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Chris Rea (live in Mannheim 2017) © Rudi Brand

Chris Rea zeigt sich bei seinem gestrigen Auftritt in Mannheim in bester körperlicher und musikalischer Verfassung und lockt sein Publikum im ausverkauften Rosengarten gerade im Schlussteil aus der Reserve.

Es bedarf schon einer besonderen Kämpfernatur, um Schicksalsschläge wie den im Jahr 2000 diagnostizierten Bauchspeicheldrüsenkrebs und einen Schlaganfall im letzten Jahr so wegzustecken, wie es Chris Rea tat.

Stehaufmännchen

Während der erfolgreichen Krebsbehandlung entdeckte der 66-jährige britische Musiker seine Liebe zum Blues wieder, die ihm einen zweiten Karriereabschnitt jenseits der Charts bescherte, vor allem aber persönlich einer Katharsis gleichkam.

Nach dem Rückzug von der Livebühne im Jahr 2006, der Rückkehr im Jahr 2010 und dem Schicksalsschlag des letzten Jahres kommt er nun mit neuer Platte "Road Songs For Lovers" im Fokus wieder auf Tournee und spielt live quasi als Therapie, um wieder ins Leben zurückzukehren.

Blue Guitars und neue Blues Songs

Der Rosengarten ist bestens gefüllt, als Rea mit seinen 5 Begleitmusikern unter größtmöglichem Applaus die Bühne betritt, die sein Lebensmotto "Blue Guitars" eindrucksvoll und dekorativ in verschieden großen Motiven wiederspiegelt. Mit "The Last Open Road" spielt sich die Band erhaben und majestätisch in den Konzertabend und Jubel brandet auf, als Rea zum ersten Mal die Slidegitarre laut aufheulen lässt.

Die 2 nachfolgenden Kostproben vom neuen Album zeigen sehr gut, wie der Ex-Popstar im Jahr 2017 funktioniert. "Happy On The Road" zelebriert wieder den Blues und "Nothing Left Behind" ist eine jener "Tränenzieher", die der Mann aus Middlesborough immer noch mit viel Herz und Seele auf die Bühnenbretter bringt. Die beiden Keyboarder bauen dazu atmosphärische Klangteppiche wie in den 90ern.

Der Bühnenarbeiter Chris Rea

Es ist wirklich schön zu sehen, wie sich Rea bei seiner gut hundertminütigen Darbietung immer noch mit allem, was er hat, in seine Songs wirft und mit seinen markanten Gitarren-Solis Akzente setzt. Ob er nun wie bei "Stony Road" unbeholfen den steinigen Weg entlangtänzelt, viele seiner Songs mit Gesten fast lautmalerisch unterlegt – er bleibt ein ehrlicher Musiker, der seine Stücke lebt. Rea wirkt in Jeans und T-Shirt wie ein Arbeiter: fit und bodenständig.

Die Gesten an sein Publikum sind voller Liebe und Dank; Ansprachen finden allerdings überhaupt nicht statt. Er sagt es alles in seinen Liedern, welche die Straße als Weg mit allen Hindernissen und Freuden immer wieder als zentrales Leitmotiv aufnehmen. Im Interview sagte der Brite kürzlich, er sei so voller Tatendrang, dass er mehrmals im Jahr Platten aufnehmen könne.

Auch die Hits fehlen nicht

Bei seinem frühen Radiohit "Josephine" brandet großer Beifall auf. Das Stück, das er 1985 zur Geburt seiner Tochter schrieb, hat immer noch die entspannten Easy-Listening-Licks, den traumwandlerischen Break und wird vom Protagonisten textlich um die späteren Lebenserfahrungen der nicht mehr ganz so kleinen und süßen Tochter erweitert. Sehr pointiert.

Auch bei der Darbietung seines letzten Hits "Julia" vom "Espresso Logic" Album aus dem Jahr 1993 und "Looking For The Summer" ist die Publikumsresonanz riesig. Man hört diese Stücke immer noch gerne und sie sind aus dem Formatradio nicht mehr wegzudenken.

Wunderbar ruhige Momente

Ansonsten unterbricht Rea während des Gigs sein enges Blueskorsett nur für 2 musicalartige Scheinwerfermomente, bei denen er ohne Gitarre mit seiner immer noch intakten, sonoren Stimme für Gänsehaut sorgt. 

Sowohl "Two Lost Souls" als auch das reduzierte "Stainsby Girls" vom 89er Auberge-Album geraten in ihrer Darbietung zu Highlights der Show. "'Till The Morning Light Shines On My Love And Me" interpretiert die hervorragende Band obendrein sogar fast schon folkig.

Furioses Finale

"The Road to Hell I & II" bilden den Abschluss des regulären Sets und dieser sägende Bluesriff aus dem Jahr 1991 hat gerade heute nichts von seiner Dringlichkeit verloren. Die Dinge, die Rea als Bestandsaufnahme neun Jahre vor dem Millennium auflistete, sind immer noch nicht in Ordnung gebracht. Im Gegenteil, die Welt steht noch mehr am Abgrund als damals. Musikalisch läuft die Band hier zur Hochform auf und die Wucht dieses Stückes ist bis heute immer noch faszinierend.

Bei den Zugaben steht mittlerweile der ganze Saal und Rea spielt tiefenentspannt "On The Beach". Die Originalversion wird live herrlich zerdehnt und dazu genutzt Steely Dan und dem verstobenen Walter Becker Tribut zu zollen. Während des Jams stellt Rea Teile der Band vor und schließt dann den Abend mit einem beschwingten "Let’s Dance" ab.

Jetzt ist der ganze Rosengarten am schwoofen und Reas Gitarre treibt immer wieder unnachahmlich und viel wuchtiger als in der 87er Studioversion den Shuffle nach vorne. Ein krönender Abschluss und ein wunderbares Lebenszeichen des zähen Briten, dessen Auftritte wie Medizin für ihn sind. Behandlung geglückt – Patient lebt!

Setlist

The Last Open Road / Happy On The Road / Nothing Left Behind / Josephine / Easy Rider / Two Lost Souls / Julia / Money / Looking For The Summer / Stony Road / 'Til the Morning Sun Shines On My Love And Me / The Road Ahead / Stainsby Girls / The Road to Hell (Part 1) / The Road To Hell (Part 2) / On The Beach / Let's Dance

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