Während sich im Jungbusch viel verändert, neue Gastronomiebetriebe das einst verruchte Ausgehviertel salonfähig machen und das Kultur- und Kreativwirtschaftszentrum Mannheim in der Hafenstraße als beeindruckendes Bauwerk hochgezogen wird, steht das Blau als kleiner Fels in der Brandung und lässt sich erst mal nicht vom Auf und Ab im Viertel erschüttern.

regioactive.de: 19 Jahre sind eine lange Zeit, fast schon ein Stück Lebensgeschichte. Wie bist du dazu gekommen, eine Rock-Kneipe aufzumachen?

Ingo Zielske: Eigentlich war das schon immer mein Traum. Wir haben hier zu Dritt angefangen, irgendwann mal war dann nur noch ich übrig. Seitdem führe ich den Laden alleine. Es war damals einfach eine gute Gelegenheit. Das Rheinfels, so hieß das Blau früher, stand leer. Wir hatten Bock, so was zu machen und haben einfach zugeschlagen! Naja, und dann mit der Zeit... wer nichts wird wird Wirt... (lacht).

regioactive.de: Welches Konzept steht hinter dem Blau?

Ingo Zielske: Um ehrlich zu sein, habe ich gar kein ausgeklügeltes Konzept. Für mich ist das A und O, dass es Spaß macht. Das einzige, was ich vielleicht als Konzept aufführen kann, ist, dass es hier locker sein soll, dass sich die Leute wohlfühlen. Man kommt her, trinkt an der Bar ein Bier, geht zum Kicker, fängt an sich mit den Leuten zu unterhalten und dann ist alles auf einmal gut. Und damit das funktioniert, ist die Musik natürlich wichtig. Das ist die Hauptsache, der Rest läuft irgendwie immer.

"Von Mannheim bis New York ist bei uns alles vertreten"

regioactive.de: Das Blau, mitten im Jungbusch, hat neben vielen lokalen Bands ja auch internationale Gäste.

Ingo Zielske: Wir haben einmal im Monat ein Konzert. Von Mannheim bis New York ist dann eigentlich alles vertreten. Die internationalen Geschichten macht meistens der Brandherd. Ich selbst mache ja auch Musik (Bands: Multi Relax Foundation und Apach-o-Matic), und kenne viele Leute, so dass eigentlich immer Anfragen vorliegen. Mittlerweile habe ich in meinem E-Mail Fach sieben Bewerbungen jeden Tag!

regioactive.de: Und was ist das weniger berauschende am Kneipen-Besitzer-Leben?

Ingo Zielske: Naja, es zehrt schon auch ganz schön. Ich stehe im Normalfall noch ein bis zweimal die Woche hinter der Theke. Meistens am Wochenende. Der Abend hört oft erst um fünf oder sechs am nächsten morgen auf. Das ist dann schon sehr sportlich. Urlaub ist zwar auch drin, aber viel verreisen geht nicht. Und dann passiert es doch häufiger, dass ich mir an einem Brückentag ein Konzert reingelegt habe, naja, dann war’s das auch wieder mit dem Urlaub.

regioactive.de: Aber du willst weiter machen?

Ingo Zielske: Auf jeden Fall! Obwohl das auch einen Widerspruch birgt: Es läuft auf der einen Seite sehr gut und auf der anderen Seite ist es einfach auch saumäßig anstrengend. Und, um ehrlich zu sein, so einen richtigen Plan für die nächsten Jahre habe ich eh nicht. Ich hoffe halt, dass nichts Gravierendes passiert und es einfach weiter geht.

Im zweiten Teil: Gentrifizierung und Folklore im Jungbusch.

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"Gentrifizierung findet im Jungbusch definitiv statt!"

regioactive.de: Der Jungbusch bot ja schon immer gute, alternative Ausgehmöglichkeiten. Aber in den letzten Jahren kann man ja schon fast von einem Boom sprechen: Neue Bars und Restaurants machen auf – von der schicken Kneipe, zum teuren Restaurant über neue Retro-Läden.

