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Sting (live in Wiesbaden, 2016) © Saron Duchardt

Trockenes Wetter, ein prall gefülltes Bowling Green, prima Stimmung - die Rahmenbedingungen für Stings Konzert in Wiesbaden sind ideal. Das Konzert selbst kann die Erwartungen nicht erfüllen, denn der Engländer macht es sich selbst und seinem Publikum zu leicht.

Nachdem die langen Einlasskontrollen und lange Schlangen am Bierstand beim Konzert von David Gilmour für Probleme sorgten, geht dieses Mal alles glatt.

Der Einlass funktioniert effizient, Getränke für das durstige Volk sind auch ausreichend vorhanden und wie schon bei Gilmour ist der Sound auf dem Bowling Green exzellent.

Ein verschenkter Klassiker

Bereits der erste Song des Konzerts von Sting vermittelt einen Eindruck dessen, was die Zuschauer in Wiesbaden erwartet. Es handelt sich um "Every Breath You Take", einen der größten Hits seiner Band The Police und eines seiner bekanntesten Lieder überhaupt.

In der gefälligen Reggae-Version, die Sting und Band spielen, verliert das Lied seinen bedrohlichen Unterton allerdings fast komplett. Als Mitsing-Nummer ist der Song direkt zum Auftakt zudem verschwendet.

Zu lässig, zu entspannt

Der entspannt-lässige Unterton zieht sich durch den gesamten Abend, wodurch viele der frühen Songs von The Police nicht nur ihre Ecken und Kanten, sondern auch ihre eigentliche Aussage verlieren. Schon der Titel von "So Lonely" macht klar, dass nicht eine erfüllte Beziehung das Thema des Liedes ist und auch "Message In A Bottle" handelt nicht von einem Badeurlaub auf den Seychellen. So kommen beide Lieder aber rüber – und das ist bedauerlich.

Fast noch befremdlicher ist die Ausdruckslosigkeit der Liebeslieder, die Sting an diesem Abend singt. "Fields Of Gold" wirkt lieblos runtergesungen, "When We Dance" plätschert so vor sich hin, auch weil Sting den Text vernuschelt und ein wenig desinteressiert wirkt. In manchen Momenten würde man ihn gerne packen, schütteln und ihm zurufen: "Jetzt streng dich doch mal ein bisschen an!"

Eine angedeutete Anspielung

Auch der Vorgriff auf die Tour mit seinem Kollegen und Freund Peter Gabriel vermag nicht zu überzeugen. "Shock The Monkey", eigentlich ein sperriges Lied, kommt viel zu gefällig daher.

Die Idee "Dancing With The Moonlit Knight" von dem 1973er Genesis-Album "Selling England By The Pound" (noch mit Peter Gabriel) zu spielen, hat eigentlich Applaus verdient, aber leider spielen Sting und Band nur die erste Strophe, die bedeutungsvoll mit dem zweimal gesungenen "selling England by the pound" endet.

Verpasste Möglichkeiten

Es ist durchaus denkbar, dass Sting damit auf den "Brexit" anspielen wollte, aber ohne weiteren Kommentar steht dieses Fragment etwas isoliert im Raum. Da wäre es vielleicht doch besser gewesen, das ganze Lied zu spielen, das mit seinen dramatischen Auf- und Abs sicher ein Highlight hätte werden können.

Oder auch nicht, denn seine Band vermag an diesem Abend ebenfalls überraschend wenig Akzente zu setzen. Es gibt eine energetische Version von "Driven To Tears" mit einem langen Violinen-Solo, aber insgesamt bleiben seine Co-Musiker relativ blass. Die Backgroundsängerin fällt nur einmal durch ihren heulenden Gesang bei "Hounds Of Winter" negativ auf.

Auf Autopilot

Es dauert eigentlich bis zur sehr guten und diesmal endlich auch gefühlvollen Version von "Shape Of My Heart" bis das Konzert Fahrt aufnimmt. Dass jeder im Publikum "Englishman In New York" mitsingt, überrascht nicht und auch bei "Every Little Thing" ist die Stimmung glänzend, bevor die lange Version von Roxanne (mit einem Einsprengsel von "Ain't No Sunshine") Stings Potential aufblitzen lässt.

Insgesamt hinterlässt der Abend aber einen zwiespältigen Eindruck. Viele herausragende Sänger und Songwriter beweisen, dass es möglich ist, das Publikum zu unterhalten und gleichzeitig ein musikalisch herausragendes Konzerterlebnis zu bieten. Sting setzt so sehr auf gefällige Publikumsbespaßung, dass jeder künstlerische Anspruch flöten geht. Das hat er nicht nötig – und sein Publikum auch nicht.

Setlist

Every Breath You Take / If I Ever Lose My Faith in You / Mad About You / Driven to Tears / Shock the Monkey / Invisible Sun / Dancing With The Moonlit Knight->Message in a Bottle / Fields of Gold / The Hounds of Winter / So Lonely / When the World Is Running Down, You Make the Best of What's Still Around / Something the Boy Said / When We Dance / Shape of My Heart / Englishman in New York / Every Little Thing She Does Is Magic / Roxanne->Ain't No Sunshine->Roxanne // Desert Rose / Next to You / Fragile

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