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Sigur Rós (live in Frankfurt, 2017) © Leonard Kötters

Sigur Rós liefern in der Frankfurter Jahrhunderthalle einen weiteren Beweis für ihre Qualität als Live-Band, bleiben aber weniger musikalisch als atmosphärisch hinter vergangenen Großtaten zurück.

Sigur Rós sind keine Band, die leicht zu entschlüsseln ist. Titel und Texte sind (bestenfalls) auf Isländisch verfasst, eine Sprache, die von weniger als 1 Million Menschen gesprochen wird. Aber selbst Isländer dürften Schwierigkeiten haben, die von Sänger Jonsi erfundene Kunstsprache zu entschlüsseln, in der ein Teil ihres Werks verfasst ist.

Diesmal als Trio

Dennoch gelingt es der Band, ihr Publikum mit ausgedehnten Instrumentalpassagen und Jonsis unnachahmlichen Falsettgesang zu fesseln. Die Musik der Isländer besitzt eine emotionale Tiefe, die schlichtweg überwältigen kann. Nicht umsonst zählen sie zu den besten Livebands der Gegenwart.

In der Frankfurter Jahrhunderthalle traten sie zuletzt vor fast genau vier Jahren auf. Wie damals ist die Halle fast ausverkauft, aber ein neues Album ist seitdem nicht erschienen. Stattdessen hat sich die Live-Inszenierung stark verändert. Streicher und Bläser, die Sigur Rós jahrelang begleiteten, sind diesmal nicht am Start, stattdessen steht das Trio allein auf der Bühne.

Melancholie im ersten Teil

Da zudem das Schlagzeug von Orri Páll Dýrason mit viel Hall fast metallisch erklingt, verliert die Musik etwas von ihrer verzaubernden Wärme, ohne dass sie adäquaten Ersatz dafür gewinnt. Es ist Jammern auf hohem Niveau, aber Sigur Rós fehlt dadurch das Überwältigende, das ganz und gar Einzigartige. Vielleicht ist es vermessen, das immer und immer wieder zu erwarten, aber die Messlatte liegt bei dieser Band eben sehr hoch.

Das Konzert ist in zwei Teile geteilt, beide ungefähr eine Stunde lang. Im ersten Teil dominiert eine melancholische Stimmung, deren Ton gleich zu Beginn durch die wunderschöne Post-Rock-Ballade "Á" angegeben wird. Durch die dramatischen Wendungen von "E-Bow" und "Dauðalagið" kehrt die Band wieder zur Melancholie zurück. Während "Niður" mit einer schönen Melodie überzeugt, gefällt an "Varða" die langsame dramatische Steigerung.

Die Wärme fehlt

Den zweiten Teil eröffnet die Single "Óveður", die mit dem hektisch knackenden Lichteffekten zum Abschluss einen einen eher interessanten als überragenden Eindruck hinterlässt. Mit "Sæglópur" beginnt schließlich ein – wenn man so will – Best-Of-Set, das einen Querschnitt ihrer gesamten Karriere bietet. Gerade zum Schluss mit "Kveikur" und "Popplagið" erschaffen Sigur Rós die für sie so typischen imposanten Soundwände, die sich über dem Publikum auftürmen. 

So eindrucksvoll der Abschluss auch ist, an diesem Abend in der Jahrhunderthalle fehlt die unmittelbare emotionale Wirkung, die Sigur Rós in der Vergangenheit so groß gemacht hat. Es ist kein schlechtes Konzert, aber jeder, der die Band schon einmal erlebt hat, weiß, dass sie es besser können. 

Ein konzentriertes Publikum

Sigur Rós lassen wie meistens keine Nähe aufkommen. Es gibt keinen Plausch mit dem sowieso sehr andächtigen Publikum, keine Berührungen, keine Intimität. Die einzige Ansage macht Jonsi auf Isländisch, als spielte er ein Konzert in seiner Heimat. Allein die Musik mitsamt ihrer visuellen Unterstützung soll Wirkung entfalten. 

Wer die (falsche) Auffassung vertritt, dass vor allem Konzertbesucher jüngeren Alters die ganze Zeit filmen und die Musik als Nebensache betrachten, erlebt bei Sigur Rós ein Gegenbeispiel. Bis in die hintersten und seitlichsten Teile des Kuppelbaus lauschen die Zuschauer konzentriert der Musik. Damit liefern sie einen Beweis für die Großartigkeit des künstlerischen Werks der Isländer – auch an schwächeren Tagen.

Setlist

Á / Ekki Múkk / Glósóli / E-Bow / Dauðalagið / Fljótavík / Niður / Varða // Óveður / Sæglópur / Ný Batterí / Vaka / Festival / Kveikur / Popplagið

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