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Adel Tawil (live in Hamburg, 2014) © Falk Simon

Ist Adel Tawil auf dem Weg zu einem der ganz großen Stars der deutschsprachigen Popmusik zu werden? Wenn sein Konzert in der Frankfurter Festhalle einen Anhaltspunkt liefert, dann muss man diese Frage bejahen.

Adel Tawil hat es in Folge der Veröffentlichung seines Soloalbums "Lieder" geschafft, zum großen, generationenübergreifenden deutschsprachigen Konsenskünstler zu werden. Seine Lieder werden sowohl auf Schulhöfen als auch von der Elterngeneration gehört.

Dabei passen natürlich seine nordafrikanischen Wurzeln prima in das Bild des neuen, multikulturellen Deutschland – allein, das alles wäre nichts ohne echtes Talent. Und damit ist Tawil reichlich gesegnet.

Im Vorprogramm gelingt es bereits Benne die knapp 6.500 Zuschauer in gute Stimmung zu versetzten. Sein deutschsprachiger Sänger/Songwriter-Pop kommt gut an und bildet eine stimmige Paarung zu dem was später noch folgen sollte.

Madeline Juno: eher nervig als charmant

Das war noch nicht Adel Tawil, sondern zunächst Madeline Juno, die gefälligen Radiopop ohne große Kontur spielt. Fast jeder Song wird mit einer Ansage aus der Kategorie Mädchentagebuch oder aus der Rubrik unbeholfene Publikumsanimation angekündigt.

Obwohl die Band versucht, eine geschmackvolle Begleitung zu liefern, ist Madeline Junos Gesang eher nervig als charmant. Ständig klingt sie, als wolle sie eine Castingshow gewinnen. Als wäre das noch nicht genug verwendet sie als bevorzugten Vokal ein recht unelegantes "oi".

Hinter dem Vorhang

Um kurz nach neun geht das Licht aus und während die ganze Band außer Adels Gattin Jasmin Tawil am Piano noch hinter dem schwarzen Vorhang steht, beginnt das Konzert mit "Dunkelheit".

Der Vorhang fällt dann im Verlaufe des Songs und gibt den Blick auf die Bühne frei, auf der Tawil auf einer Empore hinter der Band steht. Während des zweiten Liedes "Herzschrittmacher" kommt er dann an den Bühnenrand.

Entspannt und natürlich

Der Livesound ist wie erwartet deutlich gitarrenlastiger und rockiger als auf den eher keyboardlastigen Studioaufnahmen, wobei die Raffinesse und die Komplexität der Arrangements jedoch nicht leiden. Beim fünften Song "Graffiti Love" trommeln dann fünf der acht Musiker und die charakteristischen Backgroundvocals der Humpe-Sisters kommen von Band hinzu.

Tawil ist in den vergangenen fünfzehn Jahren zuerst mit The Boyz und dann mit Ich + Ich zum Vollprofi gereift, der genau weiß, wie man überzeugend eine Show auf die Bühne stellt und dabei trotzdem entspannt und natürlich wirkt.

Lebenslanger Hit

Zu "Unter Wasser" verstärkt seine Frau Jasmin dann wieder die Band durch ihren Gesang und ein 80s-Umhängekeyboard. Der Lieder-Bonustrack "Paradies" gerät durch den Gastauftritt von Matisyahu zu einen stimmungsvollen Duett, das in Bob Marleys "No woman no cry" mündet. Passt gut, sind doch die Akkorde und auch Teile der Melodie von "Paradies" nahezu identisch.

Neben den Songs seines Erfolgsalbums "Lieder" sind es vor allem die Ich + Ich-Hits wie "Pflaster" oder "Stadt", die das Frankfurter Publikum begeistern. Bei dem letzten Song, des regulären Sets, dem Überhit "Lieder" werden dann die Cover der zitierten Platten auf die die Säulen hinter der Bühne projiziert, der Song wird laufstark mitgesungen. Es ist die Art von Hit, die sowohl Fans als auch den Künstler selbst wahrscheinlich lebenslang verfolgt.

Mit Talent und Ausstrahlung gesegnet

Adel Tawil eröffnet den ersten Zugabenblock mit einem Medley, das mit dem Boyz-Hit "One Minute" beginnt, einschließlich des 15 Jahre altem Video im Hintergrund, und dann mit dem hymnischen "Der Himmel soll warten" endet.

Für den zweiten Zugabenblock begibt er sich für "Schnee" mitten in die Zuschauerränge, wo eine überraschte Zuhörerin auf einmal zur Nebendarstellerin in einem Livevideo wird. Zum abschließendem "Vom selben Stern" holt er dann ein ungefähr elfjähriges Mädchen auf die Bühne, die ihm beim Refrain assistiert. So wird er noch lange neue Generationen an Fans für sich gewinnen.

Die Kombination aus Talent, Persönlichkeit und Ausstrahlung wird Adel Tawil wohl noch über eine lange Karriere tragen. Ab dem nächsten Album wird er dann vermutlich Stadionkonzerte geben. Eine Aufgabe, die man ihm durchaus zutrauen kann.

Setlist

Dunkelheit | Herzschrittmacher | Weinen | Auf Sand gebaut | Graffiti Love | Du erinnerst mich an Liebe | Kartenhaus | Vermiss mich |Unter Wasser | Pflaster | Paradies | Zuhause | Stadt | Lieder

Medley: One Minute/Ich hol dich da raus/Der Himmel soll warten | Aschenflug | Wenn du liebst | So soll es bleiben

Schnee | Stark | Vom selben Stern

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