Killerpilze

Killerpilze © Simon Lohmeyer

Die Killerpilze sind wieder da! Im März kam ihre neue Scheibe "High" auf den Markt, auf der sich das Trio im neuen optischen und musikalischen Gewand zeigt. Wir haben mit Sänger Jo Halbig über die Anfänge der Band und die ein oder andere durchgezechte Nacht gesprochen.

regioactive.de: Die bislang erfolgreichste Zeit der Killerpilze war in den Jahren 2006 und 2007. Ich selbst war damals 14 bzw. 15 und habe eure Songs ziemlich abgefeiert. Wie habt ihr selbst die Zeit damals erlebt?

Jo Halbig: Das ist natürlich zehn Jahre später eine spannende Frage. Ich habe die Zeit als Ritt auf einer Welle der Euphorie erlebt. In kürzester Zeit ist unglaublich viel passiert: Raus aus dem Dorf, aus dem wir stammen, rein in den Nightliner, in die Hallen, Fernseh- und VIP-Aftershows. Es war eine sehr intensive Zeit, aber wir fanden es auch unglaublich geil, dass wir sowas erlebten durften. Während wir vorher noch vor 30 Kids im Juze gespielt haben, standen wir auf einmal vor 800 Mädels. Das war natürlich ein heftiger Bruch. Wir haben es damals aber auch genossen so gut es ging.

regioactive.de: Ihr habt es ja über all die Jahre bis heute geschafft, als Band zusammen zu bleiben. Wie ging es nach den Anfangsjahren für euch weiter? Leider bin ich erst mit eurem neuen Album wieder so richtig auf euch aufmerksam geworden.

Jo Halbig: So geht es vielen. Wir sind wieder im Mainstream angekommen! Wir haben damals zwei Alben bei Universal veröffentlicht. Dann kam allerdings der Bruch mit der Plattenfirma, weil diese von uns gefordert hat, weiterhin die Zielgruppe mit genau gleichem Sound zu bedienen, was wir aber nicht mehr machen wollten. Wir wollten die Möglichkeit haben, uns musikalisch weiterzuentwickeln. Aus diesem Grund haben wir uns 2008 mit Universal auf eine Trennung geeinigt. 2009 haben wir beschlossen, ein eigenes Label zu gründen. Wenn uns damals jemand gesagt hätte, was da an Arbeit auf uns zukommt, dann hätten wir das womöglich nicht gemacht. Wir waren zum Glück mit einer gesunden Portion Naivität gesegnet, um eigene Platten zu veröffentlichen.

regioactive.de: Aber es gelang nicht, an die frühen Erfolge anzuknüpfen?

Jo Halbig: In den Folgejahren bis 2014 haben wir drei Alben veröffentlicht und uns sowohl auf Festivals als auch mit eigenen Tourneen im In- und Ausland "den Arsch" abgespielt. Wir haben versucht, die Struktur auf unserem eigenen Label zu verstärken und uns zu verbessern. Es hat uns auf die Bühne gezogen, weil wir den Leuten zeigen wollten, dass in uns mehr steckt als der Hype einer Band von 16-Jährigen. Wir haben immer wieder musikalische Spielfelder ergründet und das hat bis heute angehalten.

regioactive.de: Wie blickt ihr auf diese Jahre zurück?

Jo Halbig: Mit unserer neuen Platte "High" erleben wir gerade die große Renaissance der Killerpilze im 14. Bandjahr und sind auch wieder in den breiten Medien ein Thema, was ein extrem schönes Gefühl ist. Die Zeit bis dahin war für uns dennoch wichtig, um das Bandgefüge zu stärken und klarzustellen, dass wir nicht nur drei beste Freunde, sondern eine richtige Band sind. Ich glaube, dass haben viele Menschen bei unseren Live-Konzerten für sich entdecken können. Dass wir mit dem neuen Album in den Medien wieder präsent sind und in die Charts eingestiegen sind, ist eine schöne Bestätigung für diese Arbeit und die Anerkennung von Kritikern und der breiten Masse, die längst überfällig war.

regioactive.de: Euer letztes Album "Postkarten" und euer aktuelles Album habt ihr per Crowdfunding finanziert. Das scheint bei euch ja relativ gut zu funktionieren. Welche Erfahrungen habt ihr damit gemacht?

