Denkfest (Pressefoto, 2013)
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Denkfest (Pressefoto, 2013) Prof. Dr. Dieter Gorny hielt die Keynote beim Denkfest in Worms © Kulturbüro MRN

Im Kulturzentrum Das Wormser versammelten sich am 18. Juni Kulturschaffende aus der Metropolregion Rhein-Neckar, um über Kulturjournalismus im Zeitalter des Internets zu diskutieren. Zahlreiche Vorträge, Debatten und persönliche Gespräche boten viele Anregungen, um das Profil der Metropolregion auf allen Ebenen zu stärken.

In der sehr fragmentierten Kulturszene kommt der gegenseitige Austausch häufig zu kurz. Umso wichtiger sind Veranstaltungen wie das vom Kulturbüro der Metropolregion Rhein-Neckar veranstaltete Denkfest 2013, das an den vergangenen zwei Tagen im Kulturzentrum Das Wormser in Worms stattfand.

Wie sehr das Denkfest auch von den Kulturschaffenden selbst als Bereicherung empfunden wird, zeigt der große Zuspruch. Rund 300 Teilnehmer sind gekommen. Große und kleine Veranstaltungshäuser sind genauso vertreten wie Museen, Kinos, Theater, Journalisten, Festivalorganisatoren, Vertreter der beteiligten Städte und freie Kulturschaffende.

Wie wichtig der direkte Austausch sein kann, zeigte sich in einem Fall, als zwei nur wenige Türen von einander entfernt arbeitende Kulturschaffende sich auf dem Denkfest zum ersten Mal begegneten und Zeit für ein persönliches Gespräch fanden.

Keynote von Prof. Dieter Gorny

In seiner Keynote-Adresse betonte Prof. Dieter Gorny zu Recht die Wichtigkeit kreativer Inhalte, die gerade in Deutschland im Verhältnis zur Technik zu wenig geschätzt oder beachtet würden. So wichtig Technik und Infrastruktur auch seien, die besondere Leistung bestünde darin, sie mit Inhalt zu füllen.

Ganz aus seiner Haut kam der Vorstandsvorsitzende des Bundesverbands Musikindustrie bei seinem Vortrag aber leider nicht. Im Ausblick sieht er mehr Regulierung und Kontrolle im Netz als unausweichlich an. Wie sich dies mit dem Ideal eines weitgehend freien Netzes mit Zugang für alle Kreativen vertragen wird, wurde nicht deutlich.

Staatliche Regelungen können schnell als Kreativitätsbremse wirken – man denke zum Beispiel an moderne Kunstformen wie Mash-Ups oder kunstvolle Meme, die rasch an den Grenzen eines verschärften Urheberrechts kratzen würden.

Grob vereinfacht gesprochen: Eine Content-Elite, die exklusive Inhalte produziert, die am Ende aber niemand mehr sharen oder eigenkreativ darauf aufsatteln darf, kann nicht im Sinn der Kreativen sein. Deutlich wurden die Konfliktlinien längst bei prominenten Abmahnfällen oder politischen Entscheidungen wie jener über das Leistungsschutzrecht.

Komplexe Themen, heißes Matchmaking

Damit eröffnete Gorny die Debatte über die Möglichkeiten und Probleme des Kulturjournalismus bzw. des Kulturmarketing im Internet. Diskutiert wurden in den folgenden Sessions mannigfaltige Themen, die von der richtigen Präsenz auf Facebook (Christian Henner-Fehr) bis zu der Frage reichten, wie man in der heutigen Zeit ein gedrucktes Kulturmagazin finanzieren, vermarkten und vertreiben kann.

Hierzu bot Lukas Vogelsang Einblicke in seine Erfahrungen als Gründer und Chefredakteur des Schweizer Kulturmagazins ensuite. Ausschließlich online agiert hingegen Esther Slevogts Portal nachtkritik.de, das auf Theaterrezensionen spezialisiert ist.

