Kajalgetränkte Augen, Tattoos ohne Ende und eine Garderobe, bestimmt von der Farbe Schwarz: bereits hundert Meter vor dem Haupteingang des Berliner Postbahnhofs schlichen am gestrigen Abend diverse dunkle Gestalten umher.

Während sich die einen mit Burger und Bier stärkten und Goth-Erinnerungen austauschten, versuchten Spätzünder ihr Glück mit "Suche Karten"-Schildern. Der Grund: "His Infernal Majesty" war in der Stadt.

Die Halle ist voll und die Handy-Akkus sind komplett aufgeladen

Zwei Jahre lang war es merklich still geworden um die finnischen Vorzeige-Liebesmetaller HIM. Eine seltene Nervenkrankheit zwang Drummer Mika Kristian Karppinen kurz nach der "Screamworks: Love In Theory And Practice"-Tour zu einer mehrmonatigen Zwangspause.

Seitdem schotteten sich die Finnen weitgehend ab.

Doch mittlerweile ist der bullige Kesseltreiber wieder fit, es wurde ein neues Album (Tears On Tape) eingespielt und auch live will man wieder von sich reden machen.

Die erste Gelegenheit, um die deutsche Anhängerschaft von der ungebrochenen Live-Lust zu überzeugen, bietet sich den Nordlichtern in der Hauptstadt. Alles ist angerichtet, die Halle ist voll und die Handy-Akkus der zahlreich erschienenen Heartagram-Girlies sind komplett aufgeladen.

Gekreische wie bei einem Justin Bieber-Konzert

Um viertel vor neun geht endlich das Licht aus und das Gekreische in den ersten fünf Reihen nimmt Ausmaße an, die man sonst nur von einem Justin Bieber-Konzert kennt. Die Bühne betritt allerdings kein pubertierender Schönling, sondern ein mittlerweile fast 37-jähriger hagerer Ville Valo, der die nächsten knapp 90 Minuten vor allem damit beschäftigt sein wird, das mit den Jahren schütter gewordene Haupthaar vor neugieren Blicken zu verstecken.

Dabei hilft ihm eine dicke gestrickte Mütze, die allerdings mit zunehmender Dauer des Abends immer mehr an Passform verliert, was ein ständiges Fummeln an seinem Kopf zur Folge hat.

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Ville Valo hat wenig zurückzugeben

Der lechzenden Gefolgschaft im Saal ist das knorrige Erscheinungsbild des HIM-Chefs aber schnuppe. Bereits mit den ersten Klängen des Openers All Lips Go Blue fressen die Jünger ihrem Helden aus der Hand.

Der hat allerdings wenig zurückzugeben.

Mit dem Bewegungsradius eines Bierdeckels mimt das Band-Aushängeschild lieber den unnahbaren Rockstar. Auch die Kommunikation lässt zu wünschen übrig. Stattdessen nutzt der Sänger zwischen den Songs lieber die Zeit, um sich die eine oder andere Zigarette anzuzünden.

Die Masse feiert ihren bewegungsfaulen Heroen, als gäbe es kein Morgen

Wenigstens stimmlich gibt es nichts zu meckern, auch wenn sich des Frontmanns Balance-Spiele zwischen Kopf- und Bruststimme erst im letzten Konzert-Drittel so richtig entfalten kann.

Schuld daran ist der über weite Strecken extrem breiige Gesamtsound, der Eckpfeiler des Bandschaffens wie Right Here In My Arms, Join Me oder Wicked Game nur von Insidern erkennen lässt.

Doch davon haben sich an diesem Abend jede Menge im Postbahnhof eingefunden. Und so feiert die Masse ihren nicht mehr ganz so taufrischen und stets bewegungsfaulen Heroen, als gäbe es kein Morgen.

Please take me in your arms/ When Love and Death embrace: die finalen Hauptset-Zeilen passen an diesem Abend wie die Faust aufs Auge. 

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