Jo Halbig: Für uns war Crowdfunding eine absolut positive Erfahrung, weil wir nicht nur unsere Zielerwartungen erreicht, sondern auch übertroffen haben. Es war uns natürlich nicht bewusst, als wir das ausprobiert haben. Ich glaube, wir waren die erste Band in Deutschland, die ein Crowdfunding-Projekt in dieser Höhe gestartet hat. Natürlich waren wir anfangs selbstbewusst, dass es klappen könnte, aber die Zweifel sind trotzdem so lange da, bis man die erwünschte Summe erreicht hat. Wir haben in das Projekt unglaublich viel Herzblut reingesteckt, sind sehr kreativ gewesen und standen mit unserem Fans in intensivem Kontakt. Am Ende hat sich das bezahlt gemacht. 

regioactive.de: Der Erfolg sagt ja auch viel über das Verhältnis zu euren Fans aus.

Jo Halbig: Dass Leute bereit waren, für unsere Musik und unsere Arbeit Geld zu bezahlen, war für uns eine schöne Anerkennung. Ich glaube zwar nicht, dass wir nochmal ein Projekt in solcher Höhe angehen würden, wobei man sowas natürlich nicht ausschließen kann. Was mich besonders gefreut hat, ist die Tatsache, dass unsere Rolle als Band, die sich als erstes an ein solch großes Projekt wagt, große Beachtung fand. Immerhin hätten wir auch komplett auf die Schnauze fallen können.

regioactive.de: Zu eurem neuen Album: Wie kam es zum Namen "High"?

Jo Halbig: Zum einen sind wir natürlich keine Kinder von Traurigkeit. Wir feiern gerne. Zum anderen ist es ein Album, das von einer sehr positiven Zeit handelt, die wir in den letzten zwei Jahren während der Entstehung des Albums erlebt haben. Ein Album ist ja immer eine Momentaufnahme und spiegelt nur einen gewissen Zeitabstand wider, vor allem in so einer langen Künstler-Laufbahn.

regioactive.de: Welche Momente fängt das Album ein?

Jo Halbig: Wir waren viel auf Tour, waren auf Reisen und haben tolle Frauen kennen gelernt und uns wieder von ihnen getrennt. All diese Themen haben auf das Album eingewirkt. Ich würde sogar sagen, dass die Platte unser autobiographischstes Werk ist, auf dem wir sehr viele persönliche Erfahrungen verarbeitet haben. Außerdem hatten wir Lust, uns musikalisch auszuprobieren und sowohl einige 80er-Referenzen als auch große Melodien einzuarbeiten, um da erneut aus musikalischen Schubladen rauszustechen.

regioactive.de: Mein persönlicher Eindruck ist, dass das Album im Vergleich zur Anfangszeit sehr poppig ist. Wolltet ihr keinen Punk mehr machen oder ist das Ergebnis eurer musikalischen Entwicklung?

Jo Halbig: Es gab von Album zu Album eine eigene Entwicklung. Wir hatten nicht vor, 2016 ein poppiges Album rauszubringen. Vielmehr war es in den letzten Jahren auf dem eigenen Label so, dass wir ganz unterschiedliche Alben gemacht haben. Die erste Platte "Lautonom" war sehr punkig, dann kam "Ein bisschen Zeitgeist", die eine coole Mischung aus Electro und beinahe Metal war. Mit "Grell" im Jahre 2013 machten wir vielleicht einen Schritt in Richtung Pop.

regioactive.de: Und das hat sich bei der neuen Platte verstärkt?

Jo Halbig: Bei "High" hatten wir das Gefühl, unsere inneren Pop-Schweine rauslassen zu können. Das bedeutet allerdings nicht, dass wir uns bewusst von etwas abgrenzen wollen, was vor zehn Jahren war. Ich selbst könnte mir vorstellen, dass wir irgendwann wieder eine punkige Platte produzieren oder dass wir uns auf anderen Gebieten austoben. Es war für uns jetzt an der Zeit, mal diese Seite für uns zu entdecken. Aber der Sound der Killerpilze speist sich ja nicht aus einer Platte, sondern es sind viele verschiedene Phasen, songs und Stilrichtungen, die zusammenkommen.

regioactive.de: Wie seid ihr auf die Idee zu eurem neuen Album-Cover gekommen? Wer ist die Frau in der Mitte?

