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Die erste Show nach einer halbjährigen Pause ist immer ein gewisses Wagnis - aber davon spürte man beim Auftritt von Peter Gabriel in Frankfurt nichts. Die Zuschauer in der fast ausverkauften Festhalle erlebten einen souveränen Auftritt ohne größere Schwächen, aber dafür mit einigen erlesenen Höhepunkten.

Das folgende Konzert sei einem Drei-Gänge-Menü vergleichbar, kündigt Peter Gabriel zu Beginn der Show an. Auf eine akustische Vorspeise folge ein elektrischer Hauptgang und als Nachtisch schließlich das komplette Album "So" – in der Originalbesetzung der Tour von 1987.

Kein Nostalgietrip

Das Konzert ist kein offensichtlicher Nostalgietrip: Die verspielte Buntheit von damals ist klaren und strengen Farben und Schwarz-Weiß-Effekten gewichen. Bei den akustischen Stücken zu Beginn bleibt sogar das Hallenlicht an, was für eine etwas eigenartige Atmosphäre sorgt. Vermutlich hätten der neue Song "OBUT" und "Come Talk To Me" von spärlicher Beleuchtung profitiert, denn die Performances sind durchweg intensiv.

In einer Show, die ansonsten stark in der Tradition früherer Liveshows steht, bildet dieses akustische Set eine erfreuliche Variation. Davon profitiert auch "Family Snapshot", Gabriels Aufbereitung der Ermordung von John F. Kennedy und eines seiner besten Lieder.

Vielfältig elektrisch

Selbstverständlich bildet ein Mega-Hit wie "Solsbury Hill" einen unverzichtbaren Bestandteil des Konzerts. Dennoch offenbart gerade das elektrische Set die Vielseitigkeit Peter Gabriels. Das sperrige Duo "The Family and the Fishing Net/No Self Control" widmet sich seiner fast vergessenen new-wavigen, experimentellen Seite.

Zum Abschluss des Hauptgangs performt Peter Gabriel "Why Don't You Show Yourself", das er für den Film "Words With God" geschrieben hat. Es ist eine ruhige, berührend gesungene Ballade, die Hoffnung macht auf ein eventuelles neues Album.

Höhepunkte von "So"

Die Wiederaufführung von "So" hält dann einige der besten Momente des Abends bereit. Dazu zählt vor allem die fantastische Performance von "Don't Give Up", in der Backgroundsängerin Jennie Abrahamson es gelingt, Kate Bush würdig zu vertreten. Auch "Mercy Street", das Gabriel am Boden liegend singt, besitzt immer noch diesen unvergleichlichen Zauber.

Peter Gabriels Stimme ist immer noch erfreulich stark. Man spürt in manchen Augenblicken, dass ihm die Flexibilität und Geschmeidigkeit etwas verlorengegangen ist, aber die hohen Register erreicht er immer noch. Die Band spielt verlässlich stark, nur in einigen Momenten wünscht man sich Backgroundsängerinnen mit robusteren Stimmen und weniger "elfengleichem" Gehauche.

Verlässlich und souverän

Kleinere Schwächen gibt es allerdings auch. Die Performance von "That Voice Again" wirkt chaotisch und unzusammenhängend, was vielleicht am Tempo liegt. Die Entscheidung zur Komplettaufführung zwingt dazu, das eher belanglose "We Do What We're Told" aufzuführen, dessen Fehlen wohl kaum jemand beklagt hätte. Wie viel gelungener ist da doch der Abschluss mit dem stets erhabenen "In Your Eyes", das für euphorische Stimmung in der Halle sorgt.

Insgesamt bleibt die Aufführung von "So" nahe am Original oder an den seit Jahrzehnten vertrauten Livearrangements. Peter Gabriels Musik eignet sich nicht zu einer radikalen Neugestaltung, wie Bob Dylan sie vornimmt. Die Zuschauer erleben verlässliche Unterhaltung auf hohem Niveau.

Ungebrochenes Engagement

In einer Show, die viele Elemente enthält, die man aus früheren Tourneen kennt, entscheidet letztlich auch das Engagement des Frontmanns über den Erfolg des Abends. Und da erweist sich Peter Gabriel als vorbildlich. Er spielt mit sichtbarer Freude an der Musik und reißt damit das Publikum mit.

Das verdeutlicht auch der Abschluss mit "Biko". Peter Gabriel möchte das Lied als eines seiner zentralen Werke verstanden haben und verzichtet nicht darauf, seine politische Botschaft gegen Rassismus in einer kurzen Ansage auf Deutsch noch einmal herauszustellen. Vom lustlosen Abspulen von Konzertverpflichtungen ist Peter Gabriel eben sehr weit entfernt.

Setlist

OBUT | Come Talk to Me | Shock the Monkey | Family Snapshot | Digging in the Dirt | Secret World | The Family and the Fishing Net | No Self Control | Solsbury Hill | Why Don't You Show Yourself | Red Rain | Sledgehammer | Don't Give Up | That Voice Again | Mercy Street | Big Time | We Do What We're Told (Milgram's 37) | This Is the Picture (Excellent Birds) | In Your Eyes

Zugabe: The Tower That Ate People | Biko

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