Ingo Zielske: Die Entwicklung ist aus meiner Sicht gut für die Kneipen. Weil es mehr Leute in den Jungbusch zieht. Und auch von den Rahmenbedingungen hat sich einiges getan. Heute können wir bis fünf Uhr morgens aufmachen, wenn wir wollten. Das ist für uns Kneipenbesitzer natürlich super.

regioactive.de: Das heißt, du stehst der Entwicklung im Viertel gar nicht so kritisch gegenüber?

Ingo Zielske: Grundsätzlich schon. Ich sehe es auch als Entwicklung, die in meinen Augen immer mit Veränderungen verbunden ist. So ist das Leben. Mit dem Bau des Kultur- und Kreativwirtschaftszentrums und anderen Veränderungen sieht man schon, die Gentrifizierung findet hier definitiv statt! Nicht alles läuft optimal. Aber dass sich etwas bewegt, finde ich gut. Man muss einfach abwarten, was es letztendlich für den Jungbusch bedeuten wird. Wie sich das tatsächlich auswirkt, kann man meiner Meinung nach jetzt noch nicht sagen.

regioactive.de: Wenn jetzt neue, große Gastronomie- und Kneipenbetriebe aufmachen und sich im Jungbusch etablieren, ist das keine Gefahr für das Blau?

Ingo Zielske: Nein, ich sehe für das Blau keine große Gefahr. Das Blau ist klein, so viele Leute passen hier ohnehin nicht rein. Es ist klein und verraucht. Die Leute, die auf schick stehen, gehen eh woanders hin. Und ich kann auch nicht beobachten, dass weniger Leute ins Blau kommen. Eher im Gegenteil: die Konkurrenz belebt ja auch das Geschäft. Es strömen abends mehr Leute in den Jungbusch, ziehen von Bar zu Bar. Die haben Spaß! Das finde ich super.

regioactive.de: War es eine bewusste Entscheidung von dir, eine Kneipe im Jungbusch zu eröffnen?

Ingo Zielske: Ja, auf jeden Fall! Irgendwie hat mich der Jungbusch schon immer angezogen. Ich habe hier auch zehn Jahre lang gelebt. Jetzt wohne ich zwar in der Neckarstadt, aber vielleicht ziehe ich auch eines Tages wieder her.

"Der Jungbusch ist halt einfach Folklore!"

regioactive.de: Der Jungbusch ist umstritten: Einerseits Szeneviertel am Wochenende andererseits auch ein Problemviertel. Es ist ein Nebeneinander vieler Kulturen. Funktioniert das aus deiner Sicht gut, ist es eher konfliktbeladen oder macht es das gerade spannend?

Ingo Zielske: Alles drei! Das hier ist eben Folklore. Was die Gewalt betrifft, habe ich persönlich keine Zahlen vorliegen. Aber ganz klar, durch die Einwanderungsbewegungen haben wir hier sicherlich auch ein großes Spannungsfeld. Das ist einfach da und gehört zum Jungbusch. Wenn die Wohnungen hier auch überbelegt sind, dann entstehen durch diese Situationen auch mehr Spannungen und mehr Gewalt – das kann ich mir schon vorstellen.

regioactive.de: Durch die Medien geistern ja auch mit fast schon absehbarer Regelmäßigkeit erschreckende Nachrichten über den Jungbusch.

Ingo Zielske: Ja, natürlich. Das ist ja auch gut so (lacht). Mit gut meine ich, dass der Ruf vom Jungbusch auch ein bisschen abenteuerlich sein muss. Man darf aber auch nicht vergessen: wenn im Jungbusch was passiert ist gleich der Jungbusch-Stempel drauf! Vor ein paar Wochen gab es hier eine große Schlägerei. Klar, das war schon richtig hart. Das ging dann aber auch gleich durch die ganze Medienweilt, sogar deutschlandweit. Wenn etwas im Jungbusch geschieht, wird das auch gleich zu einem großen Thema gemacht.

regioactive.de: Du meinst, ganz so schlimm ist es nicht?

