Casper (live beim Berlin Festival 2013)

Casper (live beim Berlin Festival 2013) © Julian Reinecke

Mit seinem dritten Album "Hinterland" knüpft Casper nahtlos an den Erfolg von "XOXO" an und erfindet sich musikalisch neu. Doch passt dieser neue folkig-poppige Anstrich überhaupt zum Rest? Die Antwort gab's am 18. März in der ausverkauften Stadthalle Offenbach.

Es herrscht Ausnahmezustand in Offenbach. Tausende Menschen wuseln auf den Straßen umher gen Stadthalle, tausende Autos finden keine Parkplätze.

So ist das wohl, wenn ein Konzert innerhalb von nur zwei Stunden restlos ausverkauft ist und das ist bei Weitem nicht die einzige volle Halle während Caspers aktueller "Hinterland"-Tour.

Die spielen ja schon?!

Den Auftritt der US-Indie-Rocker Portugal.The Man, die als Support eingeladen worden sind, haben allerdings die wenigsten ganz gesehen. Schon über eine viertel Stunde vor dem offiziellen Konzertbeginn standen die vier Jungs auf der Bühne. Ganz schön ärgerlich. Die Halle ist trotzdem bereits gut gefüllt.

Mit ihrem Indie-Rock passen Portugal The Man gut zum gitarrenlastigeren "Hinterland"-Sound von Casper. Die ersten Reihen klatschen eifrig mit, Ohohoh-Publikums-Chöre dürfen natürlich auch nicht fehlen.

Von null auf hundert

Während dem atmosphärischen Intro zu "Im Ascheregen" laufen auf einem riesigen Bildschirm im Hintergrund Ausschnitte aus dem dazugehörigen Video. Zu sehen ist eine Frau, die langsam durch den Mississippi watet.

Doch die Ruhe hält nicht lange, denn Casper-Konzerte sind Abriss-Konzerte. Und da steht er nun: dunkle Cappie, Skinny Jeans – eben so wie man ihn kennt, den Casper. "Ich will euch alle springen sehen", schreit der Rapper in die Menge und die Menge schreit zurück.

Es ist wirklich erstaunlich, wie schnell es dieser Mann schafft, sein gesamtes Publikum von null auf hundert zu bringen. Auch die oberen Ränge fordert er auf, sich hinzustellen, denn "wir sind doch nicht im Kino!". Wo er Recht hat...

Atmosphärische Bühnenshow

Sein neunzigminütiges Set ist eine gute Mischung von "XOXO" und "Hinterland". Beide Alben werden fast komplett gespielt.

Die Visuals sind an die jeweiligen Songs angepasst. Ist es bei "Im Ascheregen" der Mississippi, werden bei "Auf und davon" schneebedeckte Gipfel und bei "Ariel" Bilder der Bourbon Street gezeigt. In Letzterem verarbeitet Casper den Tod seiner Halbschwester.

Auch das Licht trägt einen wesentlichen Teil zur Atmosphäre bei. Bei "Lilablau" ist alles in – wer hätte das gedacht – lilablaues Licht eingetaucht, bei "Blut sehen (Die Vergessenen Pt.2)" in aggressives Rot.

Energie und Leidenschaft

Casper selbst steckt nicht nur im Studio sein ganzes Herzblut in seine Musik. Auch auf der Bühne ist er mit voller Leidenschaft dabei, springt mit seinen Fans, rennt von links nach rechts und winkt immer mal wieder einzelnen Leuten in der Menge zu.

Dem sympathischen Rapper ist vor allem wichtig, dass sein Publikum einen schönen Abend hat – sein gesamtes Publikum. "Was ist mit euch da hinten?, fragt er die Leute im hinteren Eck. "Alles gut?! Könnt ihr uns gut hören?"

Krönender Abriss

Durch seine offene Art, seine Energie und seine Leidenschaft hat Casper die gesamte Halle bis zum Ende fest im Griff. Eine Zugabe hat er zur Freude seiner Fans mit "Der Druck steigt (Die Vergessenen Pt. 1), dem immer wieder berührenden "Michael X", "Endlich angekommen" und dem krönenden Abriss...ähh... Abschluss "Jambalaya" auch im Gepäck.

Dass "Hinterland" kein "XOXO" 2.0 wird war relativ schnell klar und ließ auch Casper selbst verlauten. Doch dass die Zusammenarbeit mit Get Well Soon-Frontmann Konstantin Gropper und Markus Ganter (Sizarr) so große Spuren hinterlässt, damit haben wohl die Wenigsten gerechnet.

XOXO vs Hinterland

Live macht sich dieser Wechsel zu gitarrenlastiger Musik natürlich bemerkbar, vor allem im direkten Vergleich. Doch Casper und seine sechsköpfige Band haben es geschafft, das Elektro-Sample-lastigere "XOXO" mit dem folkig-poppigen "Hinterland" so zu kombinieren, dass der rote Faden nicht verloren geht. Der Sound ist organischer als je zuvor.

Dennoch sind auf der aktuellen Platte viel mehr Details zu hören wie Chöre, Bläsersätze oder Melodielinien, die live schlicht und einfach untergehen. Trompete, Schellenkranz und Akkordeon kommen trotzdem auch live zum Einsatz. Voll entfalten kann sich das "Hinterland" jedoch nur auf Platte.

Setlist

Im Ascheregen | Alles endet (aber nie die Musik) | Auf und davon | Casper Bumaye | Ganz schön okey | Ariel | 20qm | Lux Lisbon | Blut sehen (Die Vergessenen Pt.2) | Nie genug | Halbe Mille | Mittelfinger hoch | Lilablau | So perfekt | Die letzte Gang der Stadt | XOXO | Das Grizzly Lied | Hinterland

Zugabe: Der Druck steigt (Die Vergessenen Pt. 1) | Michael X | Endlich angekommen | Jambalaya

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