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Faber (live in Stuttgart 2017) © Jannik Rulitschka

Flankiert von einem Spiegelkabinett tritt Faber in der ausverkauften halle02 in Heidelberg auf. Die Symbolik ist gewollt, schließlich hält der Schweizer Sänger und Songwriter mit seinen Songs der Gesellschaft gnadenlos den Spiegel vor.

Was für einen Unterschied ein Jahr macht! Vor knapp 10 Monaten spielte Faber im Club der halle02, jetzt füllt er den großen Saal vollständig. Die zweihundert Besucher des vergangenen Jahres haben offensichtlich ordentlich Mundpropaganda gemacht, scherzt der Schweizer Sänger und Songwriter und kommt damit der Wahrheit sehr nahe.

Zwischen beiden Konzerten liegt ein Debütalbum, das bis in das heilige Feuilleton der deutschen Presse für Aufmerksamkeit sorgte und natürlich jede Menge Youtube-Klicks und Spotify-Plays generierte. Der Erfolg ist offensichtlich: von 15 bis 45 sind alle Altersklassen vertreten.

"Ich meine all die anderen"

Sie schätzen die Abgründigkeit des Schweizers, die Gnadenlosigkeit seiner Beobachtungen, die Hemmungslosigkeit seiner Texte. "In Paris brennen Autos, in Zürich mein Kamin", besser könnte man die absurde Ungleichzeitigkeit der Gegenwart nicht zusammenfassen. "Wer nicht schwimmen kann, der taucht" prangert den zynischen Umgang mit ertrinkenden Flüchtlingen im Mittelmeer aus Sicht der Spießbürger an. 

Seine Lieder über Beziehungen gleichen bösartigen Abrechnungen: "Es ist schön mit dir, doch es könnte schöner sein" kann vermutlich nicht als Basis für eine dauerhafte Beziehung dienen. Dazu entblößt Faber freilich auch sexgeile Möchtegern-Cassanovas ("Wem du's heute kannst besorgen") und unterwürfige Angeber ("Das wird ganz groß"). 

"Weil es sonst niemand macht, nehme ich es selber in die Hand"

Faber liefert jedenfalls das Gegenstück zur "deutschen Industrie-Musik" (Jan Böhmermann) und seine Fans lieben ihnen dafür. Das textsichere Publikum singt die bekannten Lieder eifrig mit und jubelt ausgelassen. Dass ihn sein Erfolg auch in kreativer Hinsicht beflügelt, zeigen ein paar unveröffentlichte Lieder, unter denen der Eröffnungssong ("Oh Julian"?) herausragt.

Wermutstropfen gibt es freilich auch. Da wäre zum einen der relativ dumpfe Sound, der Fabers tiefen  Gesang manchmal zu verschlucken droht, zumal es zu Fabers Eigenarten zählt, manchmal mehr zu grummeln als zu singen. Die langen Instrumentalpassagen im Mittelteil wollen auf der anderen Seite nicht so recht zu einem Musiker passen, dessen Stücke eigentlich recht kurz und pointiert sind. 

Ausnahmezustand

Dennoch zeigt sich gerade in diesen ausschweifenden Momenten die ungeheure Spiellaune, die Faber und seine Mitmusiker der Goran Koč y Vocalist Orkestar Band an den Tag legen. Hier können die fünf Musiker mit ihrem instrumentalen Können brillieren und ihre unbändigen Energie auf das Publikum übertragen.

Im späteren Verlauf des Abends schaukelt sich die Stimmung immer weiter nach oben: Als sich der Schweizer Sänger seines Hemdes entledigt, wirft ihm ein Zuschauer einen Mantel mit einem Leopardenmuster zu, den er bis zum Ende des Konzerts trägt. Von diesem Zeitpunkt an herrscht völlige Euphorie.

Der unendliche Abend

Im Grunde spielt jeder Song auf dem Debütalbum "Sei ein Faber im Wind" in puncto Songwriting in der ersten Liga, doch vor allem die Hits "Alles Gute" und "Tausendfrankenlang" sorgen für ausgelassene Tanzbewegungen in der gesamten Halle. Natürlich kehrt Faber für einen ersten Zugabeblock auf die Bühne zurück, nachdem das Publikum lautstark weitere Songs einfordert. 

Prompt folgt eine schelmische Bemerkung des Sängers: "Ihr hättet euch auch weniger Mühe geben können. Wir spielen die Zugabe sowieso jeden Abend." Die Show scheint kein Ende mehr zu finden, die Spielfreude des Schweizers und seiner Band ist ungebrochen.

Till Eulenspiegel im Hugh Hefner-Gewand

Zu guter Letzt folgt als letztes Encore der Song "Wer nicht schwimmen kann, der taucht", mit dem Faber der heutigen Überflussgesellschaft den Spiegel (oder besser gesagt fünf Spiegel) vorhält. Vor allem vor dem Hintergrund seiner Rede bei den Swiss Music Awards, bei der sich der Sänger ironisch für eine "moderne und offene Schweiz" bedankte, erhält der Song einen bitteren Beigeschmack.

In der halle02 zeigt sich der moderne Till Eulenspiegel in Bestform. Der Schweizer hat eine Menge zu sagen. Und das wird sich so schnell sicherlich nicht ändern. 

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