Politisch guter Stil sieht ganz gewiss anders aus. Viel zu spät wurden einige Betroffene über Details der am vergangenen Mittwoch der Öffentlichkeit vorgestellten Pläne informiert. Diese offenbaren eine tiefe Kluft zwischen Kommunal- und Landespolitik einerseits sowie zwischen den neuen Goliaths Stuttgart, Karlsruhe und Freiburg und den neuen Davids Mannheim und Trossingen andererseits. Der weitere Prozess droht zudem auch interne Spannungen unter den Akteuren des Mannheimer Modells hervorzurufen.

Es ist Ihr Geld

Wischen wir kurz die erste Aufregung beiseite und vergegenwärtigen uns die Ausgangslage. Der Rechnungshof, treuer Kumpan steuerbewusster Bürger, erbittet Einsparungen bei den Musikhochschulen des Landes und schlägt eine Lösung vor, die der Rasenmähermethode ziemlich nahe kommt. „Überzeugend und fair“ nennt die Staatliche Hochschule für Musik und Darstellende Kunst Mannheim dieses Finanzierungsmodell.

Beim Landesministerium schlägt dies Papier auf, „gemeinsam mit externen Experten und den Musikhochschulen“ will man jedoch eine alternative Lösung erarbeiten. Der Blick fällt auf Mannheim. Was macht die Lage in dieser Stadt so besonders, das nun die Opferrolle im vorgelegten Lösungsvorschlag rechtfertigt?

Der Traum ist aus

Eine der Ursachen findet man in den Wurzeln des Mannheimer Modells. Im Stadtmarketing-Sprech war nur die Popakademie die eine Säule als Ausbildungsstätte neben dem Gründerzentrum Musikpark, der Musik- und Popkulturbeauftragten und seit Ende 2010 der jüngsten vierten Säule, dem Clustermanagement Musikwirtschaft.

De facto gibt's ja aber zwei bemerkenswerte Mannheimer Ausbildungsstätten im Musikbereich, neben der Popakademie eben auch die Musikhochschule. Deren Inklusion in die Kommunikationsmaßnahmen wurde mit wenigen Ausnahmen, darunter die 2007 nach drei Ausgaben eingestellten Musikbranchenbücher, versäumt. Mit den kommunizierten Erfolgen des "Musik- und Kreativwirtschaftsstandort Mannheim" hat sie anscheinend nichts zu tun.

In seinen ersten Stellungnahmen wehrt sich Oberbürgermeister Dr. Kurz nun dagegen, dass Mannheim die "Hauptlast des Studienplatzabbaus" tragen solle. Gleichzeitig wird das Land ab 2018 alleiniger Gesellschafter der Popakademie sein, so der Staatssekretär im Ministerium für Wissenschaft, Forschung und Kunst gegenüber der RNZ – dass Stadt, SWR und ihnen folgend auch andere Geber zu diesem Zeitpunkt aus der Finanzierung der bisher als GmbH geführten Institution aussteigen werden, scheint bereits festzustehen.

Die Musikstadt-Führung schließt also die Kasse und will deshalb den Hochschulstatus für die Popakademie, um so die künftige Finanzierung komplett aufs Land zu übertragen und damit einhergehend sicherzustellen. Das freut Udo Dahmen und seine Kollegen, deren Arbeit und Engagement in diesen Tagen der Feierlichkeiten zum 10-jährigen Jubiläum zurecht gelobt werden. In der politischen Gemengelage mit Spardiktat führt dies aber zu Kollateralschäden.

Denn auf den Briefingmemos des Ministeriums und seiner externen Experten steht nun schwarz auf weiß: Mannheim erscheint bereits jetzt zu teuer und wird ohne gewaltige Veränderungen spätestens in wenigen Jahren noch teurer werden.

„Musikstadt“ ohne Substanz?

Die Mannheimer PR gerät an dieser Stelle an die Grenzen der Realität. Stünde die Stadt als „Musikstadt“ wirklich da, wo man sie in den vergangenen Jahren hingeredet hat, dann müssten eigentlich andere bluten.

Doch in der Abwägung, was zu tun ist, problematisieren die Experten in erster Linie die Lage in Mannheim und Trossingen. Letztgenannte Stadt erscheint leicht als vernachlässigbares Dorf, erstgenannte mit ihrem „Modell“ offenbar als mittlerweile ausreichend genug aufgeblasen, so dass man an der ein oder anderen Stelle auch mal etwas opfern könne.

Dabei geht es nicht um Details, nicht um Qualität, nicht um Tradition, nicht um ausgewiesene Besonderheiten, sondern um die Frage, welche mögliche Lösung dem überregionalen Wähler gegenüber am einfachsten plausibel zu machen ist. Argumente fallen unter den Tisch, um störende Komplexität zu vermeiden. Das Ziel „Einsparung“ ist ja als reines Stichwort schon verstörend genug. Dass Mannheim mit seinem Musik-Modell kommunikativ nicht auch auf die Sparte Klassik setzte, spielt solchen Überlegungen natürlich in die Hände.

