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Mathias Lintl kämpft gegen den Abriss der international bekannten Soulkitchen Halle © Jan Paersch

Am 31. August soll das alternative Kulturzentrum Soulkitchen, bekannt aus Fatih Akins gleichnamigem Film, schließen. Von der Stadt Hamburg kommt kaum Unterstützung, doch die Betreiber wehren sich mit Partys, Petitionen und kreativen Nutzungskonzepten.

Die Nachmittagssonne strahlt, aus den Boxen schallt Fleetwood Macs Go your own way. "Hoffentlich kommt diese Ska-Band nachher nicht, die werden sicher laut," brummt Mathias Lintl. Der Schädel ist noch schwer, die gestrige Nacht war lang. Bis in den frühen Morgen hinein haben sie Filme gezeigt und Platten aufgelegt. Lintl, ein Mittvierziger mit Lachfältchen und hochgebundenen Haaren, ist so etwas wie der Sprecher und Kopf der Stadtteilinitiative Soulkitchen Halle.

Kurz vor der Räumung

Der Initiative bleiben nur noch wenige Tage. Bis zum Samstag, den 31. August, soll die Halle auf der Hamburger Elbinsel Wilhelmsburg, die der städtischen Immobilienverwaltung Sprinkenhof AG gehört, komplett geräumt werden.

Gleiches gilt für die Freifläche davor, das Soulkitchen-Exil. Dort entstand nach der Sperrung des Gebäudes im Juni aufgrund von Einsturzgefahr ein improvisierter Open-Air-Club mit selbstgezimmertem DJ-Pult und Bänken.

Platz für ein Container-Logistikunternehmen soll hier entstehen, direkt am idyllischen Veringkanal und nur einen Steinwurf entfernt vom aufstrebenden Reiherstiegviertel. Das Soulkitchen-Team wurde zuletzt nur noch geduldet, die Nutzungsvereinbarung war bereits am 31. Dezember 2012 abgelaufen.

"Jede andere Stadt würde sich freuen"

Mathias Lintl lehnt im Schatten der bunten Fahnen, Tücher und Segel am grob zusammengehauenen Bartresen. Er schimpft auf die Finanzbehörde, die den Abriss noch stoppen könnte: "Jede andere Stadt würde sich freuen, einen lebendigen Drehort zu haben, bekannt über Deutschlands Grenzen hinaus".

Fatih Akins "Soul Kitchen" wurde 2009 hier gedreht, ein Film, der sich um ein durch Gentrifizierungsprozesse bedrohtes Restaurant dreht. Seit Sommer 2010 nutzen Künstler, DJs, Autoren und Musiker den maroden Industriebau als Bühne für alternative Kulturevents, die Kulturbehörde plante Veranstaltungen, und sogar der bekannte Konzertveranstalter FKP Scorpio wollte seine Weihnachtsfeier hier ausrichten.

Kein Platz für Kultur in Hamburg

Die Soulkitchen-Halle ist längst kein Geheimtipp mehr, doch unsubventionierte Anlaufstellen für Kunst, Musik und Off-Kultur haben es schwer in Hamburg. "500 Millionen Euro für etwas, was ich nie benutzen werde, sind vorhanden. Aber eine alte Halle, die ein Zentrum junger Kultur ist, darf nicht bleiben", heißt es in den Kommentaren zur Petition gegen den Abriss, in Anspielung auf die Kostenexplosion beim Bau des Prestigeprojekts Elbphilharmonie.

Auch andere alteingesessene Läden in Hamburg kämpfen ums Überleben, wie der Rockclub Molotow an der Reeperbahn oder die Clubs unter der Sternbrücke, die 2014 aufgrund von Sanierungsmaßnahmen ihren Standort unter der Sternbrücke in Altona räumen müssen.

Lintl klingt beinahe resigniert, wenn er über die Situation für Kulturschaffende und die mangelnde Unterstützung aus der Politik spricht. "Unter schwarz-grün wäre das so nicht gelaufen", sagt er. Der seit 2011 regierende SPD-Senat dagegen sei kulturborniert und verfolge nur wirtschaftliche Interessen.

"Geil auf Geschichte"

Das Umfeld der Soulkitchen-Halle ist ein anderes als das des historischen Gängeviertels, das dank der Beharrlichkeit von Besatzern aus der Hamburger Künstlerszene im Jahr 2009 vor dem Abriss gerettet wurde. Lintl glaubt zu wissen, warum die Stadt damals eingegriffen hat: "Bürger sind eben geil auf Geschichte."

Veranstaltungen in Wilhelmsburg stoßen dagegen bei vielen Hamburgern noch nicht auf dasselbe Interesse wie vergleichbare Events nördlich der Elbe, was nur zum Teil an der Verkehrsanbindung liegt. Bis vor wenigen Jahren galt der Stadtteil noch als Problemviertel.

Ein Bauspielplatz für Erwachsene?

Wenn Lintl über die Zukunftspläne für die Soulkitchen-Halle spricht, klingt es, als beschreibe er einen Bauspielplatz für Erwachsene. Man könne das Gebäude per Kran auf die andere Kanalseite versetzen und das Mauerwerk dort erneuern. Auch eine ganz neue Halle könnte geschaffen werden, im Stile des Upcycling könnte aus den Werkstoffen abrissreifer Hafengebäude Abfallprodukte in nutzbare Materialien umgewandelt werden.

Die große Freifläche daneben würde Lintl am liebsten in ein Refugium für ausrangierte Kunst umwandeln, da es so viel Kunst im öffentlichen Raum gäbe, die irgendwann verschrottet oder lieblos eingelagert werden würde.

Und auch die Idee des Kulturkanals schwebt noch im Raum und wurde sogar schon vom Bezirksamtsleiter aufgegriffen. Entlang beider Ufer des Veringkanals, von der Fährstraße im Norden bis hin zum Gelände des Dockville-Festivals im Süden, könnten Musikclubs, Kinos, Ateliers und Werkstätten entstehen. Ein Anfang ist schon jetzt gemacht mit dem Veranstaltungszentrum Honigfabrik und dem demnächst fertiggestellten Kunst- und Kreativzentrum Veringhöfe.

6000 Unterschriften für den Senator

Damit die Soulkitchen-Halle in Zukunft Teil eines solchen Kreativensembles wird, müsste aber zunächst die Finanzbehörde umgestimmt werden, der das Gelände gehört. Das Gebäude sei so stark sanierungsbedürftig, dass ein anderweitiger Nutzen nicht lohne, so ein Sprecher der Behörde. Dies hätten Statiker und Gutachter bestätigt. Die Planungen für den Abriss seien jedoch noch nicht abgeschlossen, man erwarte, dass sich die Bürgerschaft in den nächsten Tagen an die Behörde wende.

Eine Räumung noch am Wochenende erscheint somit unwahrscheinlich, aber es ob es für den dauerhaften Verbleib reicht, wird das Soulkitchen-Team wohl erst in den kommenden Wochen erfahren. Am Mittwoch wollen sie die gesammelten Unterschriften der Petition, mehr als 6300 nebst Kommentaren, dem Finanzsenator persönlich überreichen. Und zumindest die musikalischen Pläne fürs Wochenende stehen schon. "Am Samstag wollen wir Disco-Songs spielen, wie in meiner Jugend", sagt Mathias Lintl und lacht.

Warum braucht Hamburg die Soulkitchen-Halle? Lintl überlegt kurz. "Weil Kultur für die Seele in Hamburg einen Ort braucht."

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