Bosse startete seine aktuelle Tour am 10. April in Mannheim (Foto: Bosse live in Hamburg, 2012).

Bosse startete seine aktuelle Tour am 10. April in Mannheim (Foto: Bosse live in Hamburg, 2012). © Falk Simon

Zwei Jahre nach der letzten Albumveröffentlichung "Wartesaal" erschien am 8. März 2013 das langersehnte neue Album "Kraniche" des Singer/Songwriters Bosse. Das Auftaktkonzert zur aktuellen Tour fand am 10. April im nahezu ausverkauften Capitol in Mannheim statt und um es vorweg zu nehmen: Bosse ist in Höchstform und lieferte ein Highlight nach dem anderen.

Die erste Überraschung gibt es gleich zu Beginn. Kurz vor 20 Uhr kommt ein mit dunkler Hose, dunklem Oberteil und Mütze gekleideter Mann auf die Bühne, schnappt sich ein Mikro und begrüßt die anwesenden Gäste. Es ist Axel "Aki" Bosse höchstpersönlich, der in bester Laune davon erzählt, wie er mit seiner Band fleißig für diesen Abend geprobt hat und wie aufgeregt doch alle sind. Dann verkündet er direkt die zweite Überraschung: "Ich hoffe ihr habt n‘ bisschen Zeit mitgebracht, denn wir spielen heute länger als sonst."

Es sind diese Momente und Gesten, die im Zuschauer ein Gefühl wecken, welches nur bei äußerst wenigen Künstlern entsteht. Bosse dreht damit das Verhältnis Gast zu Gastgeber. Nicht er ist der Gast (an diesem Abend im Capitol), sondern wir, das Publikum und wie es sich für einen guten Gastgeber gehört, kündigt Bosse auch gleich seinen Support mit an: Tonbandgerät aus Hamburg.

"Wir sind übrigens Ton-band-gerät"

Wer ein wenig das Musikgeschehen vor allem im Newcomer-Bereich verfolgt, dem wird diese Band schon seit längerem ein Begriff sein. Tonbandgerät gibt es seit ungefähr fünf Jahren. Im Herbst 2012 gewannen die vier jungen Hamburger/innen den New Music Award, der zuletzt den rasanten Aufstieg von Kraftklub maßgeblich beeinflusst hat. Am 19. April wird das Debütalbum Heute ist für immer erscheinen.

In den letzten Monaten spielten Tonbandgerät u.a. Shows mit bekannten Acts wie Silbermond, Frida Gold oder Silly. Jetzt ist die Band mit Bosse unterwegs. Die Bühnenerfahrung, die die beiden Jungs und beiden Mädels bereits erfahren durften, ist an dem Abend im Capitol merklich zu spüren.

Souverän und selbstbewusst liefert die Band mit ihren eingängigen Indie-Popsongs eine halbstündige Show. Sänger Ole animiert zum Mitklatschen und Mitsingen und stellt während seinen Ansagen immer wieder Bezug zu Mannheim und seiner Kneipenszene her, denn die Band ist nicht zum ersten Mal hier. Dadurch, dass Tonbandgerät in der 13. Generation des Förderprojekts "Bandpool" der Popakademie vertreten waren, spielten die Hamburger bereits mehrere Shows hier in der Region.

Musikalisch leisten sich die vier Tonbandgeräte bei ihrem Auftritt im Capitol keinen Patzer. Die einzelnen Songs ähneln sich jedoch ziemlich und sind live, neben wenigen Ausnahmen wie dem Stück Irgendwie anders, mehr zum Kopfnicken als zum Abfeiern geeignet. Auch der Gesang ist noch etwas eintönig und die Stimmfarbe von Sänger Ole wahrscheinlich nicht jedermanns Sache.

Trotzdem passen Tonbandgerät mit ihren Popsongs und den ehrlichen, unverblümten deutschsprachigen Texten gut zu Bosses Musik und kamen im Großen und Ganzen auch gut bei den Leuten an. Dass die Band in naher Zukunft die großen und mittelgroßen Hallen der Republik füllen soll, ist momentan dennoch schwer vorstellbar.

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Licht an, alle Fenster auf!

Gegen 21 Uhr ist dann auch die letzte Umbauphase beendet. Licht an, es kann losgehen! Der Opener Kraniche wird durch ein kurzes Pianointro eingeleitet, währenddessen Bosse mitsamt dem Rest seiner Band die Bühne betritt. Insgesamt sechs Musiker gesellen sich zu ihm.

Neben der Standardbesetzung Schlagzeug, Gitarre, Bass, Keyboard sind pünktlich zur Tour noch zwei weitere Musiker dazugekommen: Martin an der Trompete, der zusätzlich immer wieder zur Gitarre oder zum Keyboard wechselt, und Valentine am zweiten Keyboard, die gekonnt ebenso den Hauptpart innerhalb des Backgroundgesangs übernimmt. Auch der Rest der Band zeigt während dem zweistündigen Programm, dass es sich dabei um Profis handelt, die Bosse um sich geschart hat.

