Julia Neigel geht in Berufung. Fotostrecke starten

Julia Neigel geht in Berufung. © Christian Barz (Quelle: juleneigelband.de Pressefotos)

Das Urteil des Landgerichts Mannheim im Streit zwischen Julia Neigel und ihren früheren Bandkollegen Axel Schwarz und Andreas Schmid schuf nur eine kurze Atempause. Gestern hat Julia Neigel angekündigt, gegen das Urteil Berufung einzulegen. Nächste Instanz ist das Oberlandesgericht Karlsruhe.

Im Rechtsstreit zwischen Julia Neigel und ihren ehemaligen Bandkollegen geht es um die GEMA-Registrierung von 66 Liedern der Jule Neigel Band. Bei der GEMA ist Julia Neigel von Beginn an als alleinige Textdichterin sowie – in der Mehrheit der Fälle – als anteilige Komponistin registiert, häufig mit einem Anteil von 50%. Nach Darstellung ihres Anwalts Jens Schippmann existiert aber auch eine Minderheit von Liedern, in denen sie überhaupt nicht als Komponistin aufgeführt wird.

Es ist Julia Neigels Ziel, bei den strittigen Titeln nicht nur als alleinige Textdichterin, sondern auch als alleinige Komponistin anerkannt zu werden. Im Fall ihres bekanntesten Hits, Schatten an der Wand, endete der Rechtsstreit 2005 mit einem Vergleich, der Julia Neigel 75% der Kompositionsrechte zusprach.

Julia Neigels Versuch, vor dem Landgericht Mannheim eine vollständige Umregistrierung weiterer 66 Lieder zu erreichen, endete hingegen mit ihrer Niederlage. Gegen dieses Urteil hat sie jetzt Berufung zum Oberlandesgericht Karlsruhe eingelegt.

Schwere Geschütze

Die kürzlich von Julia Neigels Rechtsanwalt Jens Schippmann verbreitete Pressemitteilung fährt gegen das Urteil des Landgerichts Mannheim schwere Geschütze auf (PDF: hier im vollen Wortlaut nachlesen).

Die Pressemitteilung behauptet, das Urteil des Landgerichts Mannheim beruhe "auf einer Häufung schwerwiegender formeller und materieller Rechtsfehler" und befinde sich "erkennbar in Widerspruch […] zu den Gesetzen der Denklogik".

Weiterhin ist zu lesen, die Kammer habe "übersehen", dass alle Vereinbarungen zwischen Julia Neigel und Schwarz/Schmid "sittenwidrig und nichtig" seien, weil Julia Neigel "durch Täuschung" zur Zustimmung gebracht wurde. Das Landgericht hingegen betrachtete die Angelegenheit als "verjährt" bzw. "verfristet", d.h. als erledigt. 

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Täuschung?

Im Widerspruch zur Auffassung des Gerichts behauptet Schippmann, diese Vereinbarungen seien auch ohne ausdrücklichen Widerspruch von Julia Neigel nichtig gewesen. Es bleibt abzuwarten, ob sich das OLG Karlsruhe dieser Interpretation anschließt. Genau das wäre aber die Voraussetzung dafür, die GEMA-Anteile der Kompositionen zwischen den streitenden Parteien neu aufzuteilen.

Darüber hinaus behauptet Schippmann, ihre ehemaligen Bandmitglieder hätten Julia Neigel nicht nur in der Vergangenheit getäuscht, sondern täuschten sie bis in die Gegenwart.

Daraus könnten sich seiner Meinung nach für Schwarz und Schmid strafrechtliche Konsequenzen sowie Schadensersatzansprüche von Julia Neigel gegen ihre ehemaligen Bandmitglieder ergeben.

Widerruf des Vergleichs?

Mehr noch: Auch der 2006 geschlossene Vergleich beider Seiten bezüglich von Schatten an der Wand sei "möglicherweise unwirksam".

Diese Aussagen sind deshalb so bemerkenswert, weil ein vor Gericht geschlossener Vergleich, dessen Widerrufsfrist vor 6 Jahren abgelaufen ist, nur unter sehr speziellen Bedingungen widerrufen werden kann. Dazu zählt zwar beispielsweise auch der Fall, dass eine der Vergleichsparteien arglistig getäuscht wurde, aber aus verschiedenen Gründen erscheint eine solche Wendung der Dinge eher unwahrscheinlich.

Drohgebärden

Die Verhandlung am Landgericht Mannheim konnte bezüglich der 66 weiteren Lieder der Julia Neigel Band, die ganz ähnlich entstanden sind wie Schatten an der Wand, offensichtlich keine Anhaltspunkte für die Unwirksamkeit des "Schatten"-Vergleichs erbringen.

Schippmann erklärt daher, die zukünftigen Aussagen der Beklagten vor dem OLG könnten Anlass bieten, das mit dem Vergleich abgeschlossene Verfahren "vor dem OLG Karlsruhe fortzusetzen." Man fragt sich daher, ob hier eine Drohhaltung aufgebaut werden soll, um die Gegenseite in Unruhe zu versetzen und kompromissbereiter zu machen.

Ein Fall für den Staatsanwalt?

Die Drohung mit strafrechtlichen Konsequenzen für Schwarz und Schmid hätte mehr Biss, wenn es nicht bereits einen Prozess gegeben hätte, in dem Julia Neigel ihren ehemaligen Bandkollegen Schwarz des Betrugs beschuldigte. Das Urteil: Freispruch.

Warum sollte die Staatsanwaltschaft, die nach Angaben von Axel Schwarz schon damals auf Freispruch plädierte, ein neues Verfahren anstrengen?

Ein teurer Streit

Zunächst steht jedoch der zivilrechtliche Berufungsprozess vor dem OLG Karlsruhe an, dessen Ausgang vollkommen ungewiss ist. Verschiedene Faktoren lassen jedoch die Situation von Julia Neigel als nicht sonderlich günstig erscheinen.

Mehr als 20 Jahre und zahlreiche Prozesse später ist es fraglich, ob sich die tatsächlichen oder angeblichen Ungerechtigkeiten vor Gericht stichhaltig beweisen lassen. Im Extremfall müsste für jeden der betroffenen Titel eine musikwissenschaftliche Analyse durchgeführt werden – eine teure und langwierige Angelegenheit.

Kein Schlussstrich unter die Vergangenheit

Eine Einigung zwischen beiden Parteien in Form eines Vergleichs wäre daher vermutlich das Beste. Angesichts der vollkommen zerrütteten Beziehung zwischen Julia Neigel und ihren ehemaligen Bandmitgliedern erscheint das zum jetzigen Zeitpunkt allerdings unwahrscheinlich.

Vor allem aber ist nicht klar, ob Julia Neigels ständige Aufbereitung ihrer Vergangenheit nicht längst zu einer persönlichen Obsession geworden ist. Man hat den Eindruck, als beabsichtige sie die ihr unangenehme Vergangenheit auszulöschen und mit einer besseren Vergangenheit zu ersetzen.

Das kann aber das Rechtssystem nicht leisten.

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