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Wolfgang Niedecken (2018) © Manfred Rinderspacher

Ende Mai starten Niedeckens BAP ihre Tour, auf der sie erstmals drei Bläser dabei haben. Wir sprachen mit Wolfgang Niedecken bei einem Pressetermin in Mannheim über die Tour, die Vollendung der Solo-Trilogie und das langsame Aussterben von Kölsch.

regioactive.de: Wolfgang, wie kam es zu der Entscheidung die diesjährige Tour mit einem dreiköpfigen Bläsersatz zu bestreiten?

Wolfgang Niedecken: Das wurde dieses Mal nötig, weil wir auch mit meinem Soloalbum auf Tour gehen. Ich habe das Album in New Orleans aufgenommen und wenn man dort Musik macht und die Einflüsse der Stadt aufnimmt, dann kommt man an Bläsern gar nicht vorbei. Besondere die zweite Single "Et ess wie et ess" ist von Bläsern bestimmt. Da ich diese Stücke in der Version des Familienalbums – und nicht in der alten BAP-Version – spielen wollte, musste ich Bläser mitnehmen, wenn ich die Blasinstrumente nicht durch Synthesizer ersetzen wollte.

regioactive.de: Wie kam die Zusammenarbeit mit den Bläsern von Grosch's Eleven zustande?

Wolfgang Niedecken: Wir haben uns hier in Mannheim, wo wir ja auch Ende Oktober auftreten werden, auf die "Sing meinen Song"-Konzerte in Südafrika vorbereitet und dabei bin ich auf diese drei Bläser gestoßen. Wir hatten sehr viel Spaß, dann haben wir uns noch zweimal bei TV-Produktionen getroffen und schließlich musste ich sie einfach mal fragen, ob sie Zeit und Lust hätten. Und sie hatten Zeit. Seitdem war die Freude bei der ganzen Band groß und alle Probleme gelöst.

regioactive.de: Welchen Einfluss hat diese Entscheidung auf die Setlist?

Wolfgang Niedecken: Mir wurde sofort klar, dass wir die Stücke mal ganz anders spielen können. Außerdem kommen auch jetzt Stücke wieder in Frage, die wir seit Jahren nicht mehr gespielt haben. Es ist schön, wenn man eine Band so betreiben kann, dass sich eines aus dem anderen ergibt. Das mag ich sehr.

regioactive.de: Angesichts der ganz unterschiedlichen Projekte bzw. Touren – solo, im Trio, mit der Bigband und jetzt mit Bläsern – bleibt nur noch eine Sache, die Ihr noch nicht gemacht habt: Gibt es eine Chance für BAP mit Orchester?

Wolfgang Niedecken: Eher nicht. Ich kann mir nicht vorstellen, dass sich unsere Musik dafür eignet. Wenn mir allerdings das WDR Orchester anbieten würde, so ein Programm zu machen, dann würde ich auf jeden Fall darüber nachdenken. Es käme darauf an, wer das arrangiert. Als wir das Album mit der WDR-Bigband gemacht haben, hatte ich das Glück, dass Mike Herting die musikalische Leitung übernommen hat, den ich schon unfassbar lange kenne – länger als es BAP gibt! Für Mike habe ich schon Plattencover und Plakate gestaltet, als ich als Maler mein Geld verdient habe. Irgendwann bekam der mit, dass ich eine Band habe. Er hat unsere Karriere immer verfolgt und irgendwann als dann das Angebot mit der WDR-Bigband kam, war für mich auch klar: Das muss der Mike arrangieren!

regioactive.de: Du hattest jetzt ja auch mit Bujazzo, dem Bundesjazzorchester zwei Konzerte gespielt, wie war das?

Wolfgang Niedecken: Großartig! Das ist ja sozusagen so was wie die Jugendnationalmannschaft. Was die schon draufhaben, davor kann ich nur meinen Hut ziehen. Unglaublich! Ich kann mir vorstellen, mit Bujazzo demnächst wieder zusammenzuarbeiten. Kürzlich habe ich auch wieder die Leute von der WDR-Bigband getroffen, die scharren auch: "Lass uns wieder..." Das ist natürlich eine tolle Anerkennung, wenn diese Cracks unbedingt mit mir spielen wollen. Ich weiß noch, wie aufgeregt ich war als ich zum ersten Mal zu den Proben mit der WDR-Bigband gegangen bin. Ich war wirklich nervös und dachte, die werden mich hassen mit meinen drei Akkorden! (lacht) Und sie haben es geliebt!

regioactive.de: Zum Thema Kölsch als die Sprache Deiner Texte ist ja eigentlich alles gesagt, aber ein Aspekt interessiert mich, über den ich bislang noch nichts von dir gehört oder gelesen habe: Als ihr mit der Band angefangen habt, habt ihr untereinander Kölsch gesprochen, oder?

