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Robbie Williams (live in Frankfurt 2017) © Rudi Brand

Zusammen mit seinen Special Guests von Erasure unterhält Robbie Williams ein euphorisches Publikum in der Frankfurter Commerzbank-Arena auf hohem Niveau – bis seine Show nach etwas über anderthalb Stunden Spielzeit inklusive Zugaben leicht antiklimaktisch endet.

Robbie Williams ist ein Phänomen. Einst ein gefeierter Boygroup-Star, zählt er seit nunmehr zwei Jahrzehnten zu den erfolgreichsten Solokünstlern weltweit. Da gehört es zum guten Ton, mit der aktuellen Platte “The Heavy Entertainment Show“ im Gepäck auf Stadiontour durch Europa zu gehen.

Einer der Spielorte an einem der heißesten Tage des Jahres 2017 ist die Frankfurter Commerzbank-Arena, die trotz der hohen Temperaturen zahlreiche Zuschauer anzieht.

Legendäre Eröffnung

Die britischen Synth Pop-Legenden Erasure eröffnen den Abend mit leichter Verspätung, kompensieren das aber durch umso mehr Energie und die deutschsprachigen Ansagen von Frontmann Andy Bell. "Ist es heiß genug hier?", fragt die Stimme des Duos, nur um dann sich seiner Hose zu entledigen, weil er ja gerade aus dem Schwimmbad gekommen sei.

Ansonsten arbeiten sich die durch zwei Backgroundsängerinnen unterstützten Engländer um Depeche Mode-Gründungsmitglied Vince Clarke etwa eine Dreiviertelstunde lang durch den zu erwartenden Katalog aus Hits wie "Victim Of Love", "Sometimes" und "A Little Respect". Das Publikum nimmt die gelungene Performance von Erasure sehr wohlwollend zur Kenntnis – sofern es denn bereits anwesend ist. Die Ränge und der Innenraum der Arena füllen sich nämlich sehr zögerlich.

Augenzwinkernde Unterhaltung

Pünktlich zum Auftritt von Williams sieht die Sache schon etwas anders aus. Inzwischen sind deutlich mehr Leute im Stadion und werden von Eminems "Lose Yourself" sowie der auf "Land Of Hope & Glory" basierenden Hymne des Stars, "God Bless Our Robbie", begrüßt. "Bescheidenheit ist eine Zier, doch besser lebt man ohne ihr" – allen Augenzwinkerns und einer gewissen Selbstironie zum Trotz trifft dies auf Williams sicher zu. Seine überlebensgroßen Umrisse links und rechts der Bühne zeugen davon.

Die bekommen als Videoleinwände dann auch direkt Arbeit, als der 43-jährige mitsamt seiner Begleitband und einiger Sängerinnen zu den Klängen von "The Heavy Entertainment Show" vor sein Publikum tritt und mit einem inspirierten "Let Me Entertain You" gleich noch eine weitere Schippe drauflegen. Robbie präsentiert sich dabei gleich bester Dinge und albert mit dem Publikum herum. "Was ist das? Das ist scheiße!", lässt er seinem Unmut freien Luft, als die Band "YMCA" in "Monsoon" anspielt.

Zeitgenössisches Entertainment

Bei jedem Wort klebt das Publikum an seinen Lippen. Mit jeder Geste hat er die Zuschauer fest in seiner Hand. Williams ist eben ein Entertainer im besten Sinne, eine Art moderner Version von Frank Sinatra und Co. – nur, dass er statt Anzug und Fliege optisch lieber tätowiert und in einem mit dem Union Jack verzierten Kilt daherkommt. Beinahe mühelos schafft er in diesem Aufzug bereits in der Anfangsphase des Konzerts den Spagat zwischen Rock und Pop auf der einen und Swing auf der anderen Seite.

Für eine solche Performance bedarf es einer gehörigen Spur an Selbstbewusstsein, aber daran mangelt es Robbie nicht. So traut er sich gleich als fünfte Nummer an das aus "Blues Brothers" bekannte "Minnie The Moocher". Ganz an den unsterblichen Cab Calloway reicht Williams‘ Darbietung nicht heran, seine Version funktioniert im Kontext dennoch vorzüglich – ebenso wie seine erste Solo-Single, das George Michael-Cover "Freedom ‘90".

Vom Boy Wonder zum Superstar

Irgendwie vermag man es auch nach all den Jahren kaum zu glauben, dass da das ehemalige Mitglied der Boygroup Take That vor einem steht, das einst wegen seines exzessiven Lebensstils aus der Band geworfen wurde und trotz allem als Einziger des früheren Quintetts eine erfolgreiche Karriere abseits davon startete. Take That kommen aber an diesem Abend allenfalls ganz kurz vor, als die weiblichen Fans "Back For Good" anstimmen und Robbie es später als Teil eines kurzen A capella-Medleys erneut aufgreift.

Williams konzentriert sich stattdessen lieber auf seine eigenen Stücke wie "Party Like A Russian", das er komplett mit Flammen und Konfettikanonen von einem knallbunten Sofa aus zum Besten gibt, und schon fliegen im speziell die Frauenherzen im Stadionrund zu. Dass er sich seit seinen ersten riesigen Erfolgen auch persönlich verändert hat, wird aber dennoch deutlich, als er im Zuge von dem ihnen gewidmeten "Love My Life" von seinen Kindern berichtet, die ihn im Fernsehen lieber ignorieren würden.

