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The Specials (live in Hamburg, 2019) © Falk Simon

The Specials haben der Musikwelt ein ganz besonderes Vermächtnis hinterlassen. Es bedeutet aber nicht, dass sich die Band nicht im Hier und Jetzt bewegt, was sich auch bei ihrem Konzert in der ausverkauften Großen Freiheit 36 in Hamburg zeigt.

Terry Hall ist nicht gerade für euphorische Gefühlsausbrüche bekannt. Zumindest sieht man sie ihm nicht an. "Ich bin fast 60, man lernt, seine Gefühle zu kontrollieren, realistisch zu sein", sagte er kürzlich.

Als The Specials um 22:45 Uhr ihren letzten Song gespielt und die Kollegen die Bühne bereits verlassen haben, steht Hall aber plötzlich tief bewegt am Bühnenrand, klopft sich auf die Brust und wirft den Zuschauern ein "Love, Love, Love" entgegen.

Besondere Umstände

Keine Frage: Es ist eine besondere Tournee für die Band aus Coventry. Mit "Encore" präsentieren sie das erste Mal nach 38 Jahren wieder ein neues gemeinsames Album, das zudem von Kritik und Publikum gleichermaßen gefeiert wurde. Die meisten Europa-Shows sind lange ausverkauft. So auch Hamburg.

Das Publikum in der kochend heißen Großen Freiheit ist überwiegend mit der Band gealtert. Punks, Teds, Natty Dreads, Mods, Rocker, Hippies und Skinheads: Damals wie heute vereinen die Specials die verschiedensten Subkulturen. Aber auch 20-jährige sind mit dabei, die vielleicht erst mit der neuen Platte auf die Band aufmerksam wurden.

Neue Facetten

Um 21 Uhr fällt der schwarze Vorhang und Lynval Goldings "Warning Warning Nuclear Attack" kündigt "Man at C&A" an. Die Halle ist sofort da. Der Sound ist von Beginn an brillant. "Guten Abend, meine Damen und Herren. Wir sind die Specials" liest Hall von einem Zettel ab. Weiter geht’s mit einem etwas tempogedrosselten "Rat Race" und "Do Nothing".

Was gleich deutlich wird: Die Neubesetzung an Drums und Gitarre geben dem Bandsound eine leicht veränderte Farbe. Drummer Kenrick Rowe spielt vorhersehbarer als der dauerquirlige John Bradbury, ist aber ein Präzisionsmonster. Und Neu-Gitarrist Steve Cradocks Soli sind filigran und öffnen neue Seiten im Specials-Kosmos.

Das Set verbindet alte mit neuen Songs, wechselt im Tempo lässt keine Wünsche offen. Auf "Vote for me", der Soundtrack zum Brexit, folgt "Friday Night, Saturday Morning" – und dem psychedelischen Fun Boy Three-Cover "The Lunatics" schicken sie "A Message To You, Rudy" hinterher.

Politische Botschafter

Ein besonderer Höhepunkt ist "10 Commandmets", in dem Saffiyah Khan das Mikro übernimmt. Khan konfrontierte 2017 den Anführer der rechts-extremistischen Gruppierung EDL bei einer Demonstration in Birmingham – und trug dabei ein T-Shirt der Specials.

Nun tourt sie als Botschafterin mit der Band. Überhaupt spielt Politik bei dieser Tour wieder eine zentrale Rolle. Auf der Bühne sind Protestschilder aufgestellt mit Botschaften wie "We sell hope", "Fake Bombs" und "Think".

Tempo im letzten Drittel

Mit dem funkigen "Black Skin Blue Eyed Boys" startet die Band schließlich einen Song-Block, der mit "Do the Dog", "Concrete Jungle", "Monkey Man", "Gangsters" und "Too Much Too Young" die Halle in Brand setzt.

War die erste Hälfte im Tempo noch etwas gedrosselt, zeigen die Specials hier, welche Energie sie noch immer entfachen können. Alleine, was Horace Panter da basst, sucht seinesgleichen. Der Mann treibt die Songs regelrecht vor sich her.

Love, Love, Love

Der Zugabenblock besteht aus "Breaking Point", das die Band in Reih und Glied am vorderen Bühnenrand in Straßenmusikermanier vorträgt und dem immerjungen "Ghost Town". Für ein schwelgerisches "You’re Wondering Now" kommen sie dann noch ein zweites Mal zurück. Danach Love, Love, Love.

Damals habe er die Specials als Underground-Band gesehen. "Unser Vermächtnis wurde aber immer größer und besser", sagte Terry Hall kürzlich in einem Interview. Wie recht er hat: The Specials sind noch immer ein Ereignis, eine mächtige Live-Band. Und heute wichtiger denn je.

Setlist

Man at C&A / Rat Race / Do Nothing / Vote for Me / Friday Night, Saturday Morning / Embarrassed by You / Blank Expression / Doesn't Make It Alright / The Lunatics / Stereotype / 10 Commandments / Nite Klub / Concrete Jungle / Gangsters / Little Bitch / Too Much Too Young / Breaking Point / Ghost Town

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