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A Silent Rockumentary mit Mardi Gras.BB © Marius Brueggen

Am 21. Juni 2013 stellten die Filmemacher samt Mardi Gras.bb die Stummfilm-Doku "A Silent Rockumentary" beim Festival des deutschen Films in Ludwigshafen vor. Der Film entstand während der Aufnahmen zum aktuellen Album der Band und auf Tour.

"Ein Lichtblick wäre es, wenn 25–jährige Mädchen wieder anfangen würden, Vinylplatten zu kaufen" – meinte Doc Wenz durchaus selbstironisch. Er ist Frontmann und Mastermind der seit inzwischen 20 Jahren aus der hiesigen Musikszene nicht wegzudenkenden und auch international renommierten Mardi Gras.bb. Damit brachte er das Dilemma der Diskussionsrunde auf den Punkt, die sich an die Filmpremiere der Doku "A Silent Rockumentary" anschloss.

Ein eigenständiges Werk

Der Film des jungen Regisseurs Jonas Grosch begleitet zwar das "Making Of" des aktuellen Mardi Gras.bb-Albums Crime Story Tapes, ist dabei aber weit entfernt von den üblichen Imagefilmchen, die Plattenfirmen rund um Albumreleases gerne mal lancieren.

Stilistisch an die Stummfilmära angelehnt, arbeitet der Film mit Texttafeln an Stelle gesprochener Dialoge und lässt ansonsten die Songs der Band und die Gesichter der Musiker sprechen. Ein eigenständiges Werk also, das durch seine ungewöhnliche Machart auch auf der Kinoleinwand funktioniert.

Neben einem unterhaltsamen Porträt der Band mit ihren unverwechselbaren Charakterköpfen ist "A Silent Rockumentary"  auch ein melancholischer Abgesang auf eine Musiklandschaft, die allmählich verschwindet.

A Silent Rockumentary – Trailer

Ein Business im Wandel

"Von unserem ersten Album haben wir 30.000 Exemplare verkauft, vom letzten waren es noch ca. 4.000", so Bandmitglied Uli Krug in einer Szene des Films. Die Konsumgewohnheiten haben sich geändert: physische Tonträger werden kaum noch gekauft und die Möglichkeiten kostenloser Downloads haben das Bewusstsein, dass Musik einen Wert besitzt, bei einigen Menschen schwinden lassen.

Nach zehn Mardi Gras.bb-Alben beim Indie–Label Hazelwood, davon einige auch über den Major Universal veröffentlicht, ist die aktuelle Platte die letzte, die im labeleigenen Hazelwood–Studio in Frankfurt aufgenommen wurde. Das Studio ist pleite.

Wie ihr Kampf mit den Herausforderungen des Internetzeitalters für die Labelmacher und die Band weitergeht, ist ungewiss – obwohl im Film immer wieder auch ein gewisser Trotz durchscheint und der unbeugsame Wille, weiter zu machen.

Große Empathie

Doch gerade in den melancholischen Momenten, in denen durchaus auch eine leise Bitterkeit zu spüren ist, hat der Film die größte Kraft. Dann nämlich, wenn die Gründungsmitglieder Doc Wenz und Uli Krug über die 20 Jahre zurückliegenden Anfänge sinnieren, ihre Erlebnisse mit der Band Revue passieren lassen oder über ihren Antrieb Auskunft geben, überhaupt Musik zu machen.

Filmemacher Jonas Grosch gelingt es trotz und gerade wegen des Verzichts auf gesprochene Worte mit dem Mix aus gelungenen Nahaufnahmen, stimmig gewählter Musik und den nostalgisch anmutenden Texttafeln, große Empathie zu erzeugen. Auch wer kein eingefleischter Mardi Gras.bb-Fan ist, wird in jedem Fall Respekt empfinden für die konsequente Haltung dieser Musiker, die immer Neues versucht haben, ohne sich selbst untreu zu werden.

Und die nach vielen Jahren dann doch vor der bitteren Erkenntnis stehen, dass ein wirtschaftliches Überleben als derart vielköpfige Band schwierig bis unmöglich ist, zumindest unter den heute herrschenden Gegebenheiten.

Es ist die Zeit der Schlafzimmerproduzenten, die  allein oder in kleiner Runde zu Hause am Rechner ihre Musik volldigital entwickeln. Richtige "Studioarbeit", organisches Songwriting und Arrangieren in einer vielköpfigen Gruppe in einem klassischen Tonstudio, wie Mardi Gras.bb das jahrelang praktizierten, ist nicht mehr wirtschaftlich und erscheint geradezu antiquiert.

Das zeigt der Film "A Silent Rockumentary" ohne großen theoretischen Überbau, in bewegenden Einstellungen, die eigentlich nichts weiter abbilden als eine gewachsene Band bei der Arbeit. Sie lassen uns zugleich jederzeit spüren: Lang wird es diese Herangehensweise ans Musikmachen nicht mehr geben.

Premierendiskussion in Ludwigshafen

"Die Debatte, ob das Internet alles kaputtmacht oder eher eine Chance auf neue Geschäftsmodelle für Kreative ist, gibt es ja schon seit Jahren", hieß es in der anschließenden, vom Musikjournalisten Ralf Niemczyk geleiteten Diskussionsrunde beim Festival des deutschen Films vom Podium. Richtig! – möchte man erwidern.

Und umso mehr verwundert es, dass dann derart einseitig an das Thema herangegangen wurde und das Podium mit Filmemacher Jonas Grosch, seiner Schwester und Co–Produzentin Katharina Wackernagel, Doc Wenz von der Mardi Gras.bb und Fritz Krings vom VUT (dem "Verband unabhängiger Musikunternehmen")  ausschließlich mit Leuten besetzt war, die von den Schattenseiten der "großen Freiheit Internet" betroffen sind.

Ergänzende Perspektive fehlte

Sie alle zeichneten ein eher düsteres Bild. Das ist durchaus nachvollziehbar aus der Sicht der Beteiligten. Hier hätte aber eine ergänzende Perspektive gutgetan, denn auch aus dem Publikum, das überwiegend nicht gerade der Generation der Digital Natives angehörte, kam wenig, was zu einer wirklichen Debatte beigetragen hätte.

Es schien, als spürten das auch einige der Beteiligten auf dem Podium: Doc Wenz´ ironischer Spruch von den "25jährigen Mädchen, die Vinylplatten kaufen" machte deutlich, dass natürlich niemand ernsthaft daran glaubt, das Rad der Zeit zurückdrehen zu können.

Katharina Wackernagels Satz, dass Freiheit auch Verantwortung mit sich bringt, nämlich die Verantwortung jedes Einzelnen gegenüber den Produkten, die er konsumiert, und den Kreativen gegenüber, die hinter diesen Produkten stehen, knüpfte noch am ehesten an die emotionale Wirkung an, die der Film zuvor gehabt hatte.

Wer passionierten Künstlern bei der Arbeit ins Gesicht gesehen hat, wer eine echte Bindung an das entwickelt hat, was er da hört oder sieht, der wird unschwer verstehen, dass Musik, Film, Literatur einen Wert hat. Und der wird auch bereit sein, dafür zu bezahlen. Eine solche Bindung hergestellt zu haben, ist das Verdienst der ungewöhnlichen Doku "A Silent Rockumentary".

Demnächst wird der Film auch in Mannheim (atlantis/odeon) und Heidelberg (Karlstorkino) zu sehen sein.

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