Jo Halbig: Für das Album wollten wir ein spezielles Shooting machen, mit dem wir das "High"-Gefühl auch ein Stück weit einfangen konnten. Dafür nisteten wir uns dann auf einem Hippie-Bauernhof in der Nähe von München ein, nahmen ein paar Freunde und hübsche Mädels mit und hingen dort den ganzen Tag nur ab. Wir hatten nicht wirklich die Absicht, ein klassisches Foto-Shooting zu machen, sondern wir verbrachten dort einfach nur einen entspannten Tag. Im gesamten Album-Booklet kann man das auch nachverfolgen.

regioactive.de: Abends ging es dann wild her...

Jo Halbig: Genau. Als alle schon recht gut drauf waren, fragte der Fotograf, ob wir nicht Bock hätten, nackt durch die Büsche zu springen.Es war nichts, das wir forciert haben, aber zum Glück waren alle sofort einverstanden. Es wurde sogar analog fotografiert. Am Ende hatten wir dann drei Bilder und eines davon wurde das Album-Cover, das auch den Blankziehen-Effekt abbildet, den wir mit dem Album zeigen möchten. Die hübsche Dame in der Mitte ist eine gute Freundin von uns, deren wunderhübsches Hinterteil jetzt durch die Welt kursiert.

regioactive.de: Im November und Dezember seid ihr ja auf großer Deutschlandtour.  Werdet ihr auch Songs aus den Anfangsjahren spielen?

Jo Halbig: Nach 14 Jahren Bandkarriere ist es schwierig, ein Set zu bauen, das für 1,5 Stunden eine perfekte Mischung bietet. Wir haben mittlerweile schon so viele Songs und daher müssen wir natürlich aussortieren, aber es werden definitiv auch Songs von früher dabei sein. Ich denke, das Set wird sich immer wieder unterscheiden. 

regioactive.de: Was können die Fans auf den Konzerten noch von euch erwarten?

Jo Halbig: Was wir mit "High" das erste Mal machen werden und was es bis dato noch nie gab: Wir werden das komplette Album live spielen. Meistens ist es ja so, dass einige Songs rausfliegen, weil man live nicht wirklich Bock darauf hat. Auf jeden Fall erwartet die Fans zum ersten Mal eine große Tour als Trio. Wir waren ja vorher lange Zeit mit einem Live-Bassisten unterwegs. Seit 1,5 Jahren spiele ich ja Bass, somit sind wir jetzt live die reinste Form einer Rock-Band und werden das auch entsprechend auf der Bühne umsetzen.

regioactive.de: Habt ihr eine große Fangemeinde in Frankreich?

Jo Halbig: Ja, tatsächlich. In Frankreich haben wir unsere größte Fanbase im Ausland, auch Russland ist vorne mit dabei. Wir spielen auch auf dieser Tour wieder zwei Konzerte in Lyon und Paris. Es ist ein schönes Privileg, dass wir sozusagen als Urlaubsreise dorthin fahren dürfen. Es gibt dort tatsächlich Fans, die wegen uns Deutsch lernen. Es ist super spannend, weil wir uns das selber nicht wirklich erklären können. Auf jeden Fall ist es eine tolle Erfahrung.

regioactive.de: Lebt ihr eigentlich hauptsächlich von der Musik?

Jo Halbig: Wir leben größtenteils schon von der Musik, aber trotzdem macht jeder von uns nebenbei noch unnglaublich viele andere Sachen. Fabi hat nebenbei Film studiert und schauspielert noch, wenn er Zeit findet, falls Max und ich im Studio sind. Ich veranstalte zu Hause in München Events und Partys, wenn wir nicht gerade auf Tour sind. Es ist uns wichtig, breit aufgestellt zu sein und nicht komplett Tag und Nacht für die Band da zu sein, da man von den anderen Projekten auch Inspirationen erhält. Ich glaube, dass wir Typen sind, die nur ungern still herumsitzen. Ich will zum Beispiel demnächst auch anfangen, ein Buch zu schreiben. Es gibt also zahlreiche Dinge, die wir machen, anders als andere Bands, die zwischen Tour und Studio nur zu Hause rumhängen und DVDs schauen.

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