Der Blick fällt auch auf die Substanz. Beispiel Spielstätten: Man findet in Mannheim nicht nur im Jazz/Pop/Rock-Bereich eine stark verbesserungswürdige Situation vor, sondern hält auch der Musikhochschule das Fehlen eines Orchestersaales vor.

Die magischen Worte externer Experten sind ja weitläufig bekannt: Synergien, Strukturverbesserungen, das Schaffen bedeutender Leuchttürme. Pop, Jazz, Akademie, Hochschule… alles kommt in den großen Kulturfinanzenkochtopf, wird verrührt und schließlich durch ein Sieb geleitet, das man der Ehefrau eines Wirtschaftsberaters entliehen hat.

Am Ende bleibt die klassische Musikausbildung in diesem Sieb kleben, werden sowohl die Lehramts- als auch die ausländischen Studenten noch abgeschöpft, um eine für den kennenden Beobachter ungenießbare Soße zu generieren. Doch dem Finanzmann schmeckt die Zahlensuppe.

Wer nicht wirbt, der stirbt

„Eine Musikhochschule ohne diese Kernbereiche ist aber nicht denkbar“ sagen die Vertreter der MuHo und welcher Mannheimer würde ihnen da schon widersprechen wollen? Niemand. Vor Ort weiß jeder um die Bedeutung und die Tradition der Hochschule.

Hat er erstmals den Begriff „Mannheimer Schule“ aufgeschnappt, speichert ihn der stolze Mannemer sofort ab, selbst wenn er nicht unterscheiden kann, ob nun Schiller oder Mozart der bessere Komponist war und nach wem die Stamitzstraße benannt ist.

Doch in der Neuzeit, genauer gesagt innerhalb der letzten zehn Jahre, hat sich die Mannheimer Musikhochschule in Fragen der Außenwirkung beinahe wehrlos von der Popakademie überholen lassen. Aber gerade das Image und damit die Strahlkraft eines „Leuchtturms“ zählen eben auch zu jenen Dingen, von denen sich nicht nur Experten, sondern auch Politiker beeindrucken lassen, die wiedergewählt werden wollen. Dafür müssen ihre Projekte, ihre Ideen und sie selbst nämlich in der Öffentlichkeit stattfinden.

weiterlesen: Ein "Geburtstagsgeschenk der Landesregierung an die Popakademie" (Ministerin Bauer)?

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Die GmbH konnte von Beginn an weit umfassender in ihrer Außendarstellung agieren und tat dies in hervorragender Qualität. Breitenwirksame Projekte wie „School of Rock“, die in der Mitte der Gesellschaft angesiedelt sind, wurden ebenso hervorragend zur PR genutzt wie Events für Branchenköpfe, so zum Beispiel der „Kongress Zukunft Pop“. Dazu gehört auch, dass Popakademie-Absolventen heute öffentliche Stellen in zentralen Bereichen der Pop-, Jugend- und Kreativwirtschaftsstrukturförderung inne haben. 

Währenddessen prangt der kleine Artikel über die Erfolge, die das Violinduo The Twiolins einheimsen konnte, in der Musikhochschule lieblos an einer der ansonsten recht nackten Wände des Gebäudes. Pressemeldungen verweisen nur auf anstehende Konzerte, anstatt zu Branchenthemen Stellung zu beziehen. Die Debatte um die Finanzierung der Orchester der öffentlich-rechtlichen Anstalten hätte zum Beispiel eine Möglichkeit geboten, prominent aufzutreten. Die eigene Homepage entstammt ganz offensichtlich den Zeiten vor der großen Internetblase. Auf den Social Media-Kanälen sucht man die MuHo fast vergebens (Facebookseite hier; Anm.d.Red.), während sogar Udo Dahmen höchstpersönlich diese Klaviatur bespielt.

Viel zu spät wurde die Notwendigkeit erkannt, für die eigene Arbeit nicht nur bei potenziellen Studenten zu werben, sondern weit darüber hinaus eine Strahlkraft zu entwickeln, die mit jener der Popakademie auch nur ansatzweise hätte konkurrieren können. So brannte die Taschenlampe zum Schluss selbst dafür nicht mehr stark genug, dass der Expertenblick auf das mit der Hochschule Trossingen erarbeitete, eigene „Zukunftskonzert für die Musikhochschulen“ gefallen wäre. Es blieb unbeachtet in einer staubigen und dunklen Ecke liegen.

Der angeschobene Zug verlangsamt sich

„Wir brauchen ausreichend Zeit, um standortbezogen eine tragfähige Konzeption für die Musikhochschule unter den neuen Bedingungen zu beschreiben und zu diskutieren“, so Dr. Kurz in einer Pressemeldung der Stadt Mannheim. Am 18. Juli traf er sich mit den Leitern der Musikhochschule und der Popakademie zu einer ersten Lagebesprechung.

