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Blue October (live in Berlin, 2017) © Christian Grube

Die texanische Alternative-Rockband Blue October gastiert während ihrer Deutschlandtour im Gibson in Frankfurt und spielt dabei ein Konzert mit viel Gefühl und Hingabe.

Manche Musiker machen Musik zur bloßen Unterhaltung: Große Show, große Effekte, gute Stimmung. Doch es gibt andere, für die Musik viel mehr bedeutet, die in ihrer Kunst aufgehen, sich durch sie auszudrücken versuchen. Blue October gehören ganz sicher zu letzterer Kategorie.

Entsprechend lebendig und passioniert ist der Auftritt der Texaner im Frankfurter Gibson. Das Publikum erlebt eine gut aufgelegte Band, die in einem rund eineinhalbstündigen Konzert mit viel Herzblut ihre ganze klangliche Vielfalt aufbietet.

Nach verhaltenem Start bald voll in Fahrt

Dabei beginnt das Konzert eher etwas zögerlich. Um kurz vor 20 Uhr wird es dunkel im Club, das Publikum wartet gebannt. Aus den Lautsprechern tönen wabernde, formlose Sphärenklänge. Ein paar Minuten dauert das Intro, bis schließlich die Band zu den weiterhin eingespielten Klängen die Bühne betritt. Sie werden kräftig beklatscht, aber die Bühne bleibt abgedunkelt. Dann geht es schließlich los, das Scheinwerferlicht geht an. Sänger Justin Furstenfeld trägt eine Sonnenbrille, wirkt dadurch irgendwie distanziert, verschlossen. Den Anfang macht mit "I Want It" ein eher langsamer Song, der nie wirklich in Schwung kommt.

Der Opener geht nahtlos über in die zweite Nummer: "Sway". Der Song sorgt im Publikum schon für etwas mehr Bewegung. Immerhin hat Furstenfeld jetzt die Sonnenbrille abgelegt und erscheint nun präsenter. Aber es fehlt noch immer irgendwie der Antrieb.

Der kommt gleich darauf – und sogar mit Ansage. "I love rock'n'roll", bekundet Furstenfeld nach dem Ende des Songs, "do you love rock'n'roll?" Dann setzen Schlagzeug und Gitarre mit einem charakteristischen Auftakt ein und gleich darauf gibt es kein Halten mehr. Beim rockigen "Say It" tobt die Menge.

Persönlich und nahbar

Mit der nächsten Handvoll Songs sucht Furstenfeld spürbar die Nähe der Fans. Es wird emotionaler, melancholischer. Den vierten Song des Abends, "Light You Up" leitet er mit einer kurzen persönlichen Geschichte ein und verleiht der Nummer so mehr Tiefe. Danach beschreibt er lebhaft ein nächtliches Erlebnis auf einem Schiff bei Vollmond und die Selbstmordgedanken, die ihn dabei ereilten. Die Szene diente ihm als Inspiration für den nächsten Song "Into The Ocean".

Es gelingt dem Sänger offensichtlich, das Publikum in seinen Bann zu ziehen und Empathie zu wecken. Für viele ist wohl genau das besonders reizvoll an der Musik der Band. Den Refrain singt am Ende allein das Publikum. Mit "Fear" folgt ein ermutigender Song, den Furstenfeld ausdrücklich all denen widmet, die "gerade eine harte Zeit durchmachen". Sein Rat: "Was immer euch auf dem Herzen liegt. Lasst es einfach los."

Lichtblicke

Einen sphärischen, instrumental geladenen Exkurs bietet "Debris". Das knapp sechsminütige Stück bildet ein wirkungsvolles Zwischenspiel und einen Übergang zu einer Gruppe Songs mit hellerer Stimmung.

Das lebensfrohe "Home" läutet den positiveren Abschnitt des Konzerts ein und macht im Kontrast zu den vorherigen Stücken deutlich, warum die Band ihren Stil als "Bipolar-Art-Rock" bezeichnet. Es folgt mit "Driver" eine weitere aufbauende, lebensbejahende Nummer. Bei "Bleed Out" geht es dann zwar textlich eher um seelischen Schmerz, klanglich kommt der Song aber eher schwungvoll, fast hymnisch daher.

Daraufhin beweisen Blue October mit "Houston Heights", dass sie auch richtig heavy können und erinnern dabei an frühere Zeiten und Alben, auf denen härtere Songs noch stärker vertreten waren. Durch den live sehr druckvoll stampfenden Bassdrum-Puls und den scharf-kratzigen Gesang liegt die Nummer irgendwo zwischen KoRn und bouncigem Hiphop.

"Coal Makes Diamonds" schlägt als vorläufiger Schlusspunkt wiederum positivere, andächtig-hoffnungsvolle Töne an. Den hymnenhaften, kräftigen Refrain singt das Publikum durchgehend eifrig mit, am Ende a cappella.

Reichhaltige Zugabe

Die Begeisterung des Publikums hält an, nachdem die Band die Bühne verlassen hat, ebenso der Applaus. Die Zugabe beginnt Furstenfeld solo mit Akustikgitarre. Er wechselt zunächst noch ein paar gut gelaunte Worte mit dem Publikum und erzählt unter anderem vom letzten Besuch im Gibson vor acht Jahren und rund 15 Fans (ein paar von ihnen meinte er sogar in der Menge wiederzuerkennen). Den ersten Song der Zugabe, "We Know Where You Go" widmet er seiner Band und Crew. Sein Bruder Jeremy – sonst der Drummer der Band – singt dabei die Backgroundvocals. Zur Begleitung ist außerdem Violinist Ryan Delahoussaye dabei.

Komplettiert wird die umfangreiche Zugabe durch "The Worry List", dem Hit "Hate Me" – bei dem das Publikum noch einmal mit Leib und Seele dabei ist – und einem lautstarken Schluss mit "Leave It In The Dressing Room (Shake It Up)". In den tosenden Applaus hinein ruft Justin Furstenfeld am Ende mehrmals mit Nachdruck das Versprechen "We will be back!", bevor er und die Band von der Bühne verschwinden.

Bestand trotz Wandlung

Blue October hinterlassem in Frankfurt ein mehr als zufriedenes Publikum. Auch wenn man der Musik spätestens auf dem neusten Album die grundlegende Wandlung im Lebensgefühl des Bandleaders Justin Furstenfeld anmerkt, schaffen er und seine Bandkollegen es live nach wie vor, alle Stimmungen und Klangfacetten ihres Œvre überzeugend rüberzubringen.

Dass der Sänger gleichsam als Galionsfigur heraussticht und die übrigen Musiker zeitweise eher wie Statisten erscheinen, ist eigentlich bedauerlich. Aber letztlich lebt die Musik der Band eindeutig von der Inspiration ihres Frontmanns und von der Verbindung, die er mit dem Publikum herzustellen vermag. Das ist ihm auch an diesem Abend gelungen.

Setlist

I Want It // Sway // Say It // Light You Up // Into the Ocean // Fear // Debris // Home // Driver // Bleed Out // Houston Heights // Coal Makes Diamonds

Zugabe: We Know Where You Go // The Worry List // Hate Me // Leave It for the Dressing Room (Shake It Up)

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