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© Christian Kleiner

"Wunderland" von Gesine Danckwart findet sich auch 2014 im Spielplan des Nationaltheaters Mannheim. Keine Überraschung, überzeugt der Einakter doch mit einem humorvollen Gesellschaftspanorama zwischen Wellness-Scheiße und Käsebrötchen.

"Deine Eltern sind auf einem Tennisturnier, Du machst eine Party, wie nett von Dir", singt der junge Mann, während der ältere dazu die Beatbox gibt – mit seinem Bauch als Bass Drum. Spätestens jetzt biegen sich die Zuschauer vor Lachen auf ihren Stühlen. "Schmeiß die Möbel aus dem Fenster, wir brauchen Platz zum Dancen", intonieren sie den Deichkind-Song weiter, "Jippie Jippie yeah, Jippie yeah, Krawall und Remmidemmi".

Mit einer unbändigen kindlichen Spielfreude füllen Martin Aselmann, Katharine Hauter, Michaela Klamminger und Klaus Rodewald "Wunderland" von Gesine Danckwart im Studio Werkhaus mit Leben. Hier wurde das Stück – eine Auftragsarbeit für Mannheim – 2013 in der Regie von Cilli Drexel; jetzt wurde es wieder in den Spielplan aufgenommen.

Käsebrötchen statt Wellness-Scheiße

In Mannheim kennt man Gesine Danckwart (Jahrgang 1969) beispielsweise von der Theater-Straßenbahnperformance "Müller fährt", ihrem Hafenprojekt "Und die Welt steht still" und dem Rundgang "Wilhelm, Turley und die Mannheimer". Während die Autorin dabei das Theater hinaus in die Welt trug, holt sie es nun in "Wunderland" die Welt von draußen auf die Bühne.

Diese hat Timo von Kriegstein karg ausgestattet: Mit Holzpodest, Teppich, Vorhang ist sie mal Puff, mal Büro, mal ein Straßencafé, vielleicht in Berlin, Prenzlauer Berg. Wir schauen den Menschen zu, wie sie Kaffee trinken und reden, gegen ihre Einsamkeit, auf der Sinnsuche.

Auf der Suche nach dem Fortschritt

Es muss stets nach vorne gehen, weiter voran, ein wie auch immer gearteter Fortschritt muss sich vollziehen. Ein Versicherungsvertreter geht in seinem Job auf, ein paar Nutten halten durch, eine Rentnerin sitzt allein vor ihrem Fernseher, ein Alkoholiker telefoniert mit "Mutti".

Während sich eine Frau nach einem "guten alten Käsebrötchen" sehnt statt der allgegenwärtigen "Wellness-Scheiße", weiß die andere, was das ist – Leben: "Der Popel aus der Nase und das Sperma in die Eizelle." Sie sind Gewinner und Verlierer der modernen Konsumgesellschaft, die sich nicht mehr auf eine Metaerzählung beziehen können. "Trockeneiszeit." Alles, was bleibt, ist eine Frage: Was steckt dahinter?

Witziger Klamauk und Remmidemmi

Gesine Danckwart breitet eine Art Gesellschaftspanorama vor dem Publikum aus. Kurze Interaktionen und Dialoge, Gedankenfetzen, Parolen und Phrasen, pointierte Mini-Milieustudien, poetische Sentenzen und Marketing-Sprech setzt sie zu einer Collage zusammen, auf deren Fluss der Zuschauer schwimmt.

Dass es weder feste Figuren noch einen Plot gibt, stellt eine besondere Herausforderung für Schauspieler und Regisseurin Cilli Drexel ("In den Westen", "Nora") dar. Ihrem Timing ist es zu verdanken, dass der knapp eineinhalbstündige Einakter witzig und unterhaltsam gerät. Drexels komödiantische Inszenierung bietet den perfekten Rahmen, in dem Aselmann und Rodewald, Hauter und Klamminger ihr humoristisches Talent voll entfalten können. Sehr zum Vergnügen der Zuschauer.