Was Kulturinstitutionen selbst und direkt in die Hand nehmen können, war auch das Thema der Vorträge von Daniela Bamberger, die über ihre Social-Media-Aktivitäten für das Städel Museum berichtete, und von Tanja Leuthe, die im Rahmen ihrer Presse- und Programmarbeit für die Internationale Jugendbibliothek München vor allem Kinder und Jugendliche adressieren muss, die auf klassischen Wegen nur noch selten zu erreichen, geschweige denn "abzuholen" sind.

Beim gemeinsamen Mittagessen unter freiem Himmel wurden die Teilnehmer durch das junge Team der Frl. Wunder AG einander zugelost, so dass sich immer sechs unterschiedliche Gesprächspartnern an einem Tisch zusammenfanden. Trotz der enormen Hitze ergaben sich anregende Gespräche, die einen Eindruck von der Vielgestaltigkeit der Berufe, Berufungen und Tätigkeiten – und damit des kulturellen Lebens der ganzen Region vermittelten.

Podiumsdiskussion hinterlässt offene Fragen

Die abschließende Podiumsdiskussion mit Stefan M. Dettlinger (Mannheimer Morgen), Thomas F. Koch (SWR2), Esther Slevogt und Lukas Vogelsang versuchte, die unterschiedlichen Gesichtspunkte noch einmal zu bündeln. Trotz aller Bereitschaft die Herausforderung des Internets anzunehmen, vermochte keiner der Teilnehmer wirklich eine klare Perspektive für die Zukunft zu bieten.

Alle wissen um die rasante Entwicklung des Internets, aber wohin die Reise inhaltlich konkret geht, zeichnet sich nur undeutlich ab. Manche dürfen im Netz weniger aktiv sein, als sie es eigentlich gerne wären (Thomas Koch: "Wir hätten da noch viel mehr in der Pipeline" mit Verweis auf die Kontroverse um die Tagesschau-App), andere sehen die Herausforderungen des Netzes vor allem im Lichte unterbezahlter Mehrarbeit für zu klein bemessene Teams (Stefan Dettlinger: "Nur 3 Mitarbeiter betreuen unseren Online-Auftritt").

Auch die Finanzierungsfrage musste teilweise offen bleiben: Ensuite kann seinen Autoren noch keine Honorare ausbezahlen (Vogelsang: "Wir würden ja gerne. Vielleicht in zwei Jahren"), Nachtkritik ist zusätzlich zu den Werbeeinnahmen noch auf die Unterstützung durch Mäzene angewiesen. Vielleicht sieht man in diesen Punkten schon beim nächsten Zusammentreffen in Ludwigshafen 2014 etwas klarer.

Nach 2011 (Schwetzingen) und 2012 (Heidelberg) fand das Denkfest dieses Jahr erstmals an zwei Tagen statt. Am zweiten Tag folgten vier nicht-öffentliche Diskussions-Plattformen zu verschiedenen Themen, so zum Beispiel zu der Frage, ob ein neues Kulturmagazin für die Metropolregion notwendig ist, wie dies umgesetzt werden könnte oder welche Alternativen dazu bestehen.

Zukunftsperspektive Vernetzung

Den Wert des Denkfests als Chance zum Kontakt mit anderen Kulturschaffenden in der von zahlreichen Einzelkämpfern dominierten Kulturszene mindern die offen gebliebenen Fragen keineswegs. Denn eines ist klar: Kultur kann von der zunehmenden Vernetzung nicht nur profitieren, sie benötigt sie unbedingt.

Die Metropolregion Rhein-Neckar wird sich besser und nachhaltiger entwickeln, wenn interne Gegensätze, Eifersüchteleien und inhaltliche Differenzen durch Zusammenarbeit und Bewusstsein für die Gleichartigkeit der Interesse und Ziele überlagert werden.

Miteinander statt nebeneinander – so könnte das inoffizielle Motto des Denkfests lauten. "Das Denkfest ist bestens geeignet, um sich mit aktuellen Themen auseinanderzusetzen und neue Kultur-Allianzen in der Region zu schmieden", bilanziert Thomas Kraus, Leiter des Kulturbüros.

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