oder Kunstskulpturen, die mit blutroter Farbe bespritzt werden.

Bei "Rock Your Body" wird die Rückwand zum Equalizer, bei dem jeder Ausschlag genau auf die Tanzschritte passt. Sollte es von dieser Tour später eine Konzert-DVD, möglichst noch in HD-Auflösung geben, lohnt sich der Kauf allein schon wegen dieser optischen Präsentation. 

Großartige Stimmung

Nach rund 30 Minuten legt Justin Timberlake eine kurze Pause ein. Er wendet sich ans Publikum und fragt: "Was geht ab?" und "Wie geht es Euch". Er präsentiert sich und seine Band als JT and the Tennessee Kids.

Justin wird zum Dirigent der Massen, die trotz 36 Grad keine Müdigkeit kennen und jede Bewegung enthusiastisch nachmachen. Dann setzt er sich ans Piano und tausende Handy-Lichter erzeugen eine großartige Stimmung voller Leidenschaft. Schließlich explodiert das Publikum noch einmal, als Justin zu "Cry Me A River" eine weitere sensationelle Performance hinlegt.

Wie ausgewechselt

Nach zehnminütiger Pause beginnt das zweite Set mit einer singenden Kopfanimation von Justin Timberlake. Wieder live auf der Bühne erzählt er: "Ich habe eine Bier", bevor er zuerst zu "Drink You Away" ansetzt und dann mit "Tunnel Vision" die Fans wieder zu höchsten emotionalen Ausbrüchen treibt. Jetzt endlich ist der Sound auf einem annehmbaren Niveau angekommen. Es ist der Auftakt zu einer Show, die jetzt wirklich Weltklasseniveau erreicht.

Justin und je zwei seiner Musiker und Musikerinnen besteigen den Vorderteil der Bühne, die dann abhebt. Es ist eine lange Querbühne, an deren Enden jeweils zwei Treppen nach oben führen. Es sieht aus wie eine gigantische Flugkonstruktion mit ausgebreiteten Schwingen. Plötzlich bewegt sich die mobile Bühne nach vorne und Justin tanzt oben den Fans entgegen. 

Fahrt durch die Arena

In der Mitte des Innenraums endet die Fahrt. Hinten geht eine Treppe hinab zur B-Stage. Unten angekommen greift Justin zur Gitarre und fordert die Fans auf, den Zeige- und Mittelfinger als V in die Luft zu heben. Es ist ein Tribut an den größten Superstar aller Zeiten, für Michael Jackson. Dazu passend singt er "Human Nature" mit einer jetzt so klaren Stimme, die erkennen lässt, was bei entsprechend guter Beschallung beim ganzen Konzert möglich gewesen wäre.

Es folgt der eigene Smash-Hit "What Goes Around...Comes Around", bevor es wieder hochgeht auf die Querbühne für den Rückweg. Auf der Rückfahrt setzt sich Justin ganz lässig ans Treppenende oben hin.

Modern Soul Train

Wieder an der Hauptbühne angekommen zünden Justin Timberlake und seine Band die nächste Stufe der Konzertrakete. Mit trommelndem Percussionsound, fetten Gitarrenriffs und einer Funktrompete grooven sich die Akteure auf der Bühne in einen Rauschzustand, der eine moderne Form von Soul Train sein könnte. Es ist ein rasendes Wechselspiel ohne Pause, während sich das Publikum nicht mehr halten kann vor Begeisterung. Diese Performance endet mit "Suit & Tie", bevor alle Künstler kurz von der Bühne gehen.

Was dann geschieht, ist fast nicht mehr in Worte zu fassen. Die Zugabe startet mit "SexyBack" und endet schließlich damit, dass die Fans in einem heiß-kalten Gänsehautgefühl fallen, getrieben von einem Endorphinrausch des eigenen Körpers, als Justin Timberlake zu "Mirrors" ansetzt. Der Gesang ist fast nicht mehr zu hören, er geht unter in einer Massenekstase des Publikums, die den Refrain zu "Mirrors" förmlich herausschreit. Justin kniet sich hin, wirft die Arme nach vorne und huldigt seinen Fans. Dann geht er nach hinten und verschwindet winkend im Boden.

Zwei Gesichter

Das Konzert besaß definitiv zwei Gesichter. Eine Performance der Weltklasse war der zweite Teil der Show, während der Anfang lediglich ein uninspirierter Soundmatsch war, der nur auf Lautstärke und Showelemente setzt.

Justin Timberlake wird häufig mit Michael Jackson verglichen, aber das Frankfurter Konzert offenbarte einen wesentlichen Unterschied zwischen den Beiden: Jeder, der den Film "This Is It" gesehen hat, wird sich an die Konzertproben zur geplanten Michael Jackson-Tour erinnern, zu der es dann leider nicht mehr kam.

Wille zur Perfektion

Michael Jackson sprach von seiner Fähigkeit des absoluten Gehörs. Er war versessen darauf, dass jeder Ton, jede Bewegung, jeder Effekt bis ins letzte Detail perfektioniert wurde. Dieser Hang zu Perfektion, zur absoluten Besessenheit, dass jeder Ton vom Anfang des Konzerts bis zum Ende stimmen muss. Diese Eigenschaft fehlt Justin Timberlake noch.

Justin Timberlake ist im Augenblick der weltbeste Performer. Aber um auf das Niveau eines Michael Jackson zu kommen, fehlt ihm dieser letzte Schritt, der Wille zur absoluten Perfektion.

Setlist

Pusher Love Girl | Gimme What I Don't Know ( I Want) | Rock Your Body | Future Sex/Love Sound | Like I Love You | My Love | TKO | Summer Love | LoveStoned | Until The End Of Time | Holy Grail | Cry Me A River

Only When I Walk Away | Drink You Away | Tunnel Vision | Senorita | Let The Groove Get In | Heratbreak Hotel | Not A Bad Thing | Human Nature | What Goes Around ...Comes Around | Take Back The Night | Jungle Boogie | Murder | Poison | Suit & Tie

Zugabe: SexyBack | Mirrors

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