Wunderschön ist auch das Bühnenbild anzusehen. Hinter der Band wurde ein riesiger Banner aufgehängt, auf dem eine Art Stadt oder ein Dorf abgebildet ist. An einem der Keyboards wurde ebenso ein Tuch mit einem Kranich als Motiv angebracht. Die Decke wurde mit zahlreichen Laternen geschmückt, die während des Konzerts als Projektionsflächen dienten.

Das ganze 21 Songs umfassende Set beinhaltet vereinzelt Stücke aus den zahlreichen Vorgängeralben wie u.a. Liebe ist leise, Niemand vermisst uns oder Alter Strand. Der Fokus liegt natürlich auf den beiden jüngsten Platten Wartesaal, von dem u.a. Weit Weg, Roboterbeine und Du federst zu hören waren und dem neuen, fünften Album Kraniche, dessen Songs mit Ausnahme von drei Stücken alle ihren Platz in die Setliste gefunden haben.

Ein Künstler zum Anfassen

Dass Bosse nicht nur ein großartiger Musiker, sondern auch ein toller Entertainer und Motivator ist, stellt er an diesem Abend durchgehend unter Beweis. So scheut der sympathische Braunschweiger auch den Kontakt mit seinen Gästen keineswegs. Im Gegenteil: bereits nach dem zweiten Song So oder so steht er mitten im Geschehen und performt sein Stück 3 Millionen. Hier zeigt sich auch wie textsicher die Leute sind. So ziemlich jeder Refrain sitzt und wird lauthals mitgesungen.

Generell ist der Umgang mit seinen Gästen im Saal besonders hervorzuheben. Bosse bezieht bei allem was er sagt immer die gesamte Zuhörerschaft bis ins letzte Eck mit ein, inklusive "Balkonien", wie er die Empore auch nennt. In der Interaktion ergibt sich eine weitere Stärke: Spontanität. Immer wieder werden vereinzelte Songs spontan auf das Wesentliche runtergebrochen. Dann singt Bosse ganz intim nur vom Piano begleitet zusammen mit seinen Gästen nochmals eine zweite Strophe mitsamt dem Chorus.

Diese Spontanität geht so weit, dass sogar auf Musikwünsche eingegangen wird. Der Song Wartesaal vom gleichnamigen Album war nämlich eigentlich nicht eingeplant. Auf mehrfachen Wunsch und nach einer kurzen Besprechung mit seiner Band wird er trotzdem gespielt. "Schieben wir halt einen Song dazwischen. Wir haben ja Zeit!"

Mit fünf Zugaben zurück auf die Bühne

Nach ungefähr 90 Minuten Programm verabschiedet sich Bosse für einen kurzen Moment, kommt dann zur Freude aller jedoch wieder auf die Bühne, um sich ausgiebig für den Abend zu bedanken. "Ich hab‘ gerade mit meiner Band gesprochen und wir sind uns alle einige: ihr seid ein super Publikum. Vielen Dank!" Nebenbei kündigt er noch seine Rückkehr nach Mannheim an. Eines der letzten Konzerte seiner Tour soll wieder im Capitol stattfinden.

Nach dem bewegenden Liebeslied Yipi geht es dann nochmal zu Weit Weg und Tanz mit mir ordentlich ab, um schließlich den großartigen Konzertabend – nach dem spontan eingeschobenen Wartesaal – mit dem atmosphärischen Konfetti schweren Herzens sowohl auf Seiten des Gastgebers als auch auf Seiten der Gäste zu beenden.

Großartiger Tourstart

Der Abend im Capitol hat gezeigt, dass Bosse kein Geheimtipp mehr ist. Zu seinem steigenden Bekanntheitsgrad haben sicherlich auch Auftritte bei Events wie dem Bundesvision-Songcontest 2010 beigetragen.

So ist es nicht verwunderlich, dass Lieder wie Frankfurt Oder oder weitere Radio-Hits wie Schönste Zeit bei dem Großteil der Leute deutlich bekannter sind. Dennoch sind ausnahmslos alle Stücke, die an diesem Abend zum Besten gegeben wurden, überzeugend. Sei es durch die Umsetzung der Band, die immer wieder kleinere Soli-Einlagen einfliessen lassen, oder durch die berührenden Texte, die live nochmals intensiver wirken als auf Platte.

Axel "Aki" Bosse hat mit diesem fulminanten Tourauftakt bewiesen, dass er jetzt schon zu den ganz Großen in der deutschsprachigen Popszene gehört. Seine zukünftigen Gäste können sich zu Recht freuen: der Gastgeber ist in Bestform! Hut ab vor diesem Auftritt!

BOSSE – Live 2013

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