Nick Talbot hat mit Gravenhurst seine eigene Welt geschaffen. Er spricht oft darüber, bezeichnet es als seine idealisierte Form Englands oder sein eigenes kleines Dungeons- und Dragons, lässt aber ansonsten alles offen und vage. Seine Songs sind da schon aufschlussreicher und zeichnen eine düstere Welt, voller Gewalt aber auch Mysterien. Würde er heutzutage sein Debüt feiern, würde man Talbot wohl schnell in die Ecke von Witchhouse oder ähnlichen düsteren Horror-Genres stecken. Sein aktuelles Album The Ghost In Daylight, erschienen im Frühjahr auf Warp Records, ist aber bereits sein sechstes, zählt man die EP Black Holes In The Sand mit, die er selbst als Mini-Album bezeichnet.

Somit kann man ihn getrost als Veteran des Geschäfts bezeichnen, der eigentlich einen schönen Auftritt hinlegen müsste. Im Heidelberger Karlstorbahnhof passiert jedoch leider wenig. Farblos sind die Songs, langweilig wirkt der Auftritt. Daran ändert auch Talbots neue Band wenig, die aus Rachel Lancaster an Bass und Midi-Controller und Claire Adams am Schlagzeug besteht. Denn die stehen oft leicht belämmert auf der Bühne und scheinen auch nicht selten vom ganzen Geschehen distanziert zu sein.

Gravenhursts Auftritt ist langweilig und das ist schade

Dass er die beiden Damen überhaupt dabei hat, ist an sich schon verwunderlich. Denn Talbot fühlt sich auf Tour erklärterweise mit einer Band immer wenig wohl, vor allem weil er sich dann selbst auf der Bühne schlechter hört. Vielleicht kriegen die Songs, die an diesem Abend aus der gesamten Schaffensperiode von Gravenhurst genommen werden, deswegen auch keine Luft zum Atmen. Teilweise wirken sie wie heruntergespult, besonders deutlich wird das bei Cities Beneath The Sea.

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Das kleine Meisterwerk vom Album Fires In Distant Buildings handelt, wie der Titel schon sagt, von Städten unter dem Meer und den Toten, die mit den Augen der Lebenden sehen. H.P. Lovecraft würde sich freuen. Der Song ist ein Paradebeispiel für Talbots Fähigkeit, in kurzer Zeit im Kopf des Zuhörers fantastische Welten entstehen zu lassen. Live passiert das aber leider diesmal nicht, da plärrt der Song kurz aus den dazu noch laut rauschenden Boxen und lässt unbeeindruckt zurück.

Irgendwann wird der Auftritt schlichtweg langweilig, was einfach nur schade ist. Denn Talbot hat mit Gravenhurst etwas schönes geschaffen, und das über lange Distanz. Auch mit seinem neuen Album The Ghost In Daylight. Auf dem geht es ruhig zu, teilweise verträumt – jedenfalls musikalisch. Die Texte stehen dem vollkommen entgegen, auch wenn sie manchmal kryptisch sind. Fitzrovia ist politisch, wenn auch nur aus historischer Sicht: Thema ist die "Schlacht" in der Cable Street zwischen englischen Faschisten und Bewohnern des Londoner Eastend 1936. Three Fires besingt das Anzünden eines Hauses als Reaktion auf schreckliche Dinge, die dort passiert sind.

Eskapismus, Dualismus, Hoffnungsschimmer

Musikalisch und textlich ein vollkommener Eskapismus. Das ist aber nur eine Seite von Nick Talbot, der politisch sehr interessiert ist und auf seinem eigenen Blog aktuelle Entwicklungen kommentiert. Ein Dualismus, den er auch live noch einmal kurz zeigt, als er Black Holes In The Sand spielt und am Ende des Songs minutenlang mit seinen Effektgeräten herumspielt und Noise durch die Bude jagt. Als hätte der gesamte Auftritt vorher nicht stattgefunden oder wär nur die dröge Vorband gewesen.

Die Hoffnung ist bei Gravenhurst also nicht verloren.

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