Pflichttermin in Westfalen: Wer sich am 1. Mai 2014 in Münster aufhielt und trotzdem nicht im Skaters Palace anzutreffen war, hat Punkrock ganz offensichtlich nicht verstanden.

Never mind the Bollerwagen

"Ich kann nicht fassen, dass ich tatsächlich der Jüngste in diesem Raum bin," sagt mein 21-jähriger Begleiter mit einem Blick durch den Saal. Tatsächlich ist der Skaters Palace gut gefüllt mit Punkrockern der Jahrgänge 1960-1985.

Jüngere Generationen ziehen wohl gerade lieber mit dem Bollerwagen voll Bier und schepperndem Ghettoblaster durch die Walachei – schließlich ist heute der 1. Mai.

Inspiration und Vorbilder

Hinzu kommt wahrscheinlich auch, dass das letzte Descendents-Studioalbum Cool to be You 2004 veröffentlicht wurde, das Jahr in dem auch die Autorin erst 14 Jahre alt wurde und von guter Musik ungefähr so viel Ahnung hatte wie Mario Barth von gutem Humor.

Nichtsdestotrotz ist der heutige Abend ein Pflichttermin, denn die Punkrocker aus Kalifornien sind Inspiration und Vorbilder jeder wichtigen Punkband und sollten auf der "To see"-Liste eines jeden Musikliebhabers stehen.

Bodyjar: Nichts, das in Erinnerung bleibt

Mitgebracht haben die Descendents ihre australischen Freunde Bodyjar, deren Auftritt sich durch drei Sätze der Konzertbesucher neben mir zusammenfassen lassen:

  • "Schon ganz geil, könnte aber auch eine CD laufen, das würde sich genau gleich anhören."
  • "Ich kann nicht aufhören an 'Tony Hawk's Pro Skater 3' zu denken."
  • "Schwitzige Hände hat er, der Drummer, das ist jetzt das vierte Mal, dass er seinen Stick verliert."

Tatsächlich spielen sich Bodyjar, die auch auf dem Soundtrack des beliebtesten Skater-Videospiels zu finden sind, souverän durch ihr Set, allerdings kommt von der Band nichts, das in Erinnerung bleiben könnte – so gut wie kein Wort und keine Überraschungen.

Silberstreif am Horizont

Als Descendents-Drummer Bill Stevenson dann endlich als erster die Bühne betritt, kommt Leben in die Masse und die ersten Silberstreifen tauchen am Horizont auf – auch die Altrocker im Publikum haben das Stagediven anscheinend nicht verlernt.

Während der Lichttechniker anscheinend gelegentlich auf seinem Pult einschläft und mit dem Kopf auf dem Knopf für die komplette Deckenbeleuchtung liegen bleibt, spielen sich die Descendents durch die Hits aller sechs Studioalben.

Da ist es vollkommen egal, dass der Raum des Öfteren taghell erleuchtet ist. Man hat das Gefühl, dass sich hier selbst dann niemand von seinem Posten bewegen würde, wenn plötzlich das Dach aufreißen würde und Kurt Cobain höchstpersönlich auf die Erde hinuntersteigen würde.

Verarbeitung vonöten

26 Songs und drei Zugaben gönnen die Descendents ihren Fans, bevor sie in den Bus steigen um nach Belgien auf das Groezrock Festival zu fahren.

Erst einige Stunden nach der Show wird mir bewusst, dass ich gerade die Punkrocklegenden schlechthin live bewundern durfte – das gilt es nun erstmal zu verarbeiten. Eins ist allerdings klar: Wer gestern in Münster mit Bollerwagen und Ghettoblaster unterwegs war, hat einiges verpasst und Punkrock nicht verstanden.

Setlist

Everything Sux | Hope | Rotting Out | I Wanna Be A Bear | Clean Sheets | My Dad Sucks | Van | Suburban Home | Silly Girl | Pervert | I'm The One | Coffee Mug | All-O-Gistics | Nothing With You | I Like Food | My Age | When I Get Old | Coolidge | Get The Time | Talking | I Don't Want To Grow Up | Weinerschnitzel/No! All! | Bikeage | Thank You | I'm Not A Loser | Descendents

Zugabe: Johnny Hit And Run Paulene (X-cover) | Kabuki Girl | Catalina

Alles zum Thema:

descendents