Wolfgang Niedecken: Damals ja.

regioactive.de: Irgendwann ging das aber zu Ende. Was war der Auslöser für den Wandel, wurde das durch einen Besetzungswechsel verursacht?

Wolfgang Niedecken: Ja, das hat mit der Besetzung zu tun. Solange der Schmal (Manfred Boecker, Percussion/Saxophon von 1976-1995) mitgespielt hat, war das noch so, mit dem Schmal habe ich nur kölsch geredet. Irgendwann hatte der keinen Bock mehr, er hatte einfach keine Lust mehr auf diese Harlekin-Rolle in der Band. Schmal ist ja nicht unbedingt der begnadete Musiker, aber er ist ein fantastischer Maler und wir haben uns humormäßig auf dem gleichen Level bewegt – da gab ein Wort das nächste. Wir haben uns so viel Scheiß ausgedacht, den wir auf der Bühne machen konnten, die ganzen lustigen Sachen – man sagt zu seiner Rolle ja auch "Spannmann". Schmal war der ideale Spannmann für mich. Als der Schmal aus der Band raus war, war kein Spannmann mehr da, bis ich Jürgen Zöller (Drums von 1987-2014) hinter mir am Schlagzeug entdeckt habe, das war dann der nächste Spannmann. Jetzt ist der auch weg. Aber dass wir innerhalb der Band kölsch gesprochen haben, war danach zu Ende.

regioactive.de: Also bis 1995/96 habt Ihr noch kölsch in der Band geredet?

Wolfgang Niedecken: Ja, bis dann. Wenn wir uns heute treffen sprechen wir ja immer noch kölsch miteinander. Es ist so, dass insgesamt in Köln viel weniger kölsch gesprochen wird – sogar in Köln. Ich glaube, ich bekomme außerhalb meiner Familie, nur vier oder fünf Leute zusammen, mit denen ich noch kölsch reden kann. Davon ist einer Hans Süper, dann Tommy Engel, Jürgen Zeltinger, Arno Steffen und das war's dann auch schon.

regioactive.de: Wie kommt das?

Wolfgang Niedecken: Machen wir uns nichts vor: Die Regionalsprachen sterben aus. Die Menschen haben keinen kölschen Alltag mehr. Man geht nicht mehr abends in die Kneipe und diskutiert das Tagesgeschehen auf kölsch mit einem Kölsch in der Hand. Kölsch ist übrigens die einzige Sprache, die man auch trinken kann. (lacht)

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regioactive.de: Eure alten Alben auf Vinyl aus den Achtzigern sind ja millionenhaft verkauft und als Second Hand-Ware überall erhältlich, eure Vinyl-Veröffentlichungen aus den Neunziger und Nullerjahren, sofern es überhaupt Vinyl gab, werden mittlerweile zu horrenden Preisen gehandelt. Das "Övverall"-Album wird beispielsweise für dreistellige Beträge angeboten. Überrascht dich das?

Wolfgang Niedecken: Wow, wirklich? Muss mal schauen, ob ich noch irgendwo eins habe. (lacht)

regioactive.de: Gibt es denn Pläne für LP-Reissues, speziell für die Alben, die so rar sind wie "Pik Sibbe" bzw. für die, die nie auf Vinyl erschienen sind wie "Amerika", "Comics & Pin-ups", "Tonfilm"? Anscheinend herrscht große Nachfrage unter den Vinyl-Fans.

Wolfgang Niedecken: Damit muss ich mich mal befassen. Aber in erster Linie bin ich momentan damit beschäftigt mich auf die Tour vorzubereiten und dann auch mal wieder neue Songs zu schreiben. Ich muss irgendwann mal aufhören mich um alles zu kümmern. Irgendwann will ich auch einfach nur noch mal Künstler sein und mit dem wunderschönen Gefühl morgens aufzuwachen "Jetzt frühstückst du und dann spielst du Gitarre und dann überlegst du dir, wie du die Gedanken der letzten Wochen in einen Song verwandeln kannst". Je mehr ich mich um organisatorischen Kram kümmere, desto wahnsinniger macht mich das auf Dauer.

regioactive.de: Bist Du mittlerweile komplett eigenverantwortlich für das Organisatorische, oder hast Du einen Manager, der sich um das kümmert?

