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Depeche Mode (live in Mannheim 2017) © Rudi Brand

Mit einer fulminanten Show vor einem euphorischen Publikum in der Mannheimer SAP Arena sorgen Depeche Mode auch beim Hallenteil ihrer "Global Spirit"-Tour trotz winterlicher Temperaturen für sommerliche Stadionatmosphäre.

Auf ihrer Global Spirit Tour haben Depeche Mode schon mit ihren groß angelegten Shows unter freiem Himmel in den wärmeren Monaten für Superlative gesorgt und eine Vielzahl an Bewunderern glücklich gestimmt. Was läge für die Elektropop-Ikonen da also näher, als in der kälteren Jahreszeit gleich noch eine zweite Runde in geschlossenen Hallen nachzulegen?

Ihre aktuelle Konzertreise führt Dave Gahan, Martin Gore und Co. dabei auch in die randvolle Mannheimer SAP Arena, in deren Innerem sie ein überaus positiv gestimmtes Publikum aus dem Rhein-Neckar-Gebiet bereits sehnsüchtig erwartet.

Drei Chinesen ohne Kontrabass

Bevor Depeche Mode sich ihren Fans jedoch zeigen, erhalten die Zuschauer erst einmal einen Blick auf Re-TROS aus Peking. Das Trio aus dem Reich der Mitte begleitet die britischen Veteranen bei ihren Shows auf dem europäischen Kontinent.

Mit ihrer eigenwilligen, aber überzeugenden Interpretation des Post-Punks erzeugen sie keine geringe Resonanz im Rund der SAP Arena. Gekonnt fusionieren die drei Chinesen elektronische und perkussive Elemente mit bratzigen Gitarren und exotisch anmutendem Singsang zu einer krachenden Melange.

Wasser auf die Mühlen

Nach der Verabschiedung der drei Post-Punker aus Fernost folgt zunächst ein Spot, mit dem Depeche Mode auf ihr gemeinsames Hilfsprojekt mit dem Uhrenhersteller Hublot verweisen und zeigen, wie viele Brunnen in (wasser)armen Gegenden durch diese Initiative bereits entstanden sind.

Der Kurzfilm wird wohlwollend aufgenommen, zeigt er doch die soziale Ader der inzwischen zur Klasse der Spitzenverdiener zählenden Pophelden. Zudem unterbrechen die bewegten und bewegenden Bilder die leicht monotonen Technobeats, die im Verlauf der Umbauphase aus den Boxen dröhnen.

Vorwärts immer, rückwärts nimmer?

Als schließlich "Revolution" von den Beatles gefolgt von Depeche Modes eigenem Instrumental "Cover Me (Alt Out)" direkt hintereinander vom Band erklingen, bricht in der Halle Jubel aus. Auf der noch lichtarmen Bühne tut sich langsam etwas, wie auch die animierten Schritte auf der Videoleinwand signalisieren.

Peu à peu treten die fünf Synth-Fetischisten aus der Dunkelheit zu den Klängen von "Going Backwards" hervor – allen voran Frontmann Gahan, der sich zunächst oberhalb der restlichen Band positioniert, nur um schlussendlich zappelnd und Pirouetten drehend vor ihnen aufzutauchen.

Es gibt nichts Gutes, außer…

Nachdem mit dem Opener der neuen Platte gleich in mehrfacher Hinsicht der "Spirit" des Abends etabliert worden ist, legen Depeche Mode eine Schippe Klassiker hinterher.

Die Superstars von der Insel konzentrieren sich bis auf wenige Ausnahmen wohlweislich auf ihre beste Phase zwischen 1986 und 1998. Das "Ultra"-Album darf den Anfang machen. Mit "It’s No Good" und "Barrel Of A Gun" servieren die Briten einen Doppelschlag der beiden Megahits der Scheibe.

Immer schön durchmischen

Für manche angestammten Depeche Mode-Fans mag sich die Setlist auf den aktuellen Konzerten einmal mehr etwas zu sehr an den größten Erfolgen orientieren.

Dennoch hat das live um Drummer Christian Eigner und Keyboarder Peter Gordeno erweiterte Trio aus Martin Gore, Dave Gahan und Andrew Fletcher das Programm seit den Stadionkonzerten schon an etlichen Stellen durchgeschüttelt. Weichen mussten unter anderem "I Feel You" und "A Question Of Lust". Dass bei den aktuellen Shows dafür Songs wie “Precious“ zu hören sind, tut der Stimmung aber keinen Abbruch, sondern hilft eher.

Intensive Augenblicke

Obligatorisches wie “World In My Eyes“ darf dabei natürlich nicht auf der Strecke bleiben. Als sich die Band bis zu diesem Stück vorgehangelt hat, ist die groß angelegte Party in der SAP Arena bereits in vollem Gange.

