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Wolfgang Doebeling. Pleased To Meet You. Interviews mit Musikern © 2012, Quelle: Wilhelm Fink Verlag

Der bekannte Musikjournalist Wolfgang Doebeling hat mit "Pleased To Meet You" den ersten Band einer mehrteiligen Zusammenstellung mit Interviews vorgelegt. Es ist ein überraschend durchschnittliches Werk: Kontroverses findet sich nur in der Einleitung.

Wolfgang Doebelings Interview-Compilation Pleased To Meet You bietet einen kleinen Auszug aus den mehr als tausend (!) Interviews, die der in Berlin lebende Musikkritiker und Radiomoderator im Verlauf seiner mehrere Jahrzehnte umfassenden Tätigkeit mit prominenten Musikern geführt hat.

Angesichts von Doebelings Vorliebe für Polemik und Konfrontation ist es verwunderlich, dass Pleased To Meet You – mit einer bemerkenswerten Ausnahme – nicht nur überwiegend unspektakulär, sondern auch ziemlich durchschnittlich geworden ist.

Die Liste der zwölf Interviewpartner liest sich beeindruckend: Zu den Befragten zählen u.a. Mick Jagger, Keith Richards, Paul McCartney, David Bowie, Pete Townshend und Elvis Costello. Wer aber hofft, die Gespräche gestalteten sich ähnlich eindrucksvoll, wird enttäuscht werden. Das hat im Wesentlichen zwei Gründe.

{image}Musikalische Prägungen

Zum einen verfolgt Doebeling mit seinen Fragen das Ziel, möglichst viel über die musikalisch prägenden Jahre der Gesprächspartner herauszufinden.

Welche Gemeinsamkeiten und Unterschiede musikalischer Erweckungserlebnisse gab es? Welche Musik war prägend? Jazz? Blues? Rock’n’Roll? Und wie sehr unterschieden sich die Erfahrungen je nach Alter und Herkunft?

Leider eignet sich das Interviewformat nicht zum systematischen Zugriff auf diese Fragestellung. Die Struktur des Buches bringt mit sich, dass der Autor keine Synthese leisten kann, die daher dem Leser überlassen bleibt. So stehen die zahlreichen Detailinformationen ohne Kontext unverbunden nebeneinander.

Keine ungezwungenen Gespräche

Eine weitere Folge dieser Agenda besteht darin, dass Pleased To Meet You gerade nicht ungezwungene Gespräche wiedergibt, sondern starr auf das Erkenntnisinteresse des Autors nach der musikalischen Prägung der ausschließlich englischen Musiker fokussiert ist. Deshalb wirken die Interviews, als wären sie mit Hilfe von Kürzungen in ein allzu starres Korsett gepresst worden.

Selbst wenn Doebeling auf (zum Zeitpunkt des Gesprächs) aktuelle Themen zurückkommt, verrennt er sich in einigen Fällen, beispielsweise wenn er mit Mick Jagger jeden einzelnen Track von She’s The Boss durchgeht. Die Geduld der Leser strapaziert er hingegen auch, wenn er Townshend seitenlang über seine Liebe für die Shadows ausquetscht, eine Band, deren Lob er auch sonst nicht müde zu singen wird.

Nicht alle Interviews lohnen

Zwischen den Interviews besteht außerdem ein beträchtliches Qualitätsgefälle. Manche Gesprächspartner wie Keith Richards oder Bill Wyman haben schlichtweg nichts Interessantes beizutragen. Die Konversationen mit Paul McCartney, David Bowie und vor allem mit Joe Strummer wirken eigenartig banal. Besonders das Strummer-Interview liest sich wie ein transkribiertes Gespräch im Pub, das jeden Fokus komplett vermissen lässt.

Wirklich lesenswert sind eigentlich nur drei Interviews, nämlich die mit Mick Jagger, Ray Davies und Elvis Costello. Das Costello-Interview besitzt das, was den übrigen Gesprächen fehlt, nämlich Dynamik und Leidenschaft und bildet daher eine höchst willkommene Abwechslung vom sehr gemäßigten Tempo der übrigen Interviews. Autor und Interviewpartner verstehen sich blendend, so dass Costello in Doebeling sogar eine „verwandte Seele“ zu erkennen glaubt.

Lesenswert: Davies und Jagger

Das Interview mit Kinks-Mastermind Ray Davies, geführt in einem Zug von Hamburg nach Berlin, ist aus anderen Gründen erfolgreich. Doebeling äußert Kritik am Auftreten des Engländers auf der Bühne, wodurch sich Davies aber nicht aus der Ruhe bringen lässt. In der Folge erhält Davies Gelegenheit seine Eindrücke der Karriere der Kinks sowie des Popbetriebs der 1960er wiederzugeben, was ebenso lehrreich wie spannend ist.

Ein weiterer Gesprächspartner erweist sich als ausgesprochen wacher Geist: Mick Jagger. Man kann seinen Respekt für einen Mann nicht verhehlen, der Doebelings Fragen mühelos pariert und darüber hinaus (vor allem im zweiten Interview) noch profunde Aussagen zu einer ganzen Reihe von Themen beisteuert.

{image}Missglückte Einleitung

Angesichts des zurückhaltenden Charakters der meisten Gespräche überrascht die vom Autor selbst verfasste Einleitung, die im Wesentlichen aus einer unangenehmen Mischung aus Gehässigkeit, Eitelkeit und Arroganz besteht.

Was als Selbstinszenierung gedacht war, gerät so zur peinlichen Selbstdemontage, wozu in nicht geringem Maß die penetrant gestelzte Sprache beiträgt, die man im restlichen Buch glücklicherweise nur selten findet.

Trotz der missglückten Einleitung ist Pleased To Meet You weder ein Meisterwerk noch ein Desaster, sondern ein überwiegend unauffälliges Werk, das lediglich mäßigen Erkenntnisgewinn besitzt. Die Entscheidung, dem Band eine gewisse thematische Struktur zu verleihen, aber gleichzeitig darauf zu verzichten, sie in letzter Konsequenz umzusetzen, war keine glückliche.

Mangelnde Konsequenz

Es wäre besser gewesen, das Buch entweder ganz auf die Fragestellung nach der musikalischen Prägung auszurichten oder ein lockeres, unterhaltsameres Werk zu veröffentlichen, das auf eine Agenda komplett verzichtet. Pleased To Meet You leidet daher unter etwas, das ansonsten niemand Doebeling vorwerfen würde: mangelnder Konsequenz.

 

Wolfgang Doebeling: "Pleased To Meet You – Interviews mit Musikern", Fink Verlag, Paderborn, 255 Seiten, 24,80 Euro