Wolfgang Niedecken: Nein, wir haben unser Büro, wo alle Fäden bei Vera und Anne zusammenlaufen. Aber seitdem die Kinder aus dem Haus sind, kann sich erfreulicherweise meine bezaubernde Gattin mit mir um das meiste kümmern. Wir haben mittlerweile sogar unseren eigenen Stempel, auf dem "Kitchentable Management" steht. Der Name ist Programm. Ich bin ja in einem Familienbetrieb aufgewachsen, meine Eltern hatten ein Lebensmittelgeschäft, daher bin ich Familienbetrieb gewohnt. Ich kann mich in einer Familie sehr gut zurechtfinden, das ist überschaubar, es wird mir nicht zu groß. Für vieles andere haben wir natürlich Leute, die für uns zum Beispiel eine Tour organisieren. Unser Merchandise entwerfen wir selber mit unserem Grafiker. Das sind ja alles die Sachen, die ich gestalten kann, ich habe ja Malerei studiert. BAP ist genau genommen ein Gesamtkunstwerk, das macht mir großen Spaß.

regioactive.de: Aktuell hast du ja einen Plattenvertrag mit Vertigo/Capitol, wie lange läuft der noch?

Wolfgang Niedecken: Ich habe verschiedene Optionen. Ich habe noch mindestens einen Vertrag für ein Bandalbum und ein Soloalbum und dann muss man halt schauen, wie es weitergeht. Keiner weiß, wie es mit der ganzen Plattenindustrie weitergeht. Die können auch keine Fünfjahrespläne mehr machen. Der Umsatz von physischen Tonträgern ist ja durch die Entwicklung von Raubkopien, Downloads und jetzt Streaming massiv zurück gegangen.

regioactive.de: Machst du dir Sorgen?

Wolfgang Niedecken: Erfreulicherweise ist BAP eine Album-Band, schon immer. Wir sind keine Band, die ein oder zwei Singles ins Visier nimmt und dann guckt, was man noch an Restschrott hat und das dann zum Füllen aufs Album draufpackt. Wir haben uns immer Mühe gegeben ordentliche Alben zu machen. Außerdem sind wir wirklich eine echte Liveband, das hat uns über die Jahre eigentlich den Arsch gerettet. Und das werden wir natürlich pflegen.

regioactive.de: Das heißt die Konzerte halten den Laden am Laufen und ernähren die Familie und die Firma?

Wolfgang Niedecken: Ja, genau. Teilweise habe ich mit all' diesen Geschichten, von denen du vorhin gesprochen hast, beispielsweise den Solo-Tourneen, die Band über Wasser gehalten. Zumindest habe ich dafür gesorgt, dass wir im Geschäft blieben. Natürlich habe ich nicht meine Gage mit den Bandmitgliedern geteilt, denn die spielen ja auch in anderen Konstellationen und arbeiten als Studiomusiker, aber ich habe den Apparat am Laufen gehalten. So ein Apparat erzeugt ja immense Kosten. Wenn wir ein Jahr lang nicht spielen, habe ich ja trotzdem unser Büro zu finanzieren, auch wenn wir "Kitchentable Management" von zuhause aus machen.

regioactive.de: Die Personalkosten sind ja jeden Monat fällig.

Wolfgang Niedecken: Genau. Wir haben zwei Angestellte, die müssen finanziert werden. Das habe ich aber mehr oder weniger unbewusst getan, irgendwann wurde mir bewusst: Stimmt, eigentlich halte ich den Laden mit diesen anderen Projekten am Laufen. Nichts ist ja blöder, als der Zwang mit der Band auf Tour zu gehen. Irgendwann merkst du: "Scheiße, du überspielst dein Terrain." Deswegen muss man dafür sorgen, dass es vielfältig und interessant bleibt. Vielleicht auch mal nur für ein kleineres Publikum. Das machen nicht alle, es gibt Kollegen, die eine ganz andere Strategie haben. Die kommen alle fünf Jahre mit einem neuen Studioalbum und dann wird mit Furz und Feuerstein das Ding beworben und ganz groß aufgezogen. Kann man auch machen. Das wäre mir aber zu langweilig, weil ich ja gerne spiele. Ich habe einen ausgeprägten Spieltrieb. (lacht)

regioactive.de: Du hast vorhin angedeutet, du freust Dich auf die Zeit, wo du wieder die Gedanken in das nächste kreative Projekt fließen zu lassen, Songs zu schreiben für ein neues Album – das wird dann wieder ein BAP-Album sein?

