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Hermann Art Festival: Bericht vom Jazz Poetry Slam in der Alten Feuerwache Mannheim © 2013, Christina Stihler

Mit regelmäßig mehr als 400 Zuschauern ist der Word Up! Poetry Slam in der Alten Feuerwache Mannheim inzwischen zu einer echten Institution gereift. Dass auch solche Institutionen immer wieder neue Wege gehen, zeigte sich am 13. Juni: Im Rahmen des Hermann Art Festivals fand erstmals ein Jazz Poetry Slam statt. Eine großartige Band und tolle Poeten konnten dabei überzeugen.

Ein Poetry Slam ist ein Dichterwettstreit, in dem die Poeten innerhalb von sechs Minuten selbstgeschriebene Texte jeder Art vortragen. Entscheidend ist dabei das gesprochene Wort; Singen und jede Form von Hilfsmitteln sind eigentlich verboten.

Doch schon bevor der erste Poet die Bühne betrat, konnte das Publikum in der fast voll besetzten Feuerwache erkennen, dass es an diesem Abend sehr wohl Hilfsmittel geben wird: Piano, Bass, Schlagzeug, Saxophon, Trompete, Gitarre und Vibraphon, gespielt von den Musikern des Hermann Art Kollektivs.

Ziel der Band war es, den Vortrag der Poeten musikalisch zu unterstützen – komplett improvisiert! Richtige Proben gab es vorher nicht, die Poeten konnten sich nur kurz mit der Band besprechen und ca. drei Instrumente aussuchen, die sie begleiten sollten.

Hauptsächlich Lyrik

Das Zusammenspiel von Band und Poeten erschwert es zweifelsohne, den Texten der Poeten zu folgen. Viel wichtiger als der Inhalt sind daher Rhythmus und Stimmung, die erzeugt werden. Kein Wunder also, dass die meisten Vorträge lyrischer Natur waren; lustiges Storytelling (sonst bei Poetry Slams recht stark vertreten) suchte man hier weitgehend vergebens.

Von Beginn an ließ sich die Band gut auf die Poeten ein, etwa als von Florian Cieslik in einem Gedicht erwähnte Blähungen lautmalerisch unterlegt wurden oder als Anke Fuchs Text über Heimat mit dem Motiv von Kein schöner Land durchzogen wurde.

Bei Harry Kienzlers Ballade Im Wald, da sind die Räuber wurde zunächst die angenehme Stimmung eines Landausflugs erzeugt, die mit Auftritt der Räuber (diese Rolle sprach Kienzler den Musikern zu) immer zwielichtiger wurde und am Ende fast den Eindruck erweckte, man befinde sich in einer dunklen Ecke im Rotlichtmilieu.

Philipp Herold wollte für seinen Text über das Ordnung halten wohl auch Ordnung auf der Bühne und die bekam er in Form eines starken Rhythmus, der es ihm ermöglichte, einige Passagen seines Textes zu rappen. Dass diese Poeten es nicht ins Finale schafften, war wohl sicherlich nicht ihre Schuld, sondern eher die jener, die sich gegen sie durchsetzen konnten.

Mal lauter, mal leiser

Kaleb Erdmann etwa begab sich von Beginn an in eine Art Kampf mit der Band. Mit Verlauf seines Textes wurden sowohl er als auch die Musiker immer lauter und auch immer imposanter. Als Erdmann die Band zum Ende seines Textes ganz verstummen ließ, zeigte sich, wie imposant ein solcher Vortrag auch ganz ohne Musik sein kann.

Felix Römers Beitrag Aus dem Leben eines Alleinunterhalters wurde von der Band nur sehr reduziert begleitet, dennoch war der Effekt groß: Vibraphon und Saxophon erweckten in Verbindung mit Römers Stimme und seiner Erzählung über die Nachwirkungen einer durchzechten Nacht die Stimmung eines alten Dektektivfilmes – auch wenn Römer optisch keinerlei Ähnlichkeit mit solchen Detektiven hat.

Mit seinem Schüttelprosatext Lede zur Rage der Nation schaffte es Lasse Samström, deutschsprachiger Poetry-Slam-Meister 2002, nicht nur das Publikum, sondern wohl auch die Band zu verwirren. Dennoch schaffte sie es schnell wieder, Samström zu folgen. Auch wenn er sich selbst als „miedfertiger Frensch“ sieht, so schafft er es doch sehr authentisch, komplett auszurasten; die Band reizte er hierbei voll aus, von maximaler Lautstärke bis hin zu absoluter Stille.

Franziska Holzheimer trieb die Band während ihres Textes Der Sturm aktiv an, lauter zu werden. So wurde mit der Zeit eine unfassbare Unruhe erzeugt – genau jene Stimmung, die der Wind eines aufkommenden Sturms vermittelt. Im Finale erzählte sie von ihrer Heimat, Hamburg-Eppendorf. Hier trat die Band klar in den Hintergrund und wirkte eher wie Hintergrundmusik.

Sieger des Abends wurde Felix Römer, dessen Aussage „Manchmal tröpfelt alles so vor sich hin“ durch Tropfgeräusche des Bass unterstützt wurden. Die Band erzeugte in Römers Finalperformance eine große Unruhe, die er selbst durch seine eigene Verzweiflung perfekt ergänzte. Das Publikum war komplett begeistert und kürte Römer in der abschließenden Applausabstimmung auch völlig verdient zum Gewinner.

Zugabe willkommen!

Mit einem melancholischen Gedicht Römers als Zugabe, untermalt durch die Melodie von La Le Lu, ging der erste Jazz Poetry Slam in Mannheim dann zu Ende.

Was bleibt, ist ein tief beeindrucktes Publikum und die Hoffnung, dass es weitere Slams dieser Art geben wird.