In der gesamten Halle herrscht gigantische Euphorie, die noch von Gahans markanten Bewegungen wie einem Griff in seinen eigenen Schritt verstärkt wird. Bei "Cover Me" zeigt sich der Frontmann großzügig und volksnah. Er begibt sich in Windeseile ans vordere Ende des Laufstegs, um zu posieren, niederzuknien und den ihn vergötternden Fans die Hand zu reichen.

Es geht auch ohne Dave

Im Anschluss benötigt selbst der größte Zappelphilipp eine kleine Auszeit. Dave Gahan erholt sich dadurch, dass Mastermind Martin Gore nun selbst zum Mikrofon greift und zwei Nummern anstimmt. Bei "Sister Of Night" wird er bloß von Gordeno am Klavier begleitet und erhält riesigen Applaus, als er schließlich zum Gesang ansetzt.

Bei "Home" lässt sich der Blondschopf am vorderen Ende der Bühne mit der Gitarre in der Hand abfeiern. Weite Teile der Zuschauer auf den Tribünen stehen bereits, und durch die SAP Arena hallen minutenlange Fangesänge in Form des Hauptriffs des Stückes.

Open-Air-Atmosphäre

Wer immer glaubte, dass derartige Phänomene Stadionkonzerten vorbehalten wären, wird jetzt eines Besseren belehrt. Die beiden Live-Unterstützer Eigner und Gordeno greifen die Melodie des Publikums auf und unterfüttern sie mit Schlagzeug und Synthesizer.

Als Dave Gahan nach seiner kurzen Verschnaufpause schließlich wieder vor die Zuschauer tritt, sieht er dem spektakulären Treiben vor seinen Augen amüsiert zu, bevor er für das vom Video eines in einem Loft tanzenden Paares begleitete "In Your Room" die Fäden des Marionettenspielers dann erneut selbst in die Hand nimmt.

Mit Knalleffekt

Ab diesem Zeitpunkt kennt der Enthusiasmus des sowieso schon durch und durch euphorischen Mannheimer Publikums keine Grenzen mehr, denn Depeche Mode brennen in der zweiten Hälfte ein Hit-Feuerwerk ab, das die SAP Arena zumindest im sprichwörtlichen Sinne in Flammen stehen lässt.

Bei der aktuellen Erfolgssingle "Where’s The Revolution" stolziert Gahan zum wiederholten Male zwischen den beiden Videoscreens oberhalb der restlichen Band herum und sorgt damit für eine Jubelorgie, die auch bei dem von blauem Nebel eingeleiteten "Everything Counts" nicht enden will.

So schön kann (nicht vorhandene) Stille sein

Wiederum halten die Zuschauer den Song nach dessen eigentlichen Ende am Leben. Gahan läuft nach ganz vorne und hält das Publikum mit Hilfe eines stampfenden Drumbeats zu einer Fortsetzung der Gesänge an. Diese gehen schlussendlich in einer stimmungsvollen Version von "Enjoy The Silence" auf, das mit einem Schlagzeug- sowie Synthesizersolo in der Mitte angereichert ist. Dass die Fans beim das reguläre Set abschließenden "Never Let Me Down Again" die Arme nach oben reißen, erscheint nur logisch.

Schuster, bleib…?

Gewöhnungsbedürftig erscheint in diesem Kontext zwischen den energiegeladenen Hits lediglich die von Gore gesungene Akustikversion von "Judas", die als erste Zugabe wie eine Vollbremsung inmitten des rund um das Stück vorgelegten Höllentempos wirkt. Die Klavierballade kommt an sich nicht schlecht, wirkt aber bei aller Euphorie der Fans vor "Walking In My Shoes" und dem rockigen “A Question Of Time“ fehl am Platz.

Von Judas zu Jesus

Nach über zwei Stunden Spielzeit sagen Depeche Mode schließlich mit dem zu erwartenden "Personal Jesus" ihren Mannheimer Zuschauern Adieu. Auch über dreieinhalb Jahrzehnte nach ihrem ersten Erfolg "Just Can’t Get Enough" sind die Briten weiterhin absolute Superstars und sind in der SAP Arena dem ihnen vorauseilenden Ruf erneut gerecht geworden.

Das Publikum egal welcher Altersklasse scheint von ihnen weiterhin nicht genug bekommen zu können – und wird am Ende des Abends nach vielen Tänzen und Gesängen auf den Rängen gut durchblutet zurück in die winterliche Kälte entlassen.

Setlist

Going Backwards / It’s No Good / Barrel Of A Gun / A Pain That I’m Used To / Useless / Precious / World In My Eyes / Cover Me / Sister Of Night / Home / In Your Room / Where’s The Revolution / Everything Counts / Stripped / Enjoy The Silence / Never Let Me Down Again // Judas / Walking In My Shoes / A Question Of Time / Personal Jesus

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