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Fraktus (live in Heidelberg 2013) © Daniel Nagel

Fraktus verwischen die Grenzen zwischen Realität und Fiktion. Als Band sind sie überaus real, aber ihre Geschichte als Pioniere des Techno, wie sie in der fiktiven Filmdokumentation dargestellt wurde, ist komplett erfunden. Der Auftritt in Heidelberg am 3. Februar verdeutlichte trotz des unbestrittenen Unterhaltungswerts, wie schwierig es ist, dieses Konzept nachhaltig umzusetzen. Ist die Geschichte von Fraktus tatsächlich bereits im letzten Kapitel angekommen?

Das Rätselraten vor der Show war groß: Was kann man vom Konzert einer erfundenen Band erwarten? Würden Fraktus den fast ausverkauften Karlstorbahnhof als Bühne für eine groteske Konzert-Parodie nutzen oder würde der Auftritt zu einer wilden Comedy-Party eskalieren?

Musik als Parodie

Die Antwort fällt leicht: Die parodistischen Anteile des Konzerts überwiegen die Comedy bei weitem. Fraktus spielten die Rolle als ständig am Abgrund entlang taumelnde Pionier-Band des Techno mit bemerkenswerter Konsequenz.

Sie bieten ein "echtes" Konzert in der Hinsicht, dass der Fokus überwiegend auf der Musik liegt – trotz lächerlicher, weil mit großer Überzeugung getätigter Ansagen, Raufereien auf der Bühne, lustigen Tanzeinlagen und gegenseitigem Dissen.

Die Musik von Fraktus beruht auf einer Scooter-Parodie. Da man Scooter mit ihren sinnlosen Texten und ihrem primitiven Geballer eigentlich gar nicht parodieren kann, verbinden Rocko Schamoni (als Dickie Schubert), Heinz Strunk (als Torsten Bage) und Jacques Palminger (als Bernd Wand) die Techno-Beats mit der modernistischen, hochernsten Ästhetik von Kraftwerk und dem zwischen Dadaismus, Naivität und Albernheit schwankenden Gestus einiger Bands der frühen NDW.

Ernsthafte Lächerlichkeit

Maximale Ernsthaftigkeit, die in ihrer Überdrehtheit ins Lächerliche abgleitet – das ist das Konzept von Fraktus und es funktioniert leidlich gut. All die armen Menschen erinnert an die satirische Naivität von Foyer des Arts Wissenswertes aus Erlangen, ohne freilich den gleichen Biss zu besitzen.

Computerliebe bezieht sich auf das (fast) gleichnamige Stück von Kraftwerk (von Computerwelt, 1981) und Paso Dobles Hit aus dem Jahr 1985. Aber nicht die Liebe zum Computer steht im Mittelpunkt, sondern die Liebe zweier Commodore-Computer, denen das schreckliche Schicksal der Aussortierung durch die "bösen Menschen" droht.

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Parolen und Pennäler

Manchmal sind die Texte von Fraktus auf Parolen reduziert, wie bei Geschlossene Gesellschaft oder Bombenalarm. Letzteres soll Fraktus' Charakter als "politische Band" unterstreichen, freilich ohne Inhalt – anders als Hubschraubereinsatz von Foyer des Arts, das durchaus als Vorbild gedient haben könnte.

Jagt den Fuchs ist schlichter Pennälerhumor mit seinem "Steck den Finger in das Loch"-Thema. Andere Lieder sind in ihre dadaistischen Sprache nahe bei einer Parodie von Bands wie Palais Schaumburg.

Dazu gibt es eine effektive Lichtshow aus vier Strahlern, eine Gitarre, die aussieht wie ein Lichtschwert aus Star Wars, das typische Techno-Instrument der Querflöte und absurde Choreografien mit synchronen Bewegungen der Musiker zu den Lichtern.

Es ist irgendwie an alles gedacht, aber der ganz große Knalleffekt bleibt trotz aller Liebe zum Detail aus.

Gespielte Konflikte

Es ist allerdings vergnüglich zu beobachten, wie Schamoni, Strunk und Palminger ihre Rollen gnadenlos durchziehen. Schamonis Dickie Schubert ist ein ständig nörgelnder, andere niedermachender Misanthrop, der bestenfalls vergiftetes Lob äußern kann.

Strunks Torsten Bage tanzt und hüpft mit zerrissener Hose und Trainingsjacke über die Bühne und sieht seine Mission vor allem darin, Schubert auf die Nerven zu gehen.

Dieser gewinnt in Palmingers Bernd Wand so lange einen Verbündeten gegen Bage, bis er erkennt, dass man eigentlich mit Schubert auf keinen Fall alleine in einer Band sein will.

So schlingert das Fraktus-Gefährt bedrohlich, bricht aber nie komplett auseinander, zusammengehalten vom Bewusstsein, dass das wirklich die allerletzte Chance der (imaginären) Band ist.

Eine gut auserzählte Geschichte

Man kann Studio Braun nur dafür loben, sich ein überzeugendes Konzept ausgedacht zu haben und damit den fast ausverkauften Karlstorbahnhof 90 Minuten gut zu unterhalten.

Aber als das Konzert vorüber ist, kann man sich des Gefühls nicht erwehren, dass die Geschichte damit auserzählt ist – wenn den Machern nicht noch ein ganz großer Abgang einfällt.

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