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Slayer (live in Stuttgart, 2019) © Dominic Pencz

Mit dem Auftritt von Slayer in der Hanns-Martin-Schleyer-Halle in Stuttgart geht eine Ära zu Ende. Die Thrash-Veteranen begehen das Ende ihrer Live-Karriere in Deutschland mit einem sehr guten Auftritt im womöglich zu großen Rahmen.

Die Menge an alteingesessenen Bands, die dieser Tage ihre Abschiedstourneen spielen ist beinahe schwer zu überblicken, so umfangreich ist sie geworden.

Das liegt natürlich einerseits an Künstlern wie beispielsweise Ozzy Osbourne, die dieses Spiel nun bereits seit mehr als 20 Jahren spielen, aber der geneigte Fan kann nicht umhin, es den Thrash-Legenden Slayer tatsächlich zu glauben.

Zu großer Rahmen?

In der Tat begehen die Kalifornier ihren offiziell letzten Deutschland-Auftritt mit einer Ernsthaftigkeit, die die Band seit zwar jeher auszeichnet, aber der Show auch genau die Endgültigkeit verleiht, die ein solches Event verdient.

Ob eine so große Location wie die Hanns-Martin-Schleyer-Halle dafür jedoch die richtige Wahl war, steht auf einem anderen Blatt. Das Messegelände Balingen, auf dem die Show ursprünglich stattfinden sollte, wäre allerdings noch weitläufiger gewesen.

Das andere Ende der Welt

Gute zwei Stunden jedoch bevor Slayer das Ende ihrer Karriere in Europa einleiten, dürfen zunächst die Neuseeländer von Alien Weaponry zeigen, was sie können. Leider beginnt bereits hier ein Trend, der sich durch den ganzen Abend ziehen wird: Der Sound ist teilweise mehr als fragwürdig.

Dazu kommt, dass das Trio musikalisch mit seinem eher modernen Metal nur begrenzt zu den anderen beiden Bands passt. Zwar wirken Alien Weaponry unheimlich motiviert angesichts der Chance, die ein solcher Support-Slot bietet, aber bis auf vereinzelte positive Reaktionen scheint die Band wenig Eindruck beim Publikum zu hinterlassen.

Unter den Lebenden

Von den Jungspunden geht der Sprung mehr oder weniger direkt zu den Veteranen. Den meisten Anwesenden ist klar, was sie von Anthrax erwarten können. Nichtsdestotrotz verblüfft die wahnsinnige Energie des Quintetts um Gitarrist Scott Ian.

In den Rängen der sogenannten Big Four, bestehend aus Metallica, Megadeth, Slayer und eben Anthrax standen letztere seit jeher für die unernste Seite des Thrash Metal. Das bedeutet aber nicht, dass die Band nicht vollkommen professionell auftritt – doch im Vergleich zum heutigen Headliner herrscht eine vollkommen beabsichtigte Party-Stimmung vor.

50 Minuten Vollgas

Anthrax nutzen wie bei ihnen aktuell üblich den Iron Maiden-Klassiker "The Number of the Beast" als Intro und spielen anschließend als Tribut an die beiden verstorbenen Abbott-Brüder den Pantera-Song "Cowboys from Hell" an, bevor es schließlich mit "Caught in a Mosh" richtig losgeht. Manko ist leider auch hier der Sound, der durchgehend sehr dumpf bleibt.

Grundsätzlich konzentriert sich die Band vor allem auf ihr klassisches Material, mit "In the End" findet sich gerade mal ein Song aus dem 21. Jahrhundert in der Setlist. Den Besuchern scheint genau das recht zu sein und entsprechend positiv sind die Reaktionen als die Show nach gut 50 Minuten mit "Antisocial" und "Indians" endet.

Der Anfang vom Ende

Auch wenn Anthrax beim Stuttgarter Publikum sehr gut ankommen, ist schon beim Erscheinen mehrerer projizierter Slayer-Logos auf dem Vorhang vollkommen spürbar, wieso die Fans heute gekommen sind.

Leider bleiben auch Slayer selbst nicht von Soundproblemen verschont. So gehen der Opener "Repentless" und der anschließende Uralt-Klassiker "Evil Has No Boundaries" im Soundmatsch unter.

