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Anouar Brahem: Meister der Zurückhaltung © CF Wesenberg / ECM

In der restlos ausverkauften Christuskirche in Mannheim bot das Anouar Brahem Quartett zum Abschluss der Jubiläumsausgabe von Enjoy Jazz einen perfekt ausbalancierten Auftritt. Dennoch überraschte das Konzert: in den letzten vier Jahren hat sich Brahems Musik so gut wie nicht verändert.

Vier Jahre ist es her, dass Anouar Brahem in der Aula der Universität Mannheim im Rahmen von Enjoy Jazz auftrat. Seitdem hat sich viel geändert in der arabischen Welt. Jahrzehntelang diktatorisch regierende Staatsoberhäupter wurden in teils blutigen Revolutionen gestürzt. Ausgangspunkt war Tunesien, Brahems Heimat.

Kontinuität statt Wandel

Wer vermutet, diese Ereignisse hätten Einfluss auf Brahems Musik gehabt, der irrt. Das Repertoire hat wenig geändert, die Besetzung seines Quartetts ist identisch.

Es besteht nach wie aus dem Libanesen Khaled Yassine, der die Darbouka, eine arabische Trommel spielt. Komplettiert wird es von dem deutschen Bassklarinetttisten Klaus Gesing dem schwedischen Bassisten Björn Meyer.

Neue Inszenierung

Was sich verändert hat, ist die Inszenierung. Musiker der Orientalischen Musikakademie Mannheim bieten eine Kostprobe orientalischer Musik mit Tanz.

Es folgen arabische und deutsche Rezitationen des Gedichts Rita und das Gewehr des verstorbenen palästinensischen Dichters Mohamoud Darwish, das dem letzten Album von Anouar Brahem, The Astounding Eyes Of Rita, den Namen verlieh. Ein Nachfolgewerk ist noch nicht in Sicht.

Zeitlos und unveränderlich

Von einem direkten Niederschlag der politischen Veränderungen in Brahems Musik kann keine Rede sein. Sie entfaltet eine bestechende hypnotische Qualität, entführt den Zuhörer in ihre Welt, die zeitlos und unveränderlich erscheint.

Das Zusammenspiel der Klangfarben ist perfekt, die Musik fließt ineinander und verschmilzt zu einem symbiotischen Ganzen, das aus der Harmonie der beteiligten Musiker lebt und der Hervorhebung einzelner Elemente kaum bedarf.

Das Gebot der Zurückhaltung

Es gibt Augenblicke, das Brahems Oud fast gänzlich in der Musik der anderen Instrumente zu verschwinden scheint. Zurückhaltung ist das Gebot seiner Kunst, nur selten nutzt Klarinettist Gesing  das dynamische Potential seines Instruments voll aus.

Trotz ihres meditativen Charakters verliert die Musik nie an Spannung, sondern lebt aus den Freiräumen, die von den Musikern geschaffen werden. In Anspielung auf Miles Davis könnte man sagen, dass für Brahems Musik das entscheidend ist, was nicht gespielt wird.

Eine subtile Botschaft

Das Publikum in der prächtig erleuchteten Christuskirche ist jedenfalls begeistert, stampft laut mit den Füßen und nötigt Brahem und seinen Mitmusikern zwei gefeierte Zugaben ab.

Der Auftritt eines zur Hälfte aus arabischen und europäischen Musikern bestehende Quartett in einer christlichen Kirche ist eine subtile Botschaft, die gut zur Musik von Anouar Brahem passt. Die politische Bedeutung findet sich nicht in der Musik, sondern im Kontext, der aber nie alle Rätsel preisgibt.

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