Mit zwei fulminanten Konzerten "Auf Schalke" eröffnen Rammstein ihre lang erwartete Stadion-Tour 2019. Wie nicht anders erhofft treibt die kraftvolle Musik und die beeindruckende Pyroshow dem Publikum den Schweiß aus den Poren. Ein Abend voller Brachialität, Lautstärke und Imposanz.

Das zweite Konzert von Rammstein in der Veltins-Arena in Gelsenkirchen beginnt – wie sollte es anders sein – mit einem Knall.

Gerade noch erklang vom Band ein klassisches Orchester mit schallenden Fanfaren, da tritt Schlagzeuger Christoph Schneider aus dem Hintergrund an sein Arbeitsgerät und lässt seine niederfahrenden Sticks in einem Widerhall explodierender Feuerwerkskörper über dem Bühnenbild aufgehen. So erzeugt man Aufmerksamkeit.

Williges Publikum

Nach und nach gesellt sich der Rest der Band dazu und stimmt mit den jeweiligen Instrumenten in "Was ich liebe" ein, das die Faszination der Band mit Depeche Mode erahnen lässt. Till Lindemann, gekleidet im knöchellangen Schlangenlederoptik-Mantel, beschwört gestikulierend die Menge, die sich von Anfang an willig mitreißen lässt.

Gemeinsam mit den Gitarristen Richard Kruspe zur Linken und Paul Landers zur Rechten steht der Sänger und Frontmann auf der vorderen Ebene des Bühnenbildes. Auf der hinteren, emporgehobenen Ebene finden Bassist Oliver Riedel, Keyboarder und Pianist Christian "Flake" Lorenz sowie Drummer Schneider Platz.

Ist das laut!

Im darauffolgenden "Links 2 3 4" kommt das Bühnenbild gleich zur Geltung, auf über riesigen Scheinwerferwänden gezogenen LED-Bildschirmen erscheinen rote Banner mit dem schwarzen Band-Logo, die gemeinsam mit dem marschierend-treibenden Beat nicht zum letzten Mal an diesem Abend militaristische Assoziationen möglich machen. Der Song zeigt jedenfalls seine Wirkung, hier und da bilden sich bereits erste Moshpits.

Musikalisch lassen weder Band noch Technik etwas zu wünschen übrig. Der Sound bricht sich durch die Arena Bahn und ist auch noch in den oberen Rängen gut und klar zu hören – nur eben sehr, sehr laut. Bei einem Rammstein-Konzert ist aber auch nichts anderes zu erwarten.

Das siebte Bandmitglied

Die Band selbst leistet sich keine Schnitzer, sondern spielt treffsicher und zielgenau, ohne dabei unangenehm routiniert zu wirken. Im Zentrum des Geschehens steht wie gewohnt Lindemann, der als Major Domus auch den Großteil der auf die Bühne gekarrten Gerätschaften bedient.

So trägt er zu "Mein Herz brennt" tatsächlich einen Bengalo über der linken Brust, die er – vielleicht auch aus Sicherheitsgründen – in Christus-Pose dem Publikum und der Welt offenbart. Zum neuen Song "Puppe" hingegen schiebt der Sänger gespielt unbeholfen einen überlebensgroßen Kinderwagen vor sich her, dessen Inhalt recht bald in Flammen steht. Feuer als Bühnenelement ist ja ohnehin so etwas wie das siebte Bandmitglied.

Es brennt

Überhaupt, kein Rammstein-Bericht, in dem nicht auch ein paar Worte zur Pyroshow verloren werden. Die findet in Gelsenkirchen nicht nur auf der Bühne selbst statt, sondern auch auf vier auf dem abgedeckten Spielfeld verteilten Säulen.

Sie dienen multifunktional nicht nur als Aufhängung für die Lautsprecher, sondern auch als Ausgangspunkt meterhoher Stichflammen in den durch das geöffnete Hallendach freigelegten Himmel.

Immer auf die Keyboarder

Auf der Bühne selbst wiederum kriegt, wie gewohnt, Keyboarder Flake sein Fett weg, der während "Mein Teil" zunächst im wohlbekannten Kochtopf und dann auch noch außerhalb des schutzgebenden Küchengeräts von einem an eine Artillerie des 1. Weltkriegs erinnernden Flammenwerfer geröstet wird. Dabei haben Keyboarder im Metal ohnehin schon einen schweren Stand.

Es ist aber nicht nur Musik gewordener Brutalismus, den Rammstein auf der Bühne zelebrieren. Die ganze Wucht der Neuen Deutschen Härte funktioniert nur durch den Kontrast, der durch Lieder wie "Diamant" oder "Ohne Dich" zustande kommt. Dank fortgeschrittener Stunde kommen die in die Höhe gereckten Feuerzeuge und Handybildschirme hier besonders zur Geltung.

Kontrovers, aber effektiv

Das ruhige Highlight, wenn man so möchte, ist aber ohne Frage die Piano-Version von "Engel", die Rammstein gemeinsam mit der Vorgruppe Duo Jatekok darbieten. Die französischen Pianistinnen haben das Publikum bereits vierhändig an zwei Klavieren mit einer Performance des Rammstein-Albums "Klavier" auf das folgende Konzert eingestimmt.

Nicht ganz unproblematisch ist die Aufführung von "Deutschland", durch dessen Musikvideo bereits eine Debatte angestoßen wurde. Dem geneigten Antifaschisten kann nicht anders als mulmig werden, wenn über 70.000 Menschen ihre Fäuste zur Liedzeile "Deutschland, Deutschland über allen" in die Höhe recken. Abgesehen davon lassen sich die Live-Qualitäten der ersten Single des neuen Albums nicht von der Hand weisen, oder, um es anders zu formulieren: Das Ding ist ein absolutes Vorzeige-Brett.

Ehrlicher Dank

Mit dem Rammstein-Klassiker "Ich will" endet dann das Konzert nach über zwei Stunden. Wie kein anderes Stück der Band eignet sich das Call-and-response-Lied dazu, die Menge noch ein letztes Mal ebenso anzufachen wie die Pyroshow. Anschließend tosender Applaus und Kniefall der Band vor dem Publikum.

Ein letztes Mal nimmt Lindemann das Mikro zur Hand, um sich zu bedanken und richtet so seine Worte erstmals direkt ans Publikum. Er klingt ungewohnt ohne seinen theatralisch überzogenen Bariton, überraschend ehrlich und aufrichtig dankbar – und zum ersten Mal an diesem Abend ohne jede Szene, ohne jede Inszenierung und ohne jedes Pathos.

Setlist

Was ich liebe / Links 2 3 4 / Sex / Tattoo / Sehnsucht / Zeig dich / Mein Herz brennt / Puppe / Heirate mich / Diamant / Intermezzo: Deutschland im Kruspe-Remix / Deutschland / Radio / Mein Teil / Du hast / Sonne / Ohne dich / Engel (Piano) / Ausländer / Du riechst so gut / Pussy / Rammstein / Ich will

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