Wolfgang Niedecken: Schauen wir mal. Ich weiß es wirklich nicht. Es gibt viele Möglichkeiten, wie es weiter gehen könnte nach der Tour. Sagen wir mal so: Wenn ich relativ schnell jetzt zu Potte komme, in dem Sinne dass ich auch das Gefühl habe, ich habe etwas mitzuteilen, ich kann neue Gedanken formulieren, dann könnte das was werden. Der Ulle (Ulrich Rohde, Gitarre seit 2014) hat mir phantastische Musik geschickt, die ich nur noch betexten muss. Die liegt zuhause. Ich bin noch nicht dazu gekommen mich damit ordentlich auseinander zu setzen.

regioactive.de: Gibt es da noch eine Idee oder ein Konzept für ein drittes Album in dieser Art, dass du zusammen mit Julian Dawson und den Musikern aus den USA dort aufnehmen willst?

Wolfgang Niedecken: Wer hat dir das erzählt? (lacht). Ja, letztendlich wird das auf eine Trilogie hinaus laufen. Aber das wird erst dann passieren, wenn sich auch hier wieder ein Zeitfenster ergibt, von dem wir jetzt noch nichts wissen. Das war bei dem aktuellen Album genauso. Wir hatten schon 2012 in Woodstock beschlossen, dass es dieses Album mit dem Arbeitstitel "Family Affairs" geben wird. Damals hatten wir das Album "Zosamme alt", das nur von mir und meiner Frau handelt, aufgenommen und als das fertig war, waren wir alle traurig, weil das eine so wunderbare Gemeinschaft war. Also haben wir beschlossen: "Sowas müssen wir nochmal machen!".

regioactive.de: Stand damals auch schon New Orleans als Aufnahmeort fest?

Wolfgang Niedecken: Wir haben uns damals sehr oft über New Orleans unterhalten, bis ich schließlich gesagt habe: "Wenn dieses Album funktioniert, dann nehmen wir das nächste in New Orleans auf!". Genauso kam es auch. Als die Aufnahmen zu diesem Album abgeschlossen waren, ist das gleiche passiert: Wir waren schon wieder alle traurig, dass wir fertig waren und haben dann aber auch schon gesagt: "Wisst Ihr was, wenn das funktioniert, machen wir irgendwann eine Trilogie daraus!"

regioactive.de: Gibt es denn schon einen Arbeitstitel für das dritte Werk?

Wolfgang Niedecken: Den Arbeitstitel werde ich jetzt noch nicht verraten, damit ich auch in ein paar Jahren, wenn es dann soweit ist, noch etwas zu erzählen habe, aber ein kleiner Tipp: Das erste handelt von mir und meiner Frau, das zweite von der Familie im weitesten Sinne und meinen Ahnen und dann ziehen wir den Zoom einfach noch etwas weiter auf.

regioactive.de: Habt Ihr denn einen speziellen Ort im Sinne, wo Ihr jetzt schon wisst, dass die Aufnahmen dort stattfinden sollen?

Wolfgang Niedecken: Nachdem wir das erste Album an der Ostküste aufgenommen haben und das zweite im Süden, ist geplant, dass wir vielleicht an die Westküste gehen. Dafür wäre San Francisco natürlich ein prädestinierter Ort. Aber wir waren kürzlich dort, weil ich für ARTE diesen Fünfteiler über Dylan gedreht habe und da haben sie uns das Auto aufgebrochen und wir mussten alles Mögliche neu beschaffen. Dabei haben wir gemerkt, dass San Francisco eine wahnsinnig teure Stadt ist. Daher weiß ich nicht, ob wir wirklich dort aufnehmen oder doch ganz woanders. Aber jetzt gehen wir erstmal mit BAP auf Tour und erspielen uns das Grundgefühl fürs nächste reguläre BAP-Album – so Gott will!!

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