Die Stimmung steigt

Ab dem dritten Song "World Painted Blood" ist der Klang merklich besser und das zeichnet sich auch in den euphorischen Publikumsreaktionen ab. Den ersten Stimmungshöhepunkt stellt schließlich "War Ensemble" dar, vor dem Tom Araya sich auch wie üblich zu einer Ansage hinreißen lässt.

Ansonsten wirken Slayer wie gewohnt etwas distanziert, was aber live auch seit jeher ihren Reiz ausmacht. Es geht eben nicht um Party wie beispielsweise bei Anthrax, sondern um Ausstrahlung, Atmosphäre und eine gewisse Düsternis.

Ein mögliches Problem

Genau diese Distanziertheit wird bei der Größe der Halle jedoch zum Problem. Wo eine energetische Show wie die von Anthrax dafür ausgelegt ist, eine gesamte Halle mitzureißen, schaffen Slayer das nicht über die gesamte Spieldauer. Und so zeigt sich, dass die Musik und das Auftreten der Band vielleicht nie für diese Hallengröße ausgelegt war.

Das heißt mitnichten, dass sich die Band keine Mühe gibt. Tom Araya ist äußert motiviert und gut bei Stimme und Gary Holt macht der Energie von Anthrax durchaus Konkurrenz. Der einzige musikalische Schwachpunkt ist Drummer Paul Bostaph.

Wer seine Arbeit mit Forbidden kennt, weiß, dass er ein technisch versierter Schlagzeuger ist. Leider fehlt ihm die Leichtigkeit und das Besondere, das seinen Vorgänger Dave Lombardo ausmacht.

Ein Querschnitt durch die Karriere

An der Setlist gibt es kaum etwas auszusetzen. Außer "Diabolus in Musica" und "Christ Illusion" ist jedes Album vertreten. Größte Überraschung im Set ist sicherlich "Gemini", die einzige Eigenkomposition auf dem Coveralbum "Undisputed Attitude". Davon abgesehen spielen sich Slayer durch eine Auswahl absoluter Klassiker.

Der Fokus liegt mit fünf Songs eindeutig auf "Seasons in the Abyss". Hier jedoch ist die Songauswahl etwas dürftig und die Band hätte statt den etwas beliebigen "Temptation" und "Born of Fire" lieber selten Gespieltes wie beispielsweise "The Final Command" oder "Behind the Crooked Cross" ausgraben dürfen.

Als Highlights stechen oft tatsächlich abwechslungsreiche Songs wie "Seasons in the Abyss" oder "Hell Awaits" hervor, wobei besonders die schiere Macht des letzteren immer wieder zu beeindrucken weiß.

Insgesamt ein gelungener Abschied

Wenn schließlich die ersten Töne von "South of Heaven" erklingen, weiß man, dass eine große Band kurz vor ihrem Abschied steht. Möglicherweise feiern Slayer diesen ein paar Jahre zu spät und deshalb ohne den verstorbenen Jeff Hanneman, möglicherweise feiern sie ihn im zu großen Rahmen, aber sie feiern ihn gebührend.

Nachdem Slayer schließlich mit "Raining Blood", "Black Magic" und"Dead Skin Mask" noch einmal tief in die Klassikerkiste greifen, ertönt das Stück, das seit langen Jahren jedes Slayer-Konzert beendet. Und so beenden Slayer auch ihre Historie in Deutschland mit dem irgendwie immer noch kontroversen, aber unbestreitbar ikonischen "Angel of Death".

Es war kein perfekter Abend, aber es soll kein zu negativer Eindruck entstehen, denn im Großen und Ganzen konnten Slayer noch einmal zeigen, wieso sie zu den wichtigsten Bands der Szene gehören. Sie werden fehlen.

Setlist Slayer

Repentless / Evil Has No Boundaries / World Painted Blood / Postmortem / Hate Worldwide / War Ensemble / Gemini / Disciple / Mandatory Suicide / Chemical Warfare / Payback / Temptation / Born of Fire / Seasons in the Abyss / Hell Awaits / South of Heaven / Raining Blood / Black Magic / Dead Skin Mask / Angel of Death

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