Plötzlich geht also allen alles zu schnell, zerrinnt der trockene Sand schneller in den Händen, als wenn er wenigstens noch ein wenig feucht wäre. Alarmstufe Rot, fünf vor Zwölf… beinahe scheint es, als sei man über dieses Stadium schon hinaus. Der Zeitpunkt jedenfalls, den sich das Ministerium für den Offenlegung der Pläne wählte, war offenkundig ein geschickt sowie bewusst gesetzter Termin.

Unterdessen wird Ende Juli ein weiterer erster Spatenstich für ein weiteres Kreativwirtschaftszentrum in Mannheim erfolgen – hier lässt sich noch mal schieben, denn auch dieses Projekt wird aus einem europäischen Fond gefördert. Wie geschickt Mannheim doch bisher immer darin agierte, sich diese Töpfe zu sichern! Doch auch an überbordender Förderung kann man sich verschlucken.

Ein Plan B zur weiteren Sicherstellung und zum Ausbau des bisher Erreichten sollte bei einer Top-Priorität wie dem Ausbau Mannheims zur Kreativ- und Musikstadt frühzeitiger in der Schublade liegen.

„Diese Pläne und diese Vorhaben sind in gewisser Weise das Geburtstagsgeschenk der Landesregierung an die Popakademie“, lässt Ministerin Bauer anlässlich eines Empfangs zum 10-jährigen in der Popakademie tief in die Denkweise der Landesregierung blicken. Für die Stadt Mannheim lägen hierin „enorme Chancen“, eine „wirklich einzigartige Einrichtung“ zu erhalten, die „Leuchturmcharakter“ habe.

Update des Modells

Wie so oft geht es grundlegend ums große Geld. Soweit, so normal. Doch das Land agiert dabei aus seinem eigenen Blickwinkel. Die Angst regiert, dass zu viele Kosten auf viel zu kleine Füße fallen. Sparen ist die Maxime. Der dort verspürte Druck ist global, die Lösungsansätze können jedoch nur lokal sein. Bildung und Kultur sind Ländersache. Was soll auf kommunaler Ebene nun geschehen?

Für Mannheim steht immens viel auf dem Spiel. Es geht um mehr als nur um den Wegfall einiger hundert Studienplätze. Das Mannheimer Modell muss neu ausdefiniert werden, klare Standpunkte bezogen, Unterstützer gewonnen werden. Deshalb sollte die weitere Diskussion sehr vorsichtig und geschickt geführt werden, um ein Jeder gegen Jeden unter den Mannheimer Akteuren zu vermeiden.

Vordringlich sollten die Akteure gemeinsam neu über Ziele und Selbstverständnis beraten: Was ist neben der bisherigen Marketingblase heute wirklich wesentlich für ein „Mannheimer Musik-Modell“? Ein entsprechend aktualisiertes Konzept müsste die Musikhochschule ebenso wie die breitgefächerte Szene besser einbeziehen und sollte bisher ungelöste Fragen wie den Spielstättenmangel höher auf die Agenda setzen.

Wie würden Sie entscheiden?

Es wird in den kommenden Sommerwochen neben der kommunalen Politik und den einzelnen Akteuren im Kulturbereich nicht zuletzt auch von der übrigen Mannheimer Öffentlichkeit und deren eventuellem Widerstand abhängen, wie die Vorlage en détail aussehen wird, über die das Landesparlament abzustimmen haben wird.

Wir würden Sie entscheiden? Ich zumindest halte nichts von den Plänen in der vorgelegten Form, wenn auch eine engere Zusammenführung der musikalischen Ausbildung in den Bereichen Jazz/Pop/Rock durchaus bedenkenswert sein könnte. Das Denken sollte dabei jedoch vor der Abstimmung stehen.

Die geplanten Schritte auf Kosten der klassischen Musiksparte zu gehen und zwei bewährte Institutionen gegeneinander auszuspielen, verkennt nicht nur das Bewusstsein für Tradition und den Wunsch nach deren Bewahrung, das vor Ort herrscht. Die Experten strotzen auch im Weiteren von Ahnungslosigkeit, wenn sie ernsthaft davon ausgehen, dass die erzwungene Zusammenführung zweier unterschiedlich gelebter und geprägter Kulturen wie jener der Akademie und der Hochschule so reibungslos verlaufen könne, dass am Ende des Prozesses der versprochene größere Leuchtturm stünde. Nein, hier geht es um Verlust, kurzum ums Leben in der Quadratestadt.

Zu diesem Thema kann man auf dem Laufenden bleiben, indem man unsere Themen zum Mannheimer Modell abonniert oder der Facebook-Kampagne der MuHo folgt. Und man kann sich beteiligen, indem man die neue Petition der Musikhochschule zeichnet, unsere politischen Vertreter in Stadt und Land konfrontiert und sich selbst nach seinen Möglichkeiten in die Diskussion einbringt.

Gerne würden wir eure Kommentare hören:

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