Ingo Zielske: Wie gesagt, ich habe keine Zahlen vorliegen, deshalb will ich schon auch vorsichtig sein, mit meiner Aussage.

regioactive.de: Was schätzt du am Jungbusch besonders?

Ingo Zielske: Im Jungbusch gibt es einfach sehr viele verschiedene kulturelle Spots. Aber man lässt sich gegenseitig in Ruhe, keiner will dem anderen unbedingt an den Karren fahren. Der eine mag halt dies, der andere lieber das. Das finde ich, ist das bemerkenswerte am Jungbusch: hier gibt es eine sehr hohe Toleranz untereinander. Das ist jetzt ganz aus meiner Sicht als Bar-Besitzer. Musik ist einfach eine gewisse Lebensart. Das verbindet. Und ist nicht an Nationalitäten gebunden. Darüber hinaus hat der Jungbusch einfach Flair.

Im dritten Teil: "Als das Rauchverbot kam, hätte ich fast dicht machen müssen"

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"Als das Rauchverbot kam, hätten ich fast dicht machen müssen"

regioactive.de: Könntest du dir einen anderen Beruf vorstellen?

Ingo Zielske: Fabrikbesitzer vielleicht. Weil man da einen Haufen Geld verdient und nichts arbeiten muss, nur seine Zigarre raucht. So stelle ich es mir zumindest vor (lacht). Nein, es ist eigentlich egal, was man macht. Es ist wichtig, dass man etwas tut, was einem Spaß macht. Im Blau ist es einfach locker und die Leute, die hier her kommen, sind einfach so genial, dass es richtig Spaß macht.

regioactive.de: Gab es schon einmal einen Punkt an dem du dachtest, du müsstest dicht machen?

Ingo Zielske: Ja, beim Rauchverbot. Das war sehr schlimm. Ich hatte damals sogar schon den Pachtvertrag gekündigt. Es sind zu viele Einnahmen weggefallen. Es war einfach schockierend leer... Freitagnacht saßen hier vielleicht sieben Leute. Und wenn’s mal scheiße läuft, dann gehen die letzten drei halt auch noch. Ich bin selbst Nichtraucher und verstehe den Schutz der Nichtraucher ja auch, aber bei so einer Kneipe gehört das einfach dazu. Ich dachte damals, die letzten Wochen reiße ich noch ab. Dann kam aber das Urteil, dass man in Eckkneipen wieder rauchen darf. Am nächsten Wochenende ging’s hier wieder rund.

"So kann’s weiter gehen"

regioactive.de: Nach 19 Jahren ist im Blau sicherlich auch eine andere Generation zu Gange. Vieles hat sich verändert.

Ingo Zielske: Sicherlich, viele Dinge haben sich geändert, aber viele Dinge sind auch konstant. Ich will das gar nicht so fest machen. Die Leute sind wirklich cool. Natürlich ist das Publikum heute ganz anders, aber das liegt vielleicht auch daran, dass ich selbst älter geworden bin (lacht). Die heutige Generation, die ins Blau kommt, ist ganz locker und entspannt; wie immer halt. Es gibt natürlich auch Abende, an denen es nicht so gut läuft. An denen nicht so viele Leute kommen, oder es einfach so nicht gut ist. Aber im Normalfall ist es einfach geil. Jeder Abend ist irgendwie anders, das gefällt mir. So kann’s weiter gehen!

Musik aus dem Blau auf CD

Ein Stückchen Lebensgeschichte des Blau ist auch auf CD erhältlich! Seit 2011 gibt es jedes Jahr die Live im Blau Compilation. Volume 1-3 könnt Ihr Euch über die Internetseite des Blau anschauen, blau.zeitfenster.org. Die Produktion des Tonträgers erfolgt in Zusammenarbeit mit dem Kulturamt Mannheim und der Beauftragten für Musik- und Popkultur und dem Veranstaltungscafé BLAU. Zusammen mit der Bookingagentur Brandherd und Mes Music, einem Mannheimer Label, werden die einzigartigen Konzerte aus dem Jungbusch festgehalten.

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