Familienmensch mit Aura

Robbie präsentiert sich allerdings auch hierbei als Entertainment-Schwergewicht: Er schwebt in einem riesigen, an einem Kran montierten Boxhandschuh über den vorderen Teil der Zuschauer, gibt sich aber später wieder als Familienmensch. Für das Neil Diamond-Cover "Sweet Caroline" ruft er seinen Vater Pete Conway auf die Bühne, setzt sich dort gemeinsam mit ihm auf ein Sofa und lässt sich für diese – zugegebenermaßen etwas unerwartete – Einlage von der Menge frenetisch bejubeln.

Als Williams das Publikum im Rahmen des sich durch drei Jahrzehnte ziehenden A-capella-Medleys zu einem direkten Lautstärkevergleich mit den bisherigen Spielstätten Berlin, Düsseldorf und Köln herausfordert, wird am 70. Geburtstag der Gitarrenlegende Brian May erneut deutlich, warum Robbie Anfang der 2000er immer wieder als neuer Frontmann für Queen im Gespräch war. Er mag zwar nicht Freddie Mercury sein, aber über die nötige Aura und Bühnenpräsenz verfügt er.

Stimmungsschwankungen

Nicht alles gelingt an diesem Abend allerdings so gut wie "Millennium", bei dem fast sämtliche Hände in der Commerzbank-Arena in die Höhe gehen. Das zwischenzeitliche "Rudebox" mit seinen 8-Bit-Animationen im Stil der 1980er Jahre kommt dagegen als echter Stimmungskiller herüber und wird erst vom direkt anschließenden "Kids" gerettet. Auf diese älteren Stücke konzentriert sich Robbie Williams an diesem Abend weitgehend, und das der Resonanz nach zu schließen auch völlig zurecht.

Eines davon ist das swingende Sinatra-Cover "Somethin' Stupid", für das er sich Unterstützung aus dem Publikum holt. Eine brünette junge Dame aus Heilbronn aus der Menge darf ihn mit einer "magic singing mask", die alles andere als weiblich klingende Töne von sich gibt, auf der Bühne unterstützen. Ganz so ernst nimmt sich Williams also nicht.

Schlussspurt mit Kassenschlagern

Den restlichen Abend widmet sich Robbie seinen größten Hits, wie beispielsweise dem mit Lasershow und zahlreichen im Rund nach oben gehenden Handys als Feuerzeugersatz begleiteten "Feel", an das ein umjubeltes "Rock DJ" anschließt. Danach verabschieden sich der Star und seine illustre Begleittruppe um Drummer Karl Brazil von der Bühne – nach gerade einmal knapp 80, wenn auch sehr guten Minuten, bei denen immerhin der Stadionsound für Frankfurter Verhältnisse soweit stimmig war.

Als Williams dann wieder zurückkehrt, übernehmen er und die Band kurzzeitig die "Seven Nation Army"-Chöre der Zuschauer, nur um dann gleich zum sehr viel ruhigeren und emotionaleren "She’s The One" als erster Zugabe überzugehen, an deren Ende sich Robbie vor seinem Publikum verbeugt und auf die Knie geht. Das ist wahrscheinlich genau die Art von Interaktion, die seine Fans so lieben: Der Superstar, der sich – trotz zeitweise verwendeten Gehstocks – auch für solche Momente nicht zu schade ist.

K.o.- statt Punktsieg

Das folgende "Angels" sorgt nicht nur dank der Laserstrahlen und Pyrosalven, die während des Gitarrensolos von Tom Longworth nach oben steigen, selbst bei Robbie-Kritikern für Gänsehaut. Doch dann ist das Vergnügen schon vorbei. Die Band verabschiedet sich, und nur Williams und sein musikalischer Leiter Guy Chambers am Klavier kehren für ein abschließendes, kurzes Cover des durch Sinatra bekanntgewordenen "My Way" zurück. Dann ist das Konzert nach knapp 95 Minuten beendet.

Es scheint beinahe so, als wäre dem Entertainment-Schwergewicht nach einem furiosen Auftakt gegen Ende hinaus die Puste ausgegangen. So bleibt am Ende auch ein zwiespältiger Eindruck, da etwas über anderthalb Stunden Spielzeit für eine Stadionshow doch etwas mau und gleichzeitig eine verpasste Chance ist. Robbie Williams hat schließlich hinreichend Material, um locker zwei Stunden und mehr zu füllen, wie dies diverse seiner Kollegen in der Commerzbank-Arena in den letzten Jahren getan haben.

Wo sind beispielsweise "Supreme", "Mr. Bojangles" oder "The Road To Mandalay" geblieben, die man eigentlich in einem solchen Kontext erwartet hätte? Was am Ende bleibt, ist eine über weite Strecken grandiose Performance, die allerdings durch ihre geringe Dauer einen leicht bitteren Nachgeschmack im Abgang hinterlässt. Nicht immer liegt in der Kürze nämlich die Würze.

Setlist

God Bless Our Robbie [Tape-Intro] / The Heavy Entertainment Show / Let Me Entertain You / Monsoon / Party Like A Russian / Minnie The Moocher / Freedom ’90 / Love My Life / A-capella-Medley (Livin’ On A Prayer/Rehab/The Best/Kiss/U Can’t Touch This/Don’t You Want Me/Stayin’ Alive/Candy/Here Comes The Hotstepper/You’re The One That I Want/Back For Good) / Come Undone / Millennium / Somethin’ Stupid / Rudebox / Kids / Sweet Caroline / Feel / Rock DJ // She